Der Übergang

  • Goldmann
  • Erschienen: Januar 2010
  • 11
Der Übergang
Der Übergang
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Verena Wolf
90°1001

Phantastik-Couch Rezension vonJul 2012

Anspruchsvollere Dystopie, die (nicht nur wörtlich) viele Seiten hat

Es klingt alles ein wenig bekannt nach klassischer Weltuntergang-Action oder Zombieroman: Die US Army hat ein geheimes Projekt gestartet, bei dem Todeskandidaten die Begnadigung angeboten wird, falls sie ihre Körper für den Test eines neuen Virus zu Verfügung stellen. Ziel: die Erschaffung des Superkriegers. Der FBI-Agent Brad Wolgast akquiriert die Kandidaten, auch wenn er erste Zweifel bekommt, als er ein kleines Mädchen für die Versuche entführen soll. Dann läuft das Experiment aus dem Ruder, die Infizierten brechen aus und der Virus grassiert unter den Menschen. Sie werden zu Zombies, wenn sie nicht gleich sterben. Endzeit!

Da denkt man schnell: Ah, kenne ich. Mal wieder ein Virus, der alle dahinrafft und dann müssen ein paar Hartgesottene kämpfen, richtig? Wahrscheinlich eine attraktive, joggende Ärztin, ein männlicher Militär mit markigen Sprüchen, (Helis können auch so schön über Urwäldern / Metropolen / Feinden kreisen) begleitet von einem verkopften Klimaforscher. Zusammen bezwingen sie dann unerschrocken in letzter Minute die Aliens, pardon die bösen Feinde des Präsidenten in Form von Zombies...

Kein puristischer Zombie-Horror

Aber nein, das ist die frohe Kunde, das ist nicht Zombie-Roman Schema F gepresst in 300 Seiten mit der Aussicht auf Fortsetzung, Hollywood-Verfilmung mit Botox-Wundern in Tank-Tops, mutierenden Autos und einer Graphic Novel im Kielwasser.

Aha. Was ist "Der Übergang" denn dann? Tja, in diesem Fall ist es einfacher in bester Sherlock-Holmes-Manier zu sagen, was "Der Übergang" alles nicht ist: Es ist kein klassischer Endzeitreißer, in dem die Welt mit Erdbeben oder sieben Plagen klassisch in die Knie zu gehen droht. Es hat keinen männlichen muskulösen Helden, der diese Welt-die-in-die-Knie-geht in letzter Sekunde rettet. Es ist nicht einmal eine stringente Geschichte: Handlungsstränge und Personen, die uns näher erzählt werden, wechseln oft. Es ist kein großgeschriebener Schmöker für Zwischendurch, es gibt eine Menge Seiten zu bewältigen, über tausend und wir reden hier nur vom ersten Teil der Geschichte, denn zwei werden folgen! Es ist also nichts für Langsamleser oder Hardcore-Horrorfans, bei dem vor allem schmatzend Eingeweide ausgeweidet werden, Zombies mit ausgestreckten Armen Menschen jagen und fressen. Reine Actionfans bleiben auf der Strecke genauso wie gradlinige High-Fantasy-Fans, für die Helden- oder Volkbezeichnungen wie Elf, Hexe oder eben Untoter sofort eine klar umrissene Definition mitliefern sollen. Es ist genauso wenig Stephen-King-Suspense. Noch nicht einmal eine Queste.

Endzeit-Roman voller Geschichten und Stimmung

Was ist es also? Es ist eher Literatur als Pulp, mit allem was dazu gehört. Die Charaktere werden genau vorgestellt, auch ihre Lebensgeschichten und die Welt, die gar nicht so viel anders ist als unsere, nur eben ein paar Jahre weiter. So wird erst genau von Cronin beschrieben, wie die Experimente ihren Lauf nehmen - später kommt ein deutlicher Zeitsprung: Wir lernen die Welt kennen, 97 Jahre später. Die Erde ist fast komplett entvölkert, nur ein paar kleine Kolonien Überlebender haben sich gehalten und verbarrikadiert. Mit Flutlicht und einfachsten Mitteln bekämpfen sie die allgegenwärtigen Zombie-Vampire - Virals genannt, die vor allem Nachts zur Gefahr werden. Diese Gesellschaft wird anhand einer Gruppe Individuen eindringlich, überzeugend und detailreich vorgestellt. Die Klammer bildet Amy, das seltsame Mädchen, das der Schlüssel sein könnte für die zu Recht Verzweifelten.

 

"Bevor sie Das Mädchen Von Nirgendwo wurde - das Mädchen, das plötzlich auftauchte, Die erste Und Letzte Und Einzige, die tausend Jahre lebte-, war sie nur ein kleines Mädchen aus Iowa und hieß Amy."

 

So geht der Roman los und schon daran kann man sich halten, um heraus zu finden, ist das was für mich oder nicht? Wer hier schon sagt: "Was ist das denn für ein Anfang - langweilig" der sollte weiter in der Horror-Ecke schlendern, denn "Der Übergang" ist zwar eine Kreuzung zwischen Untoten-Story, Thriller und Science-Fiction, aber das kann falsche Assoziationen wecken. Auch wenn durchaus Blut fließt, Leute sterben und Action seinen Anteil hat, vor allem ist "Der Übergang" eine fast schon klassische Dystopie mit Romantradition und allem was dazu gehört: Wie in einem Gesellschaftsroman entfalten sich Handlung und Geschichten äußerst logisch, aber auch sorgfältig. Ach ja, die Formulierungen sitzen, der Schreibstil ist einfach brillant.

Fazit: Klar, "Der Übergang" spaltet die Lesegemeinde verständlicherweise. Wer schnell was für Zwischendurch sucht und nicht den Kopf frei hat, reine zackige Unterhaltung will mit einer Handvoll Personen, die die Handlung Bruce-Willis- oder Will-Smith-mäßig voranbringen, liegt hier falsch. Wer allerdings auf eine interessante, durchdachte, vielschichtige intelligente Dystopie steht, die die Spannung aufrecht erhalten kann, findet hier einen absolut gelungenen Auftakt, der bestimmt nicht enttäuscht.

(Verena Wolf, Juni 2012)

Der Übergang

Justin Cronin, Goldmann

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