Eine Variation zur Seelenwanderung ohne sonderliche Überraschungen
Was, wenn man seine Seele in den Körper eines anderen Menschen verpflanzen könnte? Alle Erfahrungen und Erinnerung mitnehmen und irgendwie von vorne anfangen? Selbst wenn hierzu ein ungeheurer Preis zu zahlen ist? Der Traum des ewigen Lebens scheint damit nahe gerückt. Und mal ehrlich, was auf der Welt ist schon umsonst? Martin Stefan Burkhardt hat sich des hochbetagten Themas der Menschheit angenommen und es mit "Seelentausch" in ein neues Gewand zu kleiden versucht. Der Mix aus Kriegserinnerungen aus einem Blickwinkel, welchem im Geschichtsunterricht eher eine unbeachtete Nebenrolle zuteilwurde, einer Handlung im modernen 20. Jahrhundert, gepaart mit einer archaisch anmutenden Kreatur, die Seelen verspeist. Durchaus apart, will man meinen.
Auf der Suche nach der Glaubwürdigkeit
Recht schnell freundet sich Peter mit der Überzeugung an, dass seine Visionen keine Hirngespinste oder Ausdruck eines Gehirntumors oder ähnliches, sondern echt Erinnerungen sind. Und das der unheimliche Hauptmann, der ihm erscheint, irgendwie in diese Sache verwickelt ist. Mit der Unterstützung seiner Freundin Maren, die sich nach anfänglichem Zögern ebenfalls dieser Tatsache bewusst wird, deckt er nach und nach die lang gehüteten Geheimnisse seiner Familie auf. Beginnend mit dem Verschwinden seines Großvaters vor einigen Jahren bis hin zu seiner eigenen Entführung als Säugling. Das, was Peter bislang als harmonisches Familienleben erlebte, wandelt sich immer mehr zu einem persönlichen Alptraum. In welchem Karl Gustav Lackner, ein Freund der Familie und ein alter Kamerad seines Großvaters, offensichtlich eine nicht unbeträchtliche Rolle spielt. Sowie eine grausige Begebenheit in den Wäldern Finnlands des 2. Weltkriegs.
Feinfühliger Grusel oder doch eher Splatter?
Gerade beim geschriebenen Horrorstoff steht am Anfang die Entscheidung an, in welche Richtung die Handlung gehen soll. Eher unter die Gänsehaut a la Stephen King mit andauernder Bedrohung? Oder lieber mit knallharter Angst punkten? Denn ist der Weg erst einmal aus den Augen verloren, schwindet auch die erwünschte Wirkung dahin. Lässt man die Visionsanfälle Peters außen vor, bleibt der Seelenfresser überaus passiv, er tritt erst im letzten Drittel bzw. im Finale so richtig zu Tage. Echte Gänsehaut aufgrund der ausbleibenden Bedrohung eher Fehlanzeige.
In "Seelentausch" wird man als Leser zu Beginn an ohne jeglichen Zweifel darüber informiert, dass eine anscheinend übersinnliche, durchweg böse Kreatur nur eines im Sinn hat: Nämlich Seelen fressen. Und aus ihrem Gefängnis entkommen. Oft genug wird man daran erinnert. Nervenkitzel löst das nicht unbedingt aus. Im Gegenteil. Zu oft gesehen, zu oft gehört oder gelesen. Die Spannung bleibt für den Phantastik-gewöhnten Leser durch diesen Kniff ziemlich auf der Strecke.
Viel mehr überrascht die Tatsache, dass die beiden Protagonisten recht zügig akzeptieren, dass hier eine übersinnliche und eigentlich beängstigende Erfahrung ansteht. Bedenkt man dann die niederträchtige, wirkliche bösartige Absicht der beiden Antagonisten, die ebenfalls nur bedingt glaubhaft im Sinne ihrer Motivation handeln, wirkt das Handlungskonstrukt etwas dünn. Überzeugungskraft sieht anders aus.
Durch die interessante Hintergrundstory und der bildhaft überzeugenden Beschreibungen wird dieses Manko streckenweise recht ordentlich wettgemacht. Die Geschichte schreitet zudem durchaus sinnvoll voran und ist in einem soliden Schreibstil verpackt. Mitunter mag der sanfte Grusel, im Rahmen aller Überlegungen der Folgen eines Seelentauschs, insbesondere der einer zwanghaften Natur folgend, auf der psychologischen Ebene durchaus packen. Allerdings zum persönlichen Bedauern nicht anhaltend.
Insbesondere an den Handlungspunkten, wo der sanfte Grusel durch handfeste Erinnerungsszenen (und umgekehrt) plötzlich abgelöst wird, sackt der erhoffte Nervenkitzel rapide ab. Im Grunde schließt das eine das andere ja nicht aus, im Gegenteil, ein Tempowechsel kann unheimlich belebend sein. Allerdings sollte dann ein Spannungsbogen mit unerschütterlichem Rückgrat gegeben sein, mit dem solche Sprünge aufgefangen werden. Das wirkt in Seelentausch leider nicht besonders gelungen.
Fazit
Ein mitunter solide geschriebener und lesbarer Roman, dessen Charaktere nur teilweise überzeugen können. Auch wenn Seelentausch nicht unbedingt mit Originalität aufwartet, gibt es ein paar hübsche Details zu entdecken.
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