Das letzte Relikt
- Fischer
- Erschienen: Januar 2012
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Paläontologie, geheimnisvolle Fossile, skurrile Charaktere - hätte spannend(er) werden können
Im italienischen Lago d'Averno wird in einer bisher unter Wasser gelegenen Höhle ein Fossil entdeckt, das Fragen aufwirft: Es hat hominide Merkmale, ist aber viel zu alt dafür, scheint aus den Anfängen der Erde zu stammen. Paläontologe Guiseppe, genannt Joe, Russo bittet seinen us-amerikanischen Freund Carter Cox um Hilfe, da dieser über besseres technisches Equipment verfügt. Der Fund wird nach New York überführt, doch die Untersuchungen scheinen unter keinem guten Stern zu stehen.
Ezra Metzger kehrt aus dem Nahen Osten zurück, den er nur durch die Einmischung seines einflussreichen Vaters wieder verlassen konnte, mit etwas Besonderem im Gepäck: Er hat eine geheimnisvolle Schriftrolle gestohlen, von der er sich die Entdeckung eines der größten Geheimnisse der Menschheit verspricht. Ezras Umwelt nimmt ihn nicht ernst, seine Psychiaterin bescheinigt ihm das Jerusalem-Syndrom, seine Stiefmutter möchte ihn schnellmöglichst wieder aus der Wohnung haben – doch seine Forschungen scheinen ihm Recht zu geben.
Als sich dann in Carter Cox' Labor eine Katastrophe ereignet, werden Ezras Forschungen auf einmal topaktuell.
Paläontologie, geheimnisvolle Fossile, skurrile Charaktere wie Ezra, das klingt interessant und in meinen Augen auch spannend, ich hatte gewisse Vorstellungen, was mich erwartet. Die Einordnung als Mystery-Thriller gibt zudem eine bestimmte Richtung vor, die durchaus viel versprechend sein kann.
Nicht erwartet habe ich, dass der Roman sich so viel Zeit nimmt, die Protagonisten vorzustellen. Da sind vor allem Carter Cox und seine Frau Beth, Carter unterrichtet an der NYU und hat Erfolge in der Feldforschung zu bieten. Seine Frau ist Kunsthistorikerin und arbeitet in einer exklusiven Galerie, beide sind erfolgreich, zum Glück fehlt nur noch ein Kind, doch leider will sich dieser Wunsch nicht erfüllen. Beider Privatleben nimmt, neben dem Ezra Metzgers, viel Raum ein. Leider kann ich nicht mit allen Charakteren gleich gut mitfühlen, einige sind von vorneherein eher unsympathisch angelegt, andere kann mir der Autor nicht richtig nahe bringen, ein Mitzittern ist daher, sehr zu Lasten der Spannung, nicht immer möglich.
Auf den ersten knapp 200 Seiten wird das Fossil zwar gelegentlich erwähnt, spielt aber noch keine wesentliche Rolle. Danach nimmt es zwar einen essentiellen Teil der Handlung ein, das Privatleben der Charaktere bleibt jedoch wesentlich. Erzählt wird aus verschiedenen Perspektiven, vor allem aus Ezras und Carters. Im späteren Verlauf kommt eine Perspektive hinzu, bei der ich mir ausführlicheres Eingehen in den Charakter gewünscht hätte, da dieser nicht nur sehr interessant ist, sondern auch tiefgreifende Erklärungen für das Geschehen hätte bieten können. Auch die Intention dieses Charakters lässt in meinen Augen sehr zu wünschen übrig.
So wird zwar eine Erklärung geboten, die die Ereignisse verständlich macht, die aber eher oberflächlich bleibt und Fragen offen lässt. Ob der Autor nicht genug Phantasie entwickeln konnte, oder ob er so weit wie möglich im realen Rahmen bleiben wollte, kann ich nicht sagen, da der Roman aber sowieso schon ins Phantastische eindringt, hätte man dies deutlicher ausführen können. Dass das Ende relativ offen bleibt und Interpretationsmöglichkeiten offen lässt, gefällt mir dagegen recht gut, obwohl das bereits zu erwarten ist, alles andere wäre unglaubwürdig gewesen.
Die Geschichte ist interessant, es mangelt ihr aber sehr an Spannung. Erzählt wird einfach zu ausschweifend, die Charaktere werden einem nicht nahe gebracht, es gibt zu wenige Situationen, die man atemlos verfolgen kann und leider lässt auch die Auflösung etwas zu wünschen übrig. Dennoch hat mich der Roman recht ordentlich unterhalten und mich immerhin auf den Folgeband Knochengrube neugierig gemacht. Genrefans können einen Blick riskieren.
Robert Masello, Fischer
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