Aufstieg der Toten

  • Heyne
  • Erschienen: Januar 2012
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Aufstieg der Toten
Aufstieg der Toten
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Michael Drewniok
80°1001

Phantastik-Couch Rezension vonJul 2012

Die Zombies sind nicht das größte Problem

Seit das Morgenstern-Virus über die Welt kam, sind drei Monate vergangen. Es verwandelt seine Opfer in "Sprinter" - hirnlose aber wendige, blutgierige Kreaturen, die über die nicht infizierten Mitmenschen herfallen. Stirbt ein "Sprinter", verwandelt er sich in einen "Watschler" - einen langsamen, allmählichen verwesenden aber ebenso menschenfleischhungrigen Zombie, der nur ein Kopfschuss endgültig töten kann.

Zwei Gruppen bewegen sich durch die zum Feindesland gewordenen USA. Frank Sherman, ehemals General und Kommandeur in jener internationalen Streitkraft, die sich im Vorderen Orient vergeblich den Zombielegionen entgegenwarf, hat einige überlebende Soldaten um sich scharen können. Verstärkt durch diverse Zivilisten, bewegt sich die Gruppe langsam auf Omaha im US-Staat Nebraska zu.

Dorthin sind auch Anna Demilio und ihre Gefährten unterwegs. Die Medizinerin war an der Erforschung des Virus´ beteiligt. In Omaha steht ein geheimes Labor, in dem diese Arbeit womöglich fortgesetzt wurde. Demilio hofft einen Impfstoff gegen die Krankheit zu entwickeln. Ihr buchstäblich im Nacken sitzt jedoch eine Splittergruppe der Nationalen Sicherheit, die Demilio fälschlich im Besitz eines Heilmittels wähnt.

Auch Sherman und seine Begleiter haben weniger mit den Untoten als mit sehr lebendigen Plünderern zu kämpfen. Vor allem die Bande der Gebrüder Lutz erweist sich als hartnäckige Plage, bis Sherman beschließt, den Spieß umzudrehen ...

Im (Wilden) Westen nichts Neues

Der Zombie-Horror bricht weiterhin titelstark über die Buchmärkte dieser Welt herein. Das erstaunt, weil er im Grunde ebenso untot ist wie seine Protagonisten. Zombies sind ausgesprochen limitierte Schreckensgestalten. Traditionell verlieren sie mit dem Leben auch ihren Verstand. Anschließend ist es die bloße Quantität, die ihre Gefahr begründet: Sie fürchten sich nicht, fressen Menschenfleisch und lassen sich nur durch einen Kopfschuss erledigen. (Ein nie wirklich geklärtes Rätsel: Wieso muss ausgerechnet das Hirn zerstört werden, das seine Funktion als Hort des menschlichen Geistes ohnehin aufgegeben hat?) Zu ihrer Penetranz als unermüdliche Verfolger frischblütiger Menschen kommt als Gruselfaktor ihre Hässlichkeit, weil der sonst sorgfältig unter einer dicken Erdschicht verborgene oder im Krematorium entsorgte Tod und seine optisch & olfaktorisch unerfreulichen Folgen allzu deutlich offenbart werden.

Das war's aber schon mit der Bedrohlichkeit. Raffinesse ist dem Zombie in der Erzeugung von Schrecken nicht gegeben. Wahrscheinlich materialisiert er sich deshalb auch in "Aufstieg der Toten" immer wieder quasi aus der Luft: Die Schar der Überlebenden, die es aus böser Erfahrung besser wissen müssten, kontrolliert jede angefahrene Stätte sorgfältig, übersieht aber garantiert den einen toten Winkel, aus dem irgendwann ein Zombie springt und ein weiteres Opfer beim Wickel packt.

Um die Langeweile zu würzen, die sogar der wandelnde Untot irgendwann verbreitet, bringt jeder Autor über kurz oder lang quicklebendige Menschen ins Spiel. Er (seltener sie) folgt damit dem Klischee, dass sich in der wirklich existenziellen Krise Rednecks u. a. Pack, das sich bisher nur widerwillig der Knute des Gesetzes beugte, umgehend zu Warlords aufschwingt und in wilden Horden schwer bewaffnet sowie raubend, mordend und natürlich vergewaltigend sämtliche "Mad-Max"-Klischees aufleben lässt. Alternativ treten steinzeitfundamentalistische Prediger als postapokalyptische Heilsbringer auf, die endlich ihren wirren Obsessionen frönen können.

Feuer frei - und gut zielen!

Sobald der Geist schweigt, beginnen die Waffen zu sprechen. Vor allem im US-Bürger erwacht der Pionier, der im 19. Jahrhundert den Großteil des nordamerikanischen Kontinents eroberte und dabei von Bisons, Indianern u. a. Störenfrieden säuberte. Auch untereinander ließ man in dieser guten, alten Zeit im Konfliktfall lieber den gesunden Menschenverstand bzw. die Fäuste und Faustfeuerwaffen sprechen.

