Vilm. Das Dickicht
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- Erschienen: Januar 2013
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Urlaub auf der Regenwelt
Mit ´Vilm. Das Dickicht.´ kehrt Karsten Kruschel zurück auf seine faszinierende Regenwelt, und es ist sinnvoll, die beiden anderen Bände - Der Regenplanet und Die Eingeborenen - zuvor gelesen zu haben. Unter der Voraussetzung fühlt man sich sofort wieder zu Hause im Nest der Regendrachen, wie die Eingeborenen das gewaltige Ökosystem manchmal nennen, das vom tiefsten Felsgestein bis in die höchsten Wolkengebirge reicht und den ganzen Äquator umspannt. Die Bewohner Vilms haben sich perfekt angepasst an ihre exotische Umgebung. Ein Vilmer besteht aus zwei Körpern - einem zweibeinigen Menschen und einem sechsbeinigen felligen Eingesicht - deren Gehirne zu einer Persönlichkeit verschmolzen sind Angehörige anderer Welten erscheinen ihnen als verkrüppelt und unfähig ihren Planeten zu verstehen.
"Sonate für Abfluss, Klempner und Himmelhund"
Während der Vilmer Than zwischen Auffangbecken, Trichtern und Rohrnetzen seiner Arbeit als Klempner nachgeht, unternimmt seine Schwester Brink einen unerlaubten Ausflug zur anderen Seite des Planeten. Die südliche Hälfte des Supergestrolchs ist eine gefährliche Tabuzone, die niemand betreten darf. Leider endet der Ausflug in einem Desaster, wie Than über den Signalgeber erfährt, als eine weinende Brink von Ungeheuern und einem aussichtslosen Kampf berichtet. Than ist erleichtert, dass Will, der Administrator des Regenplaneten, sich um alles weitere kümmert, während dessen Begleiter, der Goldene Pak-46-erg, Vermutungen anstellt, wer hinter der Geschichte steckt. Denn irgendjemand hat Brink dazu angestiftet und ihr den Signalgeber und das Fahrzeug gegeben.
Vilm ist eine Welt, die nicht mit den normalen Maßstäben der anderen Welten gemessen werden kann, die aber dank ihrer Fülle an unbekannten Substanzen und unerforschten Lebewesen Begehrlichkeiten erweckt. Alle möglichen Institutionen, kirchliche und weltliche, mafiaähnliche oder kapitalistische Organisationen strecken ihre gierigen Hände nach dieser großartigen Welt aus, um dem bestens funktionierenden Ökosystem sein Geheimnis zu entreißen und es gnadenlos auszubeuten.
Das Anliegen des Päpstinnenkollektivs und der Luciferanten
Der Administrator Will versteht nicht, wieso plötzlich so viele Fremde Interesse an Vilm zeigen. Sowohl der Nuntius der Päpste wie auch deren Gegner, die Luciferanten, wollen Expeditionen ins äquatoriale Gestrolch durchführen. Der Zentralier Sergio Thanassatrides möchte im Gestrolch eine seiner Hypothesen überprüfen und zwei weitere Touristen sammeln im gigantischen Labyrinth des Dickichts eine Vielzahl von Gewächsen. Wie die Vilmer mit diesen Eingriffen umgehen und wie das Supergestrolch auf Angriffe reagiert, vermittelt der Autor mit einer ungewöhnlichen Erzählform. Er fügt verschiedene Episoden, die teilweise wie eigenständige Kurzgeschichten wirken, zusammen und lässt immer wieder wechselnde Handlungsträger zu Wort kommen.
Kein Paradies
Obwohl die Welt mit ihrem ewig wolkenverhangenen Himmel, den unaufhörlichen Regenschauern und der teils doppelköpfigen, gefräßigen Tierwelt nicht unbedingt der Vorstellung eines paradiesischen Planeten entspricht, fühlt sich dieses hochkomplexe Biotop so harmonisch an, dass man die Einwohner beneidet. Obwohl keiner der Vilmer typisches Heldenmaterial abgibt, ist man als Leser sofort auf der Seite der Eingeboren und es ist einfach nur köstlich, wie despektierlich Will den Abgesandten der Päpste behandelt.
Zum Abschluss gibt es als Bonus noch eine Kurzgeschichte "Vom Ursprung der Regendrachen", die in der Anfangszeit kurz nach dem Absturz des Siedlerraumschiffes spielt. Der Faszination dieser chaotischen, geheimnisvollen Welt kann man sich kaum entziehen, und es zeugt von hohem schriftstellerischem Talent, den Leser mit so unkonventionellen Mitteln zu fesseln, dass man am Ende sehnsüchtig darauf hofft, bald wieder in diesen schillernden Ozean eintauchen zu dürfen.
Da der Autor im dritten Band zwar den Spannungsbogen zufriedenstellend abschließt, aber nicht alle Geheimnisse seiner fiktiven Welt preisgibt, bietet Vilm genügend Raum für weitere spannende Geschichten.
Fazit: Intelligente Science-Fiction mit originellen Ideen, fernab von hochgerüstetem Weltraumgeballer, mit einem scharfen Blick für menschliche Schwächen.
(Anja Helmers, März 2013)
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