Geschichten unter dem Weltenbaum
- Torsten Low
- Erschienen: Januar 2010
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Themenanthologie mit vielversprechenden Vorgabe - durchwachsen umgesetzt
"Sicherlich gab es in ganz Europa keinen größeren Baum. Obwohl, wenn er es recht bedachte: Es gab sicherlich genügend Leute, die dieses Prachtexemplar von einem Baum sehen wollten. Vielleicht sollte er Führungen veranstalten. In Amerika machten Sie das doch mit den Mammutbäumen auch. "
(Bettina Ferbus – Mimirs Haupt)
In vielen Kulturen fungiert ein Baum, der sowohl die Weltachse bildet, als auch die verschiedenen Ebenen der Welt – von der Unterwelt bis zum erhabenen Sitz der Götter – verbindet als Symbol kosmischer Ordnung. Das bekannteste Beispiel in unseren Breiten dürfte die Weltenesche Yggdrasil der nordeuropäischen Mythologie sein. Zahlreiche Wesen tummeln sich entlang seiner Wurzeln, seines Stammes und seiner Krone. Entsprechend vielgestaltig sind die Geschichten in Lothar Mischkes GESCHICHTEN UNTER DEM WELTENBAUM um eben diesen herum angesiedelt sind.
Die Wurzel
Johannes Harstick - Die silberne Rose
Ohne zu wissen, wie er hierhergekommen ist, findet sich Talin an einem fremden Ort wieder. Angeleitet von einer körperlosen Stimme, die ihn lockt.
Kira Licht – Schabernack
Der Troll Trenon begegnet auf seiner Wanderung der Dunkelelfe Linn. Nachdem sie ihre Späße mit dem tumben Gesellen getrieben hat, erzählen sich beide ihre Geschichte.
Tilmann Wederich – Orúthirs Pfad
Auf der Suche nach einem unermesslichen Schatz machen sich die beiden Schwarzalben Gundragar und der weit ältere Orúthir auf den weiten Weg an die Erdoberfläche. Doch Orúthir verfolgt einen eigenen Plan, der sich erfüllt, als sie die riesige Höhle unter dem Weltenbaum erreichen.
Wassilos Dimtsos – Der Herr der Verzweiflung
Die Zeit des Herrschers der Nachtalben ist bald abgelaufen. Alle, die sich Hoffnungen auf seine Nachfolge machen, haben sich am Herrschersitz eingefunden und nicht wenige schalten ihre Konkurrenten bereits im Vorfeld aus. Auch Daeloth und sein zweitgeborener Zwillingsbruder Maeloth, der stets unter den Schikanen des Stärkeren zu leiden hatte, haben sich hier eingefunden.
Vanessa Kaiser & Thomas Lohwasser – Das Herz des Jägers
Die Legende besagt, dass derjenige der Schwarzlohen, dem es gelingt, den mächtigen Thullariten zu erlegen und sein Herz zu essen, Unsterblichkeit erlangt. Grund genug für Máodon, sich auf die gefahrvolle Reise zum Fluss Tullion zu machen, die auch sein Vater schon angetreten ist, der jedoch nie zurück kehrte. Schließlich steht Máodon der Bestie Auge in Auge gegenüber.
Mark Stefan Tänzer – Die Wurzel allen Übels
Hilflos und inzwischen halbtot an einen Baum gekettet, sinniert der (ehemalige) Tyrann von Nabusabel, Abahal Tarzam, über seine Taten nach. Da kommt der naive Jülländer Jörge Lütwacker des Wegs, der Rettung verspricht und möglicherweise sogar wieder Rückkehr zu alter, gefürchteter Größe.
Bettina Ferbus – Mimirs Haupt
Obwohl Holger schon öfter in der Gegend war, hat er den mächtigen Baum nie zuvor bemerkt. Durch den Spalt im Stamm passt glatt ein erwachsener Mann. Doch schon treten Holgers Füße ins Leere, er fällt und findet sich am Rande eines Sees wieder, Auge in Auge mit einem körperlosen Kopf.
