Die Legenden der Albae (3): Dunkle Pfade
- Piper
- Erschienen: Januar 2012
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Der Weg ist das Ziel
Firûsha, Sisaroth und Tirîgon leben in Dsôn Sòmran, einer von einem Schutzwall umgebenen Bastion der Albae. Sie sind Drillinge, und in Anbetracht der Seltenheit des albischen Nachwuchses werden sie von ihrer Umgebung als beinah göttliche Wesen angesehen. Sisaroth, der Priester werden möchte, trifft sich nach längerer Abwesenheit zu Hause mit seiner Schwester. Firûsha, die von der Mutter für eine Ausbildung zur Sängerin geschult wurde, ist glücklich und zufrieden in Dsôn Sòmran, während Sisaroth Groll verspürt, weil er sich von den Unauslöschlichen vergessen fühlt und ihre neue Heimat eher als Verlies empfindet.
Als sie auf ihren Bruder Tirîgon warten, dringt ein gepanzerter Trupp Soldaten durch die Tür und nimmt sie auf Befehl Aïsolons, ihres Vaters und Statthalters, fest. Die beiden Geschwister sehen sich angeklagt wegen Mordes und verurteilt zur Verbannung nach Phondrasôn. Die Beiden sind schockiert, denn sie sind unschuldig. Tirîgon platzt dazwischen und schließt sich seinen Geschwistern an, obwohl der Schuldspruch ihn nicht betrifft.
Die Aussichten, in der Unterwelt Phondrasôn mit seinen magischen Fallen, Monstern und zahllosen Feinden zu überleben, sind gering. Aber die bereits aus dem letzten Band der Zwerge-Reihe bekannten Protagonisten finden nützliche Weggefährten, unter anderem den Zwerg Tungdil, und kämpfen sich ihren Weg frei.
Ein Entwicklungsroman der etwas anderen Art
Wie es sich für einen Entwicklungsroman gehört, werden die drei dunklen Helden gleich zu Anfang aus ihrer gewohnten Welt gestoßen. Sie verlieren unverschuldet ihr Zuhause und ihre privilegierte Stellung und müssen sich in einer tödlichen Umgebung bewähren. Anfangs jeder für sich allein, später gemeinsam. Die höllische Unterwelt Phondrasôn formt die drei Protagonisten wie ein Schmiedefeuer, gestählt kommen sie am Ende als ´bessere Albae´ heraus.
Firûsha durchläuft dabei die stärkste Veränderung. Anfangs ist sie noch eine unbedarfte junge Frau, die auf die Hilfe ihrer Brüder hofft. Zwar nutzt sie ihre wundervolle Stimme, um andere Wesen zu betören, und sie ist mit einem trotzigen Überlebenswillen ausgestattet, aber sie hat keinen echten Plan, um sich aus ihrer misslichen Lage zu befreien. Sie empfindet Mitleid mit Crotàgon, einem Alb, der ebenfalls in Phondrasôn lebt, als er ihr vom Verrat seines Gefährten berichtet, und sie sieht Mord als ein verdammungswürdiges Verbrechen an, dass sie würgen lässt. Kriegshandwerk interessiert sie nicht. Das ändert sich im Laufe des Geschehens, sie legt jegliche Gewissensbisse ab und wird zu einer ebenso blutrünstigen Kriegerin wie ihre Brüder.
Sisaroth und Tirîgon anfangs auseinander zu halten, fällt schwer, obwohl es heißt, sie seien von unterschiedlicher Wesensart. Besonders im Prolog, in dem Perspektivwechsel zwischen den Dreien ohne besondere Kennzeichnung stattfinden, und man sehr genau lesen muss, um die kursiv gedruckten Gedankengänge richtig zuordnen zu können. Erst im Laufe der Handlung durch die unterschiedlichen Abenteuer Sisaroths und Tirîgons schälen sich die Charaktereigenschaften der Brüder besser heraus.
Sisaroth, häufig missmutig, ist ein Hitzkopf, der leicht zur Weißglut gebracht werden kann, und danach strebt, größtmögliche magische Macht zu besitzen. Tirîgon ist am Anfang kein guter Krieger nach albischen Maßstäben. Dessen ist er sich bewusst, aber das tut seiner Arroganz keinen Abbruch. Er verlässt sich auf seinen Einfallsreichtum, seinen Verstand und seinen Willen und rühmt sich seiner taktischen Denkfähigkeit. Das es mit seinem strategischen Vermögen nicht weit her ist, zeigt sich daran, dass sein wundervoller Plan Folgen zeitigt, die er nicht im mindesten bedacht hatte und ihn mit einer großen Schuld beladen, obwohl die Konsequenzen auf der Hand lagen. Alle drei Geschwister lassen sich mehr von den Umständen treiben, als dass sie sich durch gezielte Planung profilieren. Die Lösung ihrer Probleme geschieht häufig durch glückliche Fügung.
Helden ohne Moral
Der Bodycount ist hoch, das wird sicher auch so von den Fans der Serie erwartet, und ist angesichts der Natur der Albae keine Wunder.
Gefühle zu zeigen ist nach albischen Standards verpönt. Das zeigt die Reaktion von Aïsolon, als er seine eigenen Kinder aufgrund von hieb- und stichfesten Zeugenaussagen verurteilt, ohne mit der Wimper zu zucken, und auch sein abweisendes Verhalten gegenüber der Mutter der Drillinge. Allerdings bedeutet der allgemeine Empathiemangel der Albae nicht, dass sie nichts empfinden. Die drei Protagonisten sind keine eiskalten Tötungsmaschinen, die gefühllos und streng rational ihre Feinde abschlachten, weil sie ihnen im Weg stehen, sondern im Gegenteil, sie sind haltlos emotional und genießen das Abschlachten. Sie sind launisch und lassen sich von ihren Begierden leiten, ohne großes Nachdenken. Markus Heitz führt seinen Helden Tirîgon vergnüglich vor, als er ihn der sexuellen Verlockung einer unbekannten Kriegerin erliegen lässt, obwohl er noch viel zu wenig über sie weiß. Der Krieger lässt sowohl Vorsicht und wie auch Rüstung fahren und springt zu Esmonäe in den Teich, ohne irgendwelche Fallen oder Gefahren zu bedenken. Ich musste unwillkürlich grinsen über diesen ´tollen´ Krieger, der schmilzt, wenn die verführerische Esmonäe ihm ein Lächeln schenkt, wie sein Herz pocht vor unbändigem Glück und seinen inneren Mahner erstickt.
Durch das Nebeneinanderstellen von ungezügelter Grausamkeit und gleichzeitiger Zärtlichkeit sind einige Szenen so schräg und absurd, das sie ins Komische gleiten. Wenn man sich die Turteltäubchen Tirîgon und Esmonäe bildlich vorstellt, wie sie sich in jeder unpassenden Situation küssen, umarmen und herzen, egal wie prekär die Lage ist, kann man eigentlich nur grinsen.
Ob man als Leser Gefