Über Liebe, Hass und Unsterblichkeit
Von Besessenheit und einer Geistwanderung in den Körper des Geliebten hat man schon in manchem Horror-Roman gelesen. Ein mysteriöser Geheimbund kommt ins Spiel, auch das ist nicht gerade ein neues Thema. In Deutschland ist Kirstyn McDermott bis dato noch unbekannt, aber in ihrer Heimat Australien wurde sie mit Preisen wie dem Aurelius Award und dem Chronos Award ausgezeichnet. Was hat sich die Autorin in ihrem Debütroman "You are Mine" (Originaltitel "Madigan Mine") also einfallen lassen, das unter Kritikern und auch Lesern so viel Begeisterung hervorgerufen hat?
Wahn oder Wirklichkeit?
Das erste Kapitel in "You are Mine" beginnt mit Madigans Beerdigung und endet mit dem Erscheinen ihrer Geisterstimme im Kopf ihres Ex-Geliebten, hellgrau gedruckt: "hey, Lexi?". Alex Bishop ignoriert diese Stimme zunächst. Er ist viel zu sehr damit beschäftigt zu rekapitulieren, was er mit Madigan erlebt hat. Ihre Kinderfreundschaft und der Abschied voneinander, als die Familie nach dem Tod von Madigans Mutter in deren Heimatland Irland zurückkehrte. Wie sie sich Jahre später zufällig in Melbourne wieder trafen. Sie verliebten und zofften sich, ihre Beziehung geriet schließlich außer Kontrolle und artete in Gewalttätigkeiten aus. Nach ihrem Rauswurf aus Alex Wohnung stieß sich Madigan selbst ein Messer in den Kopf.
Alex fühlt sich schuldig und glaubt dem Wahnsinn zu verfallen. Dennoch recherchiert er, was Madigan vor ihrem Tod so getrieben hat und von dem er nichts weiß. Zum Beispiel wenn sie sich mit den jugendlichen Bewunderern ihrer Kunst zurück gezogen hat, oder mit Serge, einem Anhänger der mysteriösen "Söhne des Belials" tagelang verschwand. Ruth, Alex' ehemalige und von Madigan vergraulte Mitbewohnerin, vermittelt eine Therapeutin. Doch auch sie muss schließlich einsehen, dass Madigan mehr als nur ihre Stimme in Alex hinterlassen hat. Und das sich ihr Freund immer mehr zu einer unberechenbaren Gefahr entwickelt.
Von bizarrer Love-Story zum psychedelisch surrealem Trip...
Zugegebenermaßen fällt der Einstieg in "You are Mine" schwer. Einerseits muss man sich an die eigenwillige Erzählstruktur der Autorin gewöhnen, die relativ spontan zwischen Gegenwartserzählung, Vergangenheit und später dem metaphysischem Raum hin und her switcht. Andererseits kommt der Roman zu Anfang wie eine zwar düsteres, aber nicht ungewöhnliches Liebesdrama herüber. Nachdem man etwas über Madigans und Alex Zusammenleben erfahren hat, wirkt der Hauptprotagonist zunächst wie der arme Tropf, der einer attraktiven und narzisstischen Frau verfallen ist. Dieser erste Eindruck verflüchtigt sich jedoch, wenn man Seite um Seite tiefer in dieses dämonische Mysterium eintaucht.
"You are Mine" erzählt mit wenigen Ausnahmen, in denen Madigan zu Wort kommt, konsequent Alex' Geschichte, die Handlung ist also auf seine Perspektive beschränkt. Der Leser muss mit ihm seine Erinnerungslücken zusammensetzen und wird genau so unvermittelt wie die Hauptfigur selbst mit den Ereignissen konfrontiert, die seine Ex-Geliebte arrangiert. Diese Verwicklungen und sorgsam platzierten bösen Überraschungen, oft dann, wenn man glaubt, ein Ausweg zeichne sich ab, machen einen Teil der Spannung dieses Horror-Thrillers aus. Andererseits ist es Alex' Entwicklung, die den Leser immer mehr an die Seiten fesselt. Anfangs, wie schon erwähnt, torkelt er orientierungslos in Madigans Leben hinein und steht den Geschehnissen hilflos gegenüber. Doch dann beginnt sein Kampf gegen Madigan und ihr makaberes Vorhaben, das wie ein Schatten aus dem Hintergrund seines Bewusstseins hervorkriecht. Sein Leben mit diesem Dämon führt ihn in dunkle Abgründe seiner und ihrer Erinnerungen und Träume. Lässt den einstigen Frauenversteher Dinge tun, zu denen nur ein kranker Geist ohne moralische Beschränkungen fähig ist.
..bis zum abrupten Ende
Kirstyn McDermott erschafft zwar mit dem zunächst schwachen, aber verzweifelt im Dies- und Jenseits kämpfenden Helden einen Sympathieträger, verteilt aber sonst keine Gefälligkeiten an den Leser. Am Ende ist fast nichts so, wie man es erwartet hat und man wünscht sich ein paar Seiten mehr, denkt sich "Wie? Das war es jetzt?". Trotzdem erkennt man schnell, dass die Australierin "You are Mine" an der richtigen Stelle beendet hat, denn eine klassische Auflösung hätte einfach nicht zu der Geschichte gepasst.
Abschließend sei noch angemerkt, dass die Autorin (und die Übersetzerin) auch sprachlich überzeugt. Sie lässt Alex in einem schnodderigen, bisweilen auch poetischen Stil erzählen, der einem emotionalen und verzweifelten Mann in den Zwanzigern gut steht. Gleichzeitig sorgen der Humor und die Modernität der Sprache dafür, dass für den Leser auch die surrealen Bilder greifbar werden. Ebenso lässt sie Madigan mit allen abgründigen Facetten ihres Charakters, mal leidenschaftlich, mal eiskalt berechnend fabulieren. Unterm Strich ist "You are Mine" sicherlich kein Buch für Hardcore-Horror Fans, dafür aber ein verstörend düsterer Roman über Liebe und Besessenheit, die zu einem wahrhaftigen Albtraum mutiert.
(Eva Bergschneider, Juli 2012)
Kirstyn McDermott, Piper
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