Die Seelen der Nacht
- Blanvalet
- Erschienen: Januar 2011
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Vampirromanze für den gehobenen Geschmack
Diana Bishop ist eine gestandene Historikerin mit einem Doktortitel und einem Lehrauftrag, die dem Hexenerbe ihrer Eltern abgeschworen hat und ihre magischen Fähigkeiten verleugnet. Als sie in der Bodleian Library der Universität von Oxford eine alte Handschrift ausleiht, scheint das in Leder gebundene Manuskript auf den ersten Blick nicht bemerkenswert zu sein, aber bereits beim Berühren spürt sie, dass der Handschrift eine übernatürliche Macht innewohnt. Getreu ihrem Vorsatz, weder Magie anzuwenden noch sich mit magischen Dingen zu beschäftigen, untersucht sie die Schrift nach rein wissenschaftlichen Gesichtspunkten und gibt sie dann zurück. Kurze Zeit später begegnet ihr in der Bibliothek ein Vampir. Matthew Clairmont, Professor der Biochemie, überreicht ihr seine Visitenkarte und gibt sich als ein Bewunderer ihrer Arbeit zu erkennen. Suspekt wird ihr seine Aufmerksamkeit erst, als sich in den nächsten Tagen immer mehr nichtmenschliche Wesen wie Dämonen, Hexen und Vampire im Lesesaal der Bibliothek tummeln und es immer deutlicher wird, dass sie an ihrer Person und vor allem an dem mysteriösen Manuskript interessiert sind. Eine Hexenjagd beginnt.
Alter Ego
Deborah Harkness, selbst eine anerkannte Historikerin, kam die Idee für ihre Vampir-Hexen-Romanze während eines verregneten Urlaubs in Mexiko. Zu der Zeit, es war im Herbst 2008, waren Vampire in aller Munde und zeigten sich in zahlreichen Büchern und Filmen. Verwundert von der weltweiten Faszination und unter dem Aspekt, dass die Leute in früheren Jahrhunderten sehr wohl an die Echtheit von Gestalten wie Hexen, Dämonen und Vampiren glaubten und sie nicht wie heutzutage als Fantasiegebilde abgetan wurden, begann sie die Figuren und die Welt für ihre ´All-Souls-Trilogie´ zu entwickeln. Im Februar 2011 erschien ´A Discovery of Witches´ in Amerika und England, und im September 2011 erschien dann die deutsche Übersetzung ´Die Seelen der Nacht´ bei uns.
Nun fragt man sich, warum man dieses Buch lesen sollte, wo doch der Hype um romantische Vampire längst überrollt wurde von Engeln, Dämonen, Zombies und ähnlichen Gestalten und jetzt eher die metallischen, dampfbetriebenen Wesen angesagt sind. ´Die Seelen der Nacht´ bietet zwar keine allzu neuen Ideen, aber der Roman liest sich dank interessanter Protagonisten und Antagonisten, einer gut durchdachten Handlung und eines anspruchsvolleren Wortschatzes der Autorin angenehm erwachsen. Obwohl gleich im ersten Kapitel das mysteriöse Manuskript Ashmole 782 auftaucht, ist die Gangart gemächlich. Nichts für Freunde schneller, harter Szenen und straffer Handlung, sondern mehr ein genüssliches Aufbereiten mit Rückblenden und Informationen über den Werdegang der Heldin.
Meine Kritik richtet sich hauptsächlich gegen die Detailverliebtheit der Autorin, eine deutliche Straffung im Bereich allzu ausführlicher Darstellung von Äußerlichkeiten und simplen Abläufen hätte an manchen Stellen gut getan. Allerdings merkt man deutlich, dass Deborah Harkness sich mit der Materie auskennt, der Universitätsbetrieb und die Atmosphäre in der Bibliothek wirken sehr authentisch, ihre wissenschaftlichen Ausführungen in den Dialogen sind verständlich und ihr Erzählstil ist eingängig.
Entgegen meiner anfänglichen Befürchtung, dass die Heldin sich zu einer weiteren ´rosaroten´ Vampiranbeterin entwickeln würde - eine Szene deutete in die Richtung, wurde aber bald relativiert - ist Diana Bishop eine ansprechende Heldin, intelligent und sturköpfig. Sie kämpft lange gegen ihre magische Seite, sie hat ihre Schwächen, aber letztendlich lässt sie sich nicht das Ruder aus der Hand nehmen und ist für einige Überraschungen gut. Und das nicht nur, weil sie im Buch eine passionierte Ruderin ist. Wer die magische Anziehungskraft von altehrwürdigen Bibliotheken und den in ihnen gesammelten Schätzen versteht, wer sich vorstellen kann, dass sowohl Geschichte wie moderne Wissenschaften spannende Forschungsgebiete sein können, der verzeiht der Autorin wahrscheinlich, dass sich hinter ihrer Hauptfigur offensichtlich eine Wunschprojektion ihrer eigenen Person verbirgt.
Vereint gegen das Establishment
Matthew Clairemont, der Vampir an ihrer Seite, ist kein Blutsauger, der seine Zeit mit reiner Triebbefriedigung zubringt, sondern er nutzt seine Intelligenz und den Vorteil eines langen Lebens, um zu forschen und Wissen zu sammeln. Er ist kein hehrer Held, sondern er tötet, wenn er es für angebracht hält. Aber natürlich ist er auch der gut gebaute, fantastisch aussehende Schönling mit unwiderstehlicher Ausstrahlung, wie viele Leserinnen es erwarten, und auch der Romantikfaktor kommt zwischen all der Wissenschaft und Alchemie nicht zu kurz. Kleinigkeiten, wie zum Beispiel die Selbstverständlichkeit, mit der die Autorin dem Leser beibringt, dass Diana bei einem lesbischen Pärchen aufgewachsen ist oder dass der sexy Vampir Matthew so laut schnarcht, dass es sich anhört, als würde Kies in einem Metallrohr herumrollen, heben den Text etwas ab von den üblichen Klischees. Zum Glück bietet das Buch neben der reinen Liebesgeschichte breiten Raum für einen spannenden Plot um ein verschwundenes Manuskript, dass die Begehrlichkeiten von unterschiedlichen Parteien erweckt, und Dianas und Matthews Auflehnung gegen bestehende Regeln ist eine Thematik, die immer aktuell ist.
Wer sich die näher rückenden dunklen Herbstabende mit diesem 800 Seiten dicken Schmöker versüßen möchte, trifft mit der Hexe-wider-Willen und dem vampirischen Professor keine schlechte Wahl.
(Anja Helmers, August 2012)
Deborah Harkness, Blanvalet
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