Diese Wild-West-Romantik fließt beinahe ungebrochen in den (US-) Zombie-Horror ein. Abgeschmeckt wird sie mit Elementen der "Post-Doomsday"-Science-Fiction, denn die Überlebenden bedienen sich ausgiebig der Relikte ihrer Vergangenheit, wobei (inzwischen deutlich großkalibrigere) Waffen, PS-starke Automobile und coole Sprüche oben auf der Liste stehen. Ansonsten balgt man sich zwischen Zivilisationstrümmern um Lebensmittel, Benzin, Medikamente oder gebärfähige Frauen, weshalb der Originaltitel "Thunder and Ashes" wesentlich besser zusammenfasst, was diesen Roman ausmacht.

"Aufstieg der Toten" bietet über weite Strecken nichts als die Abfolge diverser Gefechte, Befreiungsaktionen und Verfolgungsjagden. Autor Recht erfindet hier das Rad niemals neu, sondern beschränkt sich Schuss für Schuss auf die Schilderung dieser Scharmützel, wobei ihm Szenen gelingen, die vor dem geistigen Auge des Lesers wie ein Film ablaufen - dies nicht nur deshalb, weil man sie tatsächlich in (sehr) vielen Filmen gesehen hat, sondern weil Recht gute Arbeit leistet.

Sand im Getriebe

Diesen festen Boden verlässt der Autor, sobald er sich an einer Hintergrundgeschichte versucht. Mit dieser Herausforderung hat sich Recht bereits im ersten Teil seiner "Morgenstern"-Trilogie herumgeschlagen. In "Die Jahre der Toten" schilderte er die Zombie-Invasion als globale Katastrophe. Die ist nun Realität, und der Blick auf eine entglobalisierte Welt verengt sich notgedrungen, zumal sich überall ähnliche Kämpfe zwischen Menschen und Zombies abspielen.

Recht konzentriert sich auf zwei Gruppen, deren Mitglieder wir in "Die Jahre der Toten" kennengelernt haben. Sie erkunden stellvertretend die neue, seltsame, schreckliche Welt, in die sich die USA verwandelt haben. Dies schien Recht jedoch nicht spannend genug. Also konstruiert er ein Geheimlabor, in dem ein Anti-Zombie-Mittel wartet. Wie Hitchcocks "McGuffin" schwebt dieses Labor über der Handlung: Sie gibt ihr ein Ziel, das sie eigentlich nicht benötigt.

Wenigstens stört es die Handlung nicht, was leider immer dann eintritt, wenn Recht meint, eine Feuerpause einlegen zu müssen. Dann lässt er seine Figuren über ihre Erfahrungen und vor allem über ihre ´Gefühle" reflektieren; dieses Wort wird hier von Anführungsstrichen eingegrenzt, weil Recht stattdessen Emotionshülsen ohne Inhalt bietet. Diese Passagen kann und sollte der Leser deshalb überspringen und dazu wissen, dass Z. A. Recht gerade 24 Jahre ´alt´ war, als er "Aufstieg der Toten" schrieb und sich deshalb auf Film- und Fernseh-Vorgaben und entsprechende Klischees stützen musste.

Die Guten, die Bösen und die Zombies

Mit diesem Wissen kann die fehlende Tiefe der Figurenzeichnung nicht überraschen. Soldaten, Sheriffs u. a. eher handfeste Vertreter von Recht & Ordnung sind geborene Kameraden sowie Patrioten, die unentwegt pubertär miteinander flachsen aber sofort aufspringen, wenn der verehrte Anführer wieder einmal nach Freiwilligen für ein Himmelfahrtskommando fahndet. Trug ein Gesetzesmann vor der Apokalypse Anzug und Schlips, ist er anschließend sicherlich ein Spinner, der sich fanatisch an überkommene Vorschriften klammert und auch sonst den Pionier im Mann (s. o.) nicht zu Wort kommen lässt. Ehemalige Strolche mutieren zu reinkarnierten Höhlenmenschen, die ohne Federlesen oder Gewissensbisse ausgetilgt werden können.

Wo die lebenden Protagonisten nach Leibeskräften aufeinander einschlagen und sich beschießen, bleibt den Zombies oft nur eine Statistenrolle. Das ist selbst im simplen Konzept der "Morgenstern"-Serie ein echter Schwachpunkt. Recht gelingt es nicht, die Allgegenwart der Untoten in die Handlung einfließen zu lassen. Er konzentriert sich zu stark auf zwischenmenschliche Konflikte, denen er jedoch - es muss abermals gesagt werden - nur bedingt oder gar nicht gewachsen ist. Er war sich dessen sicher bewusst: Nicht umsonst verzichtet Recht klug auf jede Love Story oder Familiengeschichte.

"Aufstieg der Toten" endet mit dem Eintreffen der Gruppen Sherman und Demilio/Mason in Omaha. "Fluch der Toten", die Fortsetzung, die durch Rechts Tod zum Abschluss wurde, wird auf den letzten Seiten nicht ungeschickt vorbereitet. Man ist jedenfalls gespannt, wie es weitergeht, obwohl man sich sicher sein darf, dass dies relativ überraschungsarm vonstattengehen wird.

(Dr. Michael Drewniok, Februar 2013)

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Z. A. Recht, Heyne

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