Christiane Gref - Das Elixier des Lebens
Um endlich Ishmar, den Sie nur aus ihren Träumen kennt, zu treffen, nimmt Faena die schmerzhafte Verbannung aus dem Reich der Yinai in Kauf. Als Gezeichnete und Geächtete macht sie sich auf den Weg. Schließlich steht sie ihrem Geliebten gegenüber, der jedoch einen eigenen Plan verfolgt.
Der Stamm
Ruth M. Fuchs – Ein Tropfen Weisheit
Tagaus Tagein ist der Eichkater Ratatöskr als Bote auf dem Weg entlang des Stamms des Weltenbaums vom Adler Hräsvelgr, der in der Baumkrone thront, zum Drachen Nidhöggr, der nahe der Wurzeln liegt. Ratatöskr trägt die Verwünschungen des einen zum anderen und dessen Beschimpfungen wieder zurück zum ersten. Als der Eichkater "versehentlich" von der nahem Quelle der Weisheit trinkt, brennt es plötzlich darauf, dem Streit der beiden auf den Grund zu gehen und zu beenden. Wenn nötig mit einer List.
Marlies Aurig – Marimba
Die Tochter von König Thomas ist so abgrundtief hässlich, dass sie noch nicht einmal einen Namen hat. Erst ihr wundervolles Harfenspiel beschert ihr den Namen Marimba – Göttin der Musik. Eine ihrer ausgedehnten einsamen Wanderungen führt Marimba zum Baum der Fantasie, in dessen Innerem der schöne Jüngling Odu verflucht und gefangen ist. Im Gegenzug für seine Befreiung vermag er es, Marimba ihr wahres Gesicht zu geben, das ihrem reinen Wesen entspricht.
Miriam Kraft – Schwalbensommer
Eines Tages findet ein Druidenschüler die junge Sanja auf dem Boden liegend und in den Himmel starrend. Man erzählt sich, dass sie die Tochter eines Zauberers ist und plötzlich da war. Doch in Wahrheit ist Sanja eine Schwalbe, die aus dem Nest gefallen ist und verzaubert wurde. Nur die Schwalben selbst, können den Zauber lösen, doch Sanja und der Druidenschüler müssen sie erreichen, bevor die Vögel fort ziehen.
Natalie Gnann – Heldengarten
Angespornt von den Erzählungen seines Großvaters träumt der kleine Erdling Grundel davon, ein großer Held zu sein. So beschließt er sich auf den Weg zu machen und das Abenteuer zu suchen. Bald schon erhält er die Gelegenheit dazu, doch Grundels Heldsein gestaltet sich anders als er erwartet hat.
Thomas Matterne – Der Mieseste Job der Welt
Was war das nur für ein langweiliger Job? Was hatte Horst sich dabei gedacht, als er von einem vollbärtigen Zwerg eingestellt wurde, 8h am Tag, 5 Tage die Woche ununterbrochen einen riesigen und offenbar uralten Baum in einem Hinterhof anstarren zu müssen?
Mark Stefan Tänzer – Von toten und lebenden Helden
Ulfgar hat Heimweh nach der Welt der Menschen. Einige hundert Jahre in Asgard mit den immer gleichen Gelagen und Vergnügungen werden auf Dauer eintönig. So beschließt er, einfach am Weltenbaum Yggdrasil hinab zu klettern. Unten muss Ulfgar erkennen, dass sich die Welt während seiner Zeit in Asgard verändert hat.
Karl Plepelits – Unaussprechliche Freuden
Alexanders Freunde und Verwandte staunen nicht schlecht, als der Tote sich auf seiner eigenen Beerdigung aus dem Sarg erhebt und ihm von den Ärzten vorbildliche Gesundheit attestiert wird. Seinem Freund berichtet er von seinen Erlebnissen während er tot war.
Moira Frank – Des Himmels Chronisten
Die Brüder Amit und Aedan wurde ausgewählt, den größten aller Mythen niederzuschreiben, den Mythos des Weltenbaums. Doch der Seher, der ihnen dabei zur Seite stehen soll, treibt ein doppeltes Spiel.
Heike Pauckner – Dunkle Asche
Königssohn Jondar wird Nacht für Nacht von Albträumen gequält, die ihn nun auch in die Realität verfolgen. Als er erfährt, dass auch seine Schwester unter schlechten Träumen leidet, wird bald die Vermutung bestätigt, dass ihr beider Vater etwas damit zu tun haben könnte.
