Schwarze Fluten
- Heyne
- Erschienen: Januar 2013
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Aus dem Leben eines Grillkochs
Odd Thomas, der seltsame junge Mann mit der Fähigkeit, die Geister von Toten zu sehen, die noch nicht in das Jenseits hinübergegangen sind, und seine Begleiterin Annamaria werden eingeladen, während eines Sturms auf Roseland Schutz zu suchen. Das 20 Hektar große pompöse Anwesen an der Westküste der USA, umgeben von einer hohen Mauer, gehörte in den 1920er Jahren dem Zeitungs- und Film-Magnaten Constantine Cloyce. Heute ist es im Besitz des zurückgezogen lebenden Milliardärs Noah Wolflaw, der sich mit dienstbarem Personal umgibt.
Odd sieht den Geist einer ermordeten blonden Frau, die einen schwarzen Hengst reitet und ihn um Hilfe bittet. Er soll ihren Sohn finden, der irgendwo auf dem Anwesen gefangen gehalten wird. Seine Hilfsbereitschaft bereitet ihm einige Probleme. Er trifft auf einen bewaffneten Wächter aus der Zukunft, eine Bande Riesenfledermäuse mit wenig guten Absichten, und er wird von fremdartigen Kreaturen verfolgt, die wie Schweine auf zwei Beinen aussehen und ihn fressen wollen. Odd will das Anwesen verlassen, aber Annamaria überzeugt ihn zu bleiben, weil es doch einen Grund dafür geben muss, dass sie auf Roseland sind. So bleibt Odd nichts zu tun, als das Mysterium um Roseland aufzuklären.
Odd Adventures
Nach "Die Anbetung", "Seelenlos", "Schattennacht" und "Meer der Finsternis" ist "Schwarze Fluten", der im Original "Odd Apocalypse" heißt, der fünfte Eintrag in die Odd Thomas-Reihe. Das in drei Teilen erschienene E-book "Lichtlos" wird dem digitalen Zeitalter ungemäß allgemein nicht in dieser Reihung mitgezählt...
Die Reihe umfasst einen Handlungszeitraum von weniger als zwei Jahren. Der 21-jährige Grillkoch Odd erzählt die Geschichte in der Ich-Form und verleiht ihr gelegentlich etwas von Beiläufigkeit, wenn er über das Leben und die konkreten Zeitumstände nachdenkt. Seine erste Begegnung mit dem blonden Geist gibt er wieder, als ginge es darum, eine mit Klischees angereicherte und triefende Romanze darzubieten. Mal sinniert er über die Möglichkeit seines gewaltsamen Todes ("Oder ich werde von einem Rolls-Royce überrollt, an dessen Steuer ein Fürsprecher der Armen sitzt."), mal über Vögel ("Seetaucher aber bleiben Seetaucher, wo immer sie auch nisten; sie ändern ihre Stimme nicht, um sie der Landschaft anzupassen. Es sind Vögel, keine Politiker."). Er vergleicht auch schon mal die Geister von Toten mit den Lebenden, die in einer Behörde ihr Unwesen treiben.
Der Plauderton, den Odd bisweilen vernehmen lässt, ist bestimmt durch Ironie und sarkastischen Humor. Bei manchen Dialogen ist man geneigt zu fragen, wie sie den Weg in das Buch gefunden haben, ist dann aber schnell bereit, sie als Zugeständnisse an das wirkliche Leben zu erklären. Dazu gehört das bald drei Seiten lange Gespräch zwischen Odd und Wolflaws Koch Mr. Shilshom, das eher als absurdes Nicht-Gespräch durchgeht.
Odds Begleiterin Annamaria ist eine 18-jährige Schwangere im achten Monat und orakelt ständig vor sich hin, wobei sie es Odd überlässt, ihren Äußerungen Sinn zu geben.
"Und was bist du?", fragte ich.
"In deinem Herzen weißt du das bereits."
"Und wann wird das auch mein Gehirn herausbekommen?"
Odd meets Meta
In "Schwarze Fluten" setzt Dean Koontz fort, was er seit ein paar Jahren mit zunehmender Intensität betreibt: seiner Geschichtenarchitektur metafiktionale Überbauten zu geben. Er greift politische und popkulturelle Diskurse auf (darunter die Biss-Reihe, Harry Potter, das Filmremake The Texas Chainsaw Massacre, die Jackass-Filme, Shakespeares Der Kaufmann von Venedig und weitere Titel dessen Oeuvres, Psycho und Der unsichtbare Dritte, schließlich immer wieder, in direkter und indirekter Weise, Edgar Allan Poe). Koontz entwickelt teils ironische, teils kritische Gedankengänge, die seinen jungen Protagonisten zumindest im Geiste und Erfahrungsschatz als älter denn 21 Jahre wirken lassen. Aber auch dies weist textuell über die Geschichte selbst hinaus, vereinen sich darin doch der Autor und seine Hauptfigur auf reizvolle Weise.
Eine der wesentlichen Konstanten im Werk des Hundeliebhabers Koontz wird in "Schwarze Fluten" gedoppelt: Odd hat als ständige Begleiter seinen irdischen Golden Retriever Raphael und einen Geisterhund, den weißen Schäferhundmischling Boo. Wie bereits in "Der Rabenmann" leistet auch in "Schwarze Fluten" der Geisterhund einen wichtigen Unterstützungsbeitrag für die Hauptfigur.
Fazit
Ist ein Roman über Odd Thomas ausgelesen, wartet man auf den nächsten. Koontz schräger Protagonist ist ein gern gesehener Akteur in der Landschaft des modernen Horror-Thrillers und eine Figur, die man vermisst, bis die Fortsetzung erscheint. Er ist vielschichtig und interessant, weniger als mit übernatürlicher Begabung versehener Held, sondern mehr als ein junger Mann, der seinen Platz im Leben mit jedem Abenteuer aufs Neue sucht. Während die Beschreibung der anderen Figuren nicht immer frei von Blässe ist, ist die der Handlungsorte und Geschehnisse reichhaltig in Einfällen und Details.
Dean Koontz sieht die Apokalypse aus dem Originaltitel nicht als das Ende der Welt, sondern als eine Offenbarung des Zustandes der Welt, der Arroganz und Rücksichtslosigkeit des Menschen im Umgang mit sich selbst, einander und der Umwelt. Beileibe Trivialitäten heute, aber wohl nur mit dem ausreichenden Maß an Zynismus.
P.S.: Wem knapp 20 Euro für das Buch zuviel Geld sind, der sollte es im Regal stehen lassen und für den Betrag nur den hervorragenden Schutzumschlag kaufen.
(Almut Oetjen, Februar 2013)
Dean Koontz, Heyne
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