Der Golem-Faktor

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  • Erschienen: Januar 2012
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Der Golem-Faktor
Der Golem-Faktor
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Peter Kümmel
85°1001

Phantastik-Couch Rezension vonJul 2012

Perfides Spiel mit Juden-Zombies

Juni 1943 - eine Gruppe von KZ-Häftlingen - sowohl politische Gefangene als auch Juden - wird von einem Lager in ein anderes überführt. Einer davon ist der Jude Joseph Schlega. Er weiß, dass er keine Chance hat, doch er lässt sich nicht klein kriegen. Die Gefangenen werden zur Arbeit in Höhlen eingeteilt und Schlega begreift schnell, dass hier etwas Geheimnisvolles vor sich geht. Als am Ende eines schmalen Kriechganges, den er von Schmutz befreien muss, ein Stück Fels aus der Wand bricht, erkennt Schlega in einer Halle eine Gruppe von SS-Offizieren, die an einer seltsamen Maschine arbeiten.

Unbeobachtet kann er einige Zeit lauschen. Er erfährt, dass es sich bei dem merkwürdigen Gerät um einen Wiederbeseelungsapparat handelt. Toten Juden wird in dieser Maschine eine Gedankenschablone ins Gehirn übertragen. Durch eine eingesetzte Batterie wird so aus der Leiche ein wiedergeborener Kämpfer für die Fronten des Dritten Reiches - ein sogenannter Golem-Krieger. Jetzt wird ihm klar, warum die toten Juden nicht verbrannt, sondern gekühlt gelagert werden. Durch diese Erfindung kann die Vernichtung der Juden sogar doppelt genutzt werden. Eine ganze Armee von Golem-Kriegern soll die Deutsche Wehrmacht wieder auf die Siegesstraße führen.

Gleich drei obskure Gedankengänge

"Der Golem-Faktor" ist das erste Buch, das im neuen schweizer Scipio-Verlag erscheint. Scipio bietet laut eigener Aussage auf der Webseite "anspruchsvolle Romane im Hardcover, sowohl Erstveröffentlichungen als auch Wiederveröffentlichungen herausragender Titel unterschiedlicher Genres".

Das Titelbild des Werkes erweckt den Eindruck eines Landser-Romans, doch der Inhalt bietet einiges an Überraschungen. Alternativwelt-Romane sind besonders beliebt, wenn es um Kriege geht. Was wäre anders geworden, wenn der Krieg einen anderen Ausgang genommen hätte? Insbesondere der Zweite Weltkrieg wurde diesbezüglich schon einige Male thematisiert. Bekannteste Beispiele sind "Vaterland" von Robert Harris oder "Das Orakel vom Berge" von Philip K. Dick.

Bis zum Ende des Kriegs wagt sich Moritz Römstein jedoch gar nicht vor. Er setzt an einem anderen Punkt an. 1943, als der Krieg eine Wende zu nehmen scheint und die Deutsche Wehrmacht immer mehr an Boden verliert, soll eine Erfindung dafür sorgen, das Großdeutsche Reich wieder auf die Siegesstraße zurück zu führen.

Das Buch beginnt mit der Schilderung alltäglicher Begebenheiten in einem Konzentrationslager mit all seinen Grausamkeiten. Und der Leser erfährt, welch perfides Spiel hier getrieben wird. Der Zweite Weltkrieg wurde nur deshalb begonnen, um alle Juden auszurotten und damit das Böse auf der Welt zu vernichten. Doch selbst der Tod ist für die Juden keine Erlösung, denn als Untote sollen sie dafür sorgen, den Krieg zu gewinnen.

Wer nun glaubt, mit dieser Idee würde Moritz Römstein die Handlung im Rest des Romans durchziehen, wird bald eines Besseren belehrt, denn auf den Leser warten noch einige Überraschungen. Auch Schlega hat andere Ziele als nur zu überleben. Als seine Bemühungen aussichtslos zu werden scheinen, bedient er sich des Lagerkommandanten, um seine Pläne in die Tat umzusetzen.

Nach etwa einem Drittel des Buches betreten neue Charaktere die Bühne der Handlung: SS-Hauptsturmführer Walter Senzig und SS-Oberführer Eugen Stahlbach. Durch einige Zeitsprünge zwischen den Jahren 1943 und 1945 versetzt der Autor die Leser ein wenig ins Grübeln. Erst nach und nach wird klar, dass hier noch eine Gruppierung mitmischt, die ähnliche Ziele mit anderen Mitteln verfolgt. Auch die "Völkische Front" will den Krieg gewinnen, jedoch nicht mit Hilfe von Juden-Zombies. So erhält Stahlbach den Auftrag, den Wiederbeseelungsapparat zu vernichten. Die Zusammenhänge und die Bedeutung der Zeitsprünge werden dem Leser jedoch erst später klar.

Mit "Der Golem-Faktor" ist nicht nur dem Autor Moritz Römstein, sondern auch dem Scipio-Verlag ein sehr lobenswertes Debüt gelungen. Römstein zeigt, dass sich selbst in Nischen, die bereits öfter thematisiert wurden, noch neue Ideen finden lassen, die für spannende Unterhaltung sorgen. Dadurch, dass er gleich drei obskure Gedankengänge in seinen Roman einbaut, könnte man mutmaßen, dass das Buch damit überfrachtet wird. Römstein schafft es jedoch, seine Handlungsstränge zu verzahnen und damit ein ungwöhnliches Werk zu erschaffen.

(Peter Kümmel, Juli 2012)

Der Golem-Faktor

Moritz Römstein, -

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