Franziska Kopka – Das Wintermädchen
Für den Elf Ian bricht eine Welt zusammen, als er vernimmt, dass seine Fiera das Wintermädchen für die nächsten hundert Jahre sein soll, das durch den Weltenbaum zu den Göttern reist. Nie zuvor wurde eine Gebundenen auserwählt und Ian ist nicht bereit, seine Geliebte kampflos aufzugeben.
Ragnarök
Astrid Rauner – Wiedergänger
Das ganze Dorf ist in Aufruhr, als der von einem Wolf getötet Borol wieder aus seinem Grab steigt. Eine Gruppe Männer macht sich an die Verfolgung des Wiedergängers, doch sie müssen erkennen, dass dies nur der Vorbote eines weit größeren Ereignisses ist.
"Immer wenn Großvater nach einer solchen Erzählung seine Pfeife stopfte, wurde Grundel klar, dass die Welt nicht nur durch den mächtigen Weltenbaum, sondern auch durch viele kleine und größere Helden zusammengehalten wurde."
(Natalie Gnann – Heldengarten)
Entsprechend der drei Ebenen des Weltenbaums ist die Sammlung GESCHICHTEN UNTER DEM WELTENBAUM in drei Abschnitte aufgeteilt, wobei Wurzel und Stamm scheinbar deutlich inspirativer sind als die Krone, von der nur eine Geschichte handelt.
Der düstere unterirdische Wurzelbereich des Weltenbaums ist geprägt vom Leben und Wirken lichtscheuer Kreaturen: Trolle, Schwarzalben und Zwerge. Hier befindet sich die Quelle Hvergelmir, wo der Drache Nidhöggr liegt und das Totenreich. Die Geschichten, die der Wurzelbereich auf sich versammeln kann, erzählen dementsprechend von Kämpfen, Intrigen, und doppeltem Spiel.
Im oberirdischen Stammbereich tummeln sich Druiden, Erdlinge, Elfen und das Eichhörnchen Ratatöskr, das stets den Stamm entlang klettert und dabei üble Nachrede verbreitet. Aber auch gefallenen Helden, die ihres Daseins in Walhalla überdrüssig sind. Einige Äste streckt der Weltenbaum dabei auch in die wirkliche Welt, wo schließlich Menschen vom Wirken des Weltenbaums beeinflusst werden.
Deutlich düsterer geht es in der Abschlussgeschichte zu, die die Vorboten des Schicksals der nordischen Götter zum Thema hat.
Der Kleinverlag Torsten Low hatte bereits mit der Anthologie METAMORPHOSEN – AUF DEN SPUREN H. P. LOVECRAFTS auf sich aufmerksam gemacht und bald darauf die vorliegende Fantasy-Anthologie GESCHICHTEN UNTER DEM WELTENBAUM nachgeschoben. Positiv anzumerken ist, dass es sich um eine Themenanthologie mit einer durchaus vielversprechenden Vorgabe handelt. Die Umsetzungen sind dagegen recht durchwachsen ausgefallen. Fast durchweg beweisen die Geschichten, dass es in der Kurzform nicht möglich ist, eine adäquate Grundlage für eine Fantasygeschichte aufzubauen. Auch dient der Weltenbaum in nicht wenigen Beiträgen als bloße Kulisse, was den unschönen Eindruck vermittelt, dass die jeweiligen AutorInnen den Weltenbaum nachträglich in ihre vorhandenen Geschichten eingeflickt haben. Umso überzeugender sind diejenigen Beiträge, die sich entweder gebührend mit dem Baum und der dazugehörigen Mythologie beschäftigen (z.B. Ruth M. Fuchs EIN TROPFEN WEISHEIT) oder die sich von dem Anspruch lösen, große Fantasy erzählen zu wollen und die Sache auch mal humorig angehen (z.B. Thomas Matternes DER MIESESTE JOB DER WELT).
Alles in Allem sind die Geschichten unter dem Weltenbaum trotz einiger Highlights – vor allem die humorigen Bearbeitungen des Themas - einfach zu nichtssagend um durchweg zu überzeugen.
Elmar Huber im September 2013
Diverse Fantasy, Torsten Low
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