Ein Geisterhaus und zwei Pärchen die nach Abenteuern suchen – eine ungesunde Kombination
Es hätte ein Sommer wie jeder andere werden können, in einem abgelegenen Kaff. Daniel ist hier aufgewachsen. Mittlerweile hat er die Schule hinter sich gebracht, doch statt zu studieren jobbt er lieber im örtlichen Holzwerk, verkauft Bretter und betrinkt sich abends mit seinen Kumpeln in der Kneipe.
Doch dann kommt ungewohnte Prominenz in den Ort. Stephen, Kimberly und Casey sind mit ihren Eltern aus Boston nach Dead River gekommen, um hier ihre Sommerferien zu verbringen. Statt Malibu, Miami oder L.A. also ein Kaff, in dem sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen - da muss man dann schon selbst dafür sorgen, dass es nicht gar zu langweilig wird.
Schon beim ersten Aufeinandertreffen zwischen Daniel und Casey funkt es -vielleicht auch gerade weil sie aus so unterschiedlichen Welten kommen. Zusammen mit dem anderen Pärchen klauen sie im Supermarkt Delikatessen, baden nackt und frei in einer einsamen Bucht und lieben das Leben.
Bis es Casey zu wenig ist, Sex an öffentlichen Orten zu haben, oder den kurzen Nervenkitzel, wenn sie mit dem geklauten Kaviar aus der Tür laufen. Etwas mit mehr Pepp, mit dem Nimbus der Gefahr muss her - da kommt ein altes Spukhaus auf den Klippen ganz recht.
Vor Jahren lebte hier ein geistig zurückgebliebenes Geschwisterpaar, das Hunde züchtete. Nachdem sie ihre Hypothek nicht mehr bezahlen konnten, verschwanden sie spurlos. Sind sie einfach abgehauen, oder haben sie sich in den Höhlen unterhalb des Hauses versteckt? Hier spielen unsere Vier mitten in der Nacht verstecken, doch aus Spiel wird nur zu schnell Ernst, blutiger, tödlicher Ernst ...
Ein leiser, stimmungsvoller Auftakt, der dann in ein dramatisches Finale mündet
Jack Ketchum legt mit "Versteckt" einen Roman vor, der zunächst ganz in der Realität fußt. Unschwer erkennen wir typische Szenen eines Sommers in den 80er Jahren wieder. Die Protagonisten sind jung, ungestüm, haben aber auch ihr Päckchen zu tragen. Nach und nach eröffnet der Autor uns ihre zum Teil dramatische Geschichte, bettet diese aber in eine Sommerliebe ein.
Fast drei Viertel des Romans vergehen, ohne dass etwas Furchterregendes passiert. Stattdessen lullt Ketchum uns mit den Beschreibungen der Palastrevolution der Kinder reicher Eltern fast ein wenig ein. Man klaut einmal eine Nobelkarosse, stellt sie dann aber ordentlich geparkt auch wieder ab, räumt die Supermarktkette leer und - in den verklemmten USA besonders verpönt - badet nackt am Strand, die freie Liebe feiert fröhliche Auferstehung.
In dieses Bild mischt sich dann ein dramatisches Finale. Lange vorbereitet, die erste Erwähnung des Spukhauses findet sich schon zu Beginn des Romans, rüttelt unser Quartett zunächst wieder an Regeln. Man bricht in das abgeschlossene Haus ein, der Dramatik willen natürlich nächtens, und entscheidet sich dann, dort im Dunkeln Verstecken zu spielen. Jeder Leser kann sich hier ausrechnen, dass das Unglück diese Chance nicht auslassen wird, um zuzuschlagen.
Interessant ist nun, wie der Autor hier vorgeht. Ohne zu viel verraten zu wollen, erwartet den Rezipienten kein übernatürliches Übel das über unsere jungen Menschen herfällt, dennoch gelingt es Ketchum seinen Leser zu erschrecken.
Zum Angst einflößenden Dunkel gesellt sich eine von außen kommende Gefahr, der Handlungsort verlagert sich in die Kavernen unter dem Haus. Geschickt spielt Ketchum hier mit der Erwartungshaltung seiner Leser, baut auf den bekannten Aufzügen entsprechender Filme und Bücher auf, überrascht dann aber mit einer so nicht vorhersehbarer Auflösung der Situation.
Wie nicht anders zu erwarten, geht diese nicht ohne Opfer ab, diese Nacht hinterlässt aber auch deutlichen Spuren im Leben derer die überleben.
Jack Ketchum hat einmal mehr einen Roman vorgelegt, der ganz im Alltäglichen startet, uns interessant gezeichnete Personen vorstellt, bevor er dann in seiner Schlussphase kippt und uns mit seiner nägelkauenden Spannung Angst macht.
Carsten Kuhr, Mai 2013
Jack Ketchum, Heyne
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