Das Herz von Veridon
- Bastei-Lübbe
- Erschienen: Januar 2012
- 2
Luftschiffe, mechanische Menschen und ein Engel
Jacob Burn ist nicht unbedingt die beste Reisebegleitung, die man sich wünschen könnte. Als Abkömmling einer der angesehensten Gründerfamilien Veridons erhielt er an der Akademie die mechanischen Erweiterungen, die aus einem jungen Mann erst einen Piloten der mächtige Zeppeline machen, doch dann havariert sein Zeppelin auf seiner Jungfernfahrt, nur Burn selbst überlebt den Absturz. Seitdem, unehrenhaft aus dem Kreise der Akademie entlassen und vom Vater verstoßen, fristet er sein Dasein als starker Mann mit Beziehungen für einen der Unterweltbosse seiner Heimatstadt.
Wir lernen Burn an Bord einer der fliegenden Zigarren kennen. Ein ihm bekannter früherer Soldat übergibt ihm, schwer verletzt, ein Artefakt, kurz darauf stürzt der Zeppelin - einmal wieder mit Burn an Bord - ab, nur er und der Mörder, der den Piloten, die Besatzung und Passagiere in den Untergang gerissen hat, überleben den Absturz.
Seitdem wird Burn verfolgt. Freunde und Vertraute verraten ihn, sein Arbeitgeber trennt sich von ihm, diverse Machtgruppen aus der Metropole und von außerhalb heften sich an seine Fersen. Sie alle sind hinter dem Artefakt her, das er von Bord des Zeppelins gerettet hat. Um das Artefakt in ihre Hände zu bekommen sind seine Häscher breit, die Stadt selbst in Gefahr zu bringen - denn die Mächte, denen das mechanische Kleinod entwendet wurde, wollen es zurück ...
Ein etwas anderer Steampunk-Roman
Steampunk ist en vogue. Kein Verlag, der mehr an dem Subgenre mit seinen mechanischen, oftmals dampfgetriebenen Menschen und Maschinen vorbeikommt. Doch in all der Uniformität, die sich mittlerweile auch in dem relativ neuen Sub-Genre eingenistet hat, findet man immer wieder einige wenige Werke, die ideenreich und auf eigenen Füßen stehend, Neues für den Leser bereit halten. Tim Akers Debutroman ist ein solcher Roman.
Zwar besiedelt auch er seine Welt mit mechanisch veränderten Menschen, fahren Zeppeline durch die Lüfte, doch damit hören die Gemeinsamkeiten mit dem, was wir gängigerweise von den Autoren vorgesetzt bekommen, auch schon auf.
Tote werden tief unter der Wasseroberfläche des Reins als Fehn zu neuem Leben erweckt, spinnenähnliche, intelligente Insekten, Anansi genannt, dienen den Menschen als billige, geknechtete Tagelöhner, die Kirche baut ihre Macht auf aus dem Fluss gefischten Artefakten auf, die Stadt selbst dient als faszinierende Kulisse für eine verschachtelte Handlung.
Was der Autor uns hier, peu a peu über seine Dialoge vorstellt, das nimmt langsam immer detailreicher Bildnis vor dem inneren Auge des Lesers an. Vieles bleibt zunächst im Dunkeln, wird nur angedeutet und doch nahm mich die Stadt in ihrer dunklen Ausstrahlung gefangen. Viele Fragen sind noch zu klären, Rätsel zu lösen. Welche Stadt zeigt die geheimnisvolle Karte, die in Burn Besitz gelangt, und wer bevölkert diese, woher kommen die technischen Überbleibsel, die der Rein mit sich führt und die die Priester erst zu ihren bahnbrechenden Erfindungen animierten, was ist mit den intelligenten Rassen, den Fehn und Anansi, was mit dem lebenden Metall?
In Kombination mit unserem Ich-Erzähler, einem Ausgestoßenen, der selbst nicht recht weiß, wo er hingehört, was ihm passiert und der Auseinandersetzung zweier diametral gegensätzlicher Religionen erschließt sich dem Leser hier ein Bild, das Platz lässt für viele weiße Flecken auf der Landkarte, das anregt, selbst Lücken mit Leben zu füllen und das faszinierend neue, ungewohnte Details und Ideen für den Rezipienten bereit hält. Das ist sicherlich keine stromlinienförmige Lektüre, das erfordert Mitdenken und Phantasie, unterhält aber ebenso spannend wie überraschend, kurzweilig wie packend und lässt so auf eine ähnlich gelungen Fortsetzung, die für Januar 2013 in Vorbereitung ist, hoffen.
(Carsten Kuhr, Juli 2012)
Tim Akers, Bastei-Lübbe
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