Homestory:
In den Bücherminen von Dr. Drewniok
Eine phantastische Zeitreise
An einem Sonntag im März. Das Wetter ist traumhaft und die Sonne scheint. Wir sind unterwegs ins ostwestfälische Paderborn. Dr. Michael Drewniok erwartet uns. Der langjährige Rezensent bei den Online-Magazinen Phantastik-Couch.de und Krimi-Couch.de ist Gast- und Namensgeber unserer beliebten Video-Serie „Dr. Drewnioks phantastische Schattenseiten“. Dort stellt er regelmäßig ausgewählte Bücher vor. Bücher, die bereits vor vielen Jahrzehnten veröffentlicht wurden, heute vom Markt verschwunden, aber immer noch lesenswert sind.
Dr. Drewniok wird uns heute einen Einblick in sein privates Bücherarchiv geben. Und das soll immerhin schon weit über 11.000 Titel umfassen. Eine erstaunliche Anzahl. Wir sind entsprechend neugierig und gespannt. Zu diesem Zeitpunkt ahnen wir allerdings noch nicht, was wir so alles zu Gesicht bekommen sollen…
„Es mag bei 11.000 Büchern seltsam klingen, aber ich weiß ziemlich genau, wo welcher Titel steckt."
In seinem Haus, idyllisch am Stadtrand von Paderborn gelegen, führt uns Dr. Drewniok auch gleich durch seine Räumlichkeiten. Wer - wie wir - erwartet hat, dass es hier eine einzige größere Bibliothek oder ein Lesezimmer mit meterlangen Bücherregalen gibt, der irrt. Wohnzimmer, Esszimer, Büro und Keller müssen herhalten, um allen Büchern ausreichend Platz zu bieten. Und trotzdem wird es eng. So stapeln sich die Bücher in jedem Regal teils in mehreren Reihen hintereinander. In Schubläden oder hinter Schranktüren und Vorhängen kommen immer neue Bücher zum Vorschein. Dazwischen finden sich auch mal Werkzeuge, Erinnerungsstücke, Fotos der Familie oder sonstige Gegenstände.
Wir sind fasziniert von dem Anblick, der sich uns bietet. Komplette Buchreihen bilden auffällige Farbbereiche und sind so echte Hingucker im Regal. Alte und neue Bücher liegen ebenso wie Krimi, Horror und Science Fiction nebeneinander. Immer wieder zeigt uns Dr. Drewniok besondere Raritäten, seltene Erstausgaben oder vergriffene Sonderexemplare etwa. Dabei schwelgt er immer kurz in Erinnerungen, erzählt eine kleine Anekdote, bevor er dann zielstrebig zum nächsten Titel greift.
Auch wenn Dr. Drewniok in jedem Raum und in jedem Regal die gewünschten Titel ausfindig macht, ganz ohne Inventarliste geht es dann doch nicht. Wenn er schnell wissen möchte, ob er einen Titel schon besitzt, greift er gern auf eine altehrwürdige, aber weiterhin funktionstüchtige Excel-Datei zurück, in die er jede Neuerwerbung einträgt.
"Ich kann sicher für den Rest meines Lebens auf interessanten Lesestoff zurückgreifen - was keineswegs heißt, dass ich nicht zuschnappe, wenn mir etwas Interessantes unter die Augen kommt!"
Gezielt Ausschau hält er nach antiquarischen Titeln heute nicht mehr so häufig wie früher, als er noch über Flohmärkte ging. Das geschieht dann mittlerweile doch eher online. Vor allem nach alten Krimis sucht er aber derzeit. Von Autoren wie John Dickson Carr oder Patrick Quentin fehlen ihm frühe, hierzulande nie wieder aufgelegte Ausgaben. Als Sammler ist er aber - wie er selbst von sich sagt - seit jeher ein geduldiger Fatalist: "Ich kann warten, und sollte ich nicht fündig werden, wird mir das nicht den Nachtschlaf rauben …".
Schon in seiner Familie wurde viel gelesen. Auf die Frage, an welches frühe Buch aus seiner Kindheit er sich noch erinnern kann, verwundert die Antwort kaum: „Robbi, Tobbi und das Fliewatüüt“, 1967 von Boy Lornsen veröffentlicht. "Nicht sehr viel später habe ich es gelesen; dabei wurde wohl der Grundstein für meine Liebe zur Science Fiction gelegt …"
Was das Horror-Genre angeht, dauerte es doch ein wenig länger. Hier erinnert sich Dr. Drewniok gern an diverse Storybände, die Lothar Sauer in den 1970er Jahren für den Herder-Verlag zusammengestellt hat („Die Hexen-Esche“, „Die Satansschüler“, „Die Geisterkogge“). So lernte er Autoren kennen, die er noch heute schätzt.
Alles andere als „phantastisch“
Beruflich dreht sich bei Dr. Drewniok alles eher weniger um Science Fiction und Horror. Im ‚richtigen Leben‘ ist er Historiker. Er schreibt über Geschichtsträchtiges. In zahrleichen Publikationen findet man seine Werke - nur sind sie eben alles andere als „phantastisch“. Auch umfangreiche Chroniken für Institutionen und Unternehmen gehören zu seinem Repertoire. Bei all dieser Schreiberfahrug wollen wir natürlich wissen, ob er schonmal darüber nachgedacht hat, selber einen Roman zu schreiben. "Romane oder Kurzgeschichten möchte bzw. kann ich nicht schreiben. Vermutlich weiß ich zu viel über die Arten & Weisen, wie Unterhaltung produziert wird. Das hindert mich daran, selbst aktiv zu werden. Ich kann jedenfalls Gold und Bockmist erkennen, unterscheiden und dies begründen. Das ergibt unterm Strich einen brauchbaren Rezensenten."
Und nach so vielen Jahren Redaktionstätigkeit sind natürlich bereits unglaublich viele Rezensionen von Dr. Drewniok auf Phantastik-Couch.de und Krimi-Couch.de zu finden. Und seine ganze Erfahrung bringt er dann auch in die Video-Serie "Dr. Drewnioks phantastische Schattenseiten" ein.
"Mein Glück ist, dass ich mich selbst nach vielen Jahren erstaunlich gut an Gelesenes erinnere."
Erst kurz vor einer anstehenden Aufzeichnung macht sich Dr. Drewniok konkrete Gedanken über die Titelauswahl, geht im Geiste eine erste Liste möglicher Titel für die Sendung durch. Die Auswahl hängt auch davon ab, ob er die Bücher schnell auffinden kann. Stehen sie zum Beispiel vorn in einer der oft mehrfach gestaffelten Buchreihen, ist das also durchaus ein Auswahlkriterium. "Außerdem horte ich eine Menge Hintergrundwissen in meinem Hirn, weshalb mir eigentlich immer etwas einfällt, das (hoffentlich) erzählenswert ist." Wenn es sie schon gibt, liest Dr. Drewniok auch seine eigenen Rezensionen. So ist ihm bis jetzt immer eine äußerst gelungene Mischung interessanter Titel geglückt, wie wir meinen. Und bei dem Fundus in seinem Haus sollte für viele weitere Folgen ausdreichend Material verfügbar sein.
Natürlich möchten wir zum Schluss noch wissen, welche drei Bücher er nennen würde, die ihm besonders am Herzen liegen und warum. "Das wechselt im Laufe der Jahre." antwortet er sofort, nennt aber noch Phantastik-Titel, die derzeit ganz sicher zu seinen ‚Lieblingen‘ gehören:
William Hope Hodgson: Stimme in der Nacht (Suhrkamp) - Sammelband; klassischer Horror mit ‚biologischen‘ Schrecken; entstanden kurz vor und nach 1900, aber unglaublich dicht und spannend. Montague Rhodes James: Sämtliche Geistergeschichten (Suhrkamp u. Festa) - DER Meister des klassischen englischen Grusels; Spannung, Stimmung, keinerlei Sentimentalitäten. Alle Jahre wieder lese ich diese Storys! Arthur C. Clarke: Rendezvous mit Rama (Bastei-Lübbe u. Heyne) - Was moderne SF-Autoren in x-bändigen Serien à tausend Seiten auslutschen, packt Clarke in einen Roman, der gerade 300 Seiten zählt. Es gibt keine kapitellangen Abschweifungen, überflüssige love-storys, kein selbstzweckhaftes Schwelgen in Supertechnik, sondern eine klare, auf den Punkt gebrachte Geschichte.
Am Ende des Tages verlassen wir beeindruckt die Bücherminen von Dr. Drewniok und lassen uns noch ein wenig durch die Innenstadt von Paderborn führen. Das ist für den Historiker ebenso Routine. Denn auch Stadtführungen übernimmt er für den Verkehrsverein Paderborn e.V. regelmäßig. So weiß Dr. Drewniok an jeder Ecke Wissenswertes zu berichten.
Unsere phantastische Zeitreise durch 11.000 Bücher und durch das ostwestfälische Paderborn endet dann schließlich am Abend bei rustikalen Speisen. Toll war´s und wir freuen uns natürlich schon auf neue Folgen von "Dr. Drewnioks phantastische Schattenseiten". Und die - da sind wir nun ganz beruhigt - kommen ganz bestimmt...
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