Fantastik AG. Ein Epos aus fernen Ländern
- Piper
- Erschienen: Januar 2012
- 0
Humorvolle Fantasy aus Deutschland
Humorvolle Fantasy verbindet man ganz automatisch mit dem Namen des englischen Schriftstellers Terry Pratchett, der mit seinen einzigartigen Scheibenwelt-Romanen diese literarische Sparte aus gutem Grund beherrscht. Wenn man in Deutschland nach erfolgreicher humoresker Fantasy sucht, findet man allenfalls Walter Moers, der mit seinen "Zamonien"-Büchern einen kleinen Teil dieser Nische erobern konnte. Letztes Jahr gelang es Jan Oldenburg, einem vielseitigen Künstler und Schreiber, seinen Debut-Roman "Fantastik AG" beim Piper Verlag zu veröffentlichen. Auf der diesjährigen Leipziger Buchmesse gewann der Titel den Phantastikpreis ´Seraph´ in der Kategorie ´Bestes Debut´, gemeinsam mit "Stadt aus Trug und Schatten" von Mechthild Gläser. Wenn das kein Grund ist, sich "Fantastik AG" einmal näher anzusehen...
Aus dem Hörsaal in eine bizarre Fantasywelt
Die Expedition des arbeitslosen Phantastik-Professors Welk und seines Ex-Studenten Theodor mit demselben Nachnamen (nicht verwandt und nicht verschwägert) wäre fast am Hungertod der Teilnehmer gescheitert, wenn nicht eine Lichtelfe erschienen wäre. So gelangen die beiden doch noch aus dem verwaisten und verriegelten Hörsaal 43a in die Fernen Länder, um mit Hilfe der Verschollenen Chroniken in Gestalt eines Trolls (Theodor) und eines Gnomenzauberers (Professor Welk) die Phantastische Welt zu erforschen. Doch schon der Kampf gegen den Drachen zeigt, dass diese Welt erheblich von der in den Chroniken beschriebenen abweicht. Auch den ´Unbesiegbaren Helden´ Erakles und Homur, den ´Vormals wirklich sehr großen Riesen´, hatten sie sich irgendwie anders vorgestellt. Eine aberwitzige Queste grotesk beginnt und führt Held, Mini-Riese, Student und Professor nach Neu-Sternheim. Dort sorgt die Koboldpolizei dafür, dass jeder Angestellte der allgegenwärtigen Fantastik AG sein zugewiesenes Tagewerk nach dem Motto "Zeit ist Fantastikdollar" verrichtet. In seiner Freizeit glotzt der Arbeiter ein Verstand degenerierendes Programm im Wunderspiegel, während er ausschließlich Produkte der "Fantastik AG" und ihrer Tochterfirmen konsumiert. Hinter all dem steckt ein hinterhältiger Plan, der nicht nur die Existenz der ´Fernen Länder´ bedroht. Doch es regt sich Widerstand unter Elfen, Trollen und Kobolden...
Fantasy-Satire mit sehr eigenem Humor
Humoreske Fantasy hat es, wie schon angemerkt, ziemlich schwer. Und eines sollte derjenige, der sich dennoch an dem Subgenre versucht, ganz sicher nicht tun; den Stil eines Pratchett oder auch Moers kopieren. Derlei hat Jan Oldenburg nicht nötig, denn er schreibt mit ganz eigenem trockenen Humor und zelebriert Fantasy- und Uni-Klischees auf seine spezielle Weise. Aus dem Spiel mit diesen Klischees formt der Autor eine einfache, aber äußerst amüsante Geschichte, getragen von vielen skurril und liebevoll überzeichneten Figuren, die immer wieder für Lacher gut sind.
Zunächst haben wir es mit der üblichen Queste zu tun, die Professor und Student vom Hörsaal zum Gebirge der Fernen Länder, anschließend zum Verlorenen Tempel und schließlich nach Neu-Sternheim führt. Außer der Ahnung, dass etwas ganz und gar nicht stimmt, bekommt der Leser anfangs recht wenig von der Geschichte erzählt. Dafür wird er allerdings mit Rollenspiel-Satire vom Feinsten unterhalten, das Würfel- und Strategiespiel ´Grschoutou´ beschäftigt Zyklopen und den völlig ahnungslosen Studenten einige Seiten lang. Wer weiß, ob nicht längst ein Regelwerk und das nötige Material in den einschlägigen Shops und auf Cons zu erwerben sind.
Außer Zyklopische Würfelspiele lernen wir auch die Protagonisten näher kennen. Vor allem die Gespräche des stetig dozierenden und "Faszinierend" kommentierenden Professors mit seinem Prüfungsstress geplagten Studenten belustigen immer wieder aufs Neue durch typischen Uni-Wortwitz.
"Ich könnte Ihnen dafür einen Leistungsnachweis für das Modul FIII, Monstrositäten der Fernen Länder, ausstellen. Sagen wir....zwei minus."
"Zwei minus? Ich wäre fast dabei drauf gegangen!" [S. 117]
Der Held Erakles kommt dagegen anfangs noch ein wenig einsilbig herüber,
"Mnnnnn nnn mnmn mmmnnn nnnmm" sagte Erakles, nur um auch etwas beizutragen.
[S. 105]
wird aber im weiteren Verlauf der Geschichte sowohl in komödiantischer, als auch in charakterlicher Hinsicht deutliches Entwicklungspotential zeigen.
Die Handlung nimmt so richtig an Fahrt auf, als unsere kleinen und großen Helden in Neu-Sternheim ankommen. Hier tun sich dem Autor ganz neue Möglichkeiten auf, satirische Spitzen und spaßige Situationskomik zu inszenieren. Das fängt bei der steifnackigen Koboldpolizei an und hört bei obrigkeitshörigen Elfen mit verschnittenen Ohren, magiebegabten Trollen und Magiern mit Managerqualitäten noch lange nicht auf. Der Clou, den sich Jan Oldenburg als Hintergrund der Geschichte ausgedacht hat, ist zwar nicht ganz neu, der Autor macht aber ein unterhaltsames Spektakel daraus. Vor allem das Finale sprüht nur so vor wahnwitzigen Ideen, Slapstickeinlagen, skurrilen Szenenwechseln und pfiffigen Dialogen. In dem Wirrwarr am Ende geht ein wenig die Storyline baden und manche Anlehnung an ein berühmtes deutsches Fantasy-Werk versteht man erst nach mehrfachem Lesen. Jan Oldenburg gelingt es, die Handlung einerseits abzuschließen, und sich doch ein Hintertürchen für eine Fortsetzung offen zu lassen. Ein schräges Ende - passend zum phantastisch-fröhlichen Rest der Fantastik AG.
(Eva Bergschneider, März 2013)
Jan Oldenburg, Piper
Deine Meinung zu »Fantastik AG. Ein Epos aus fernen Ländern«
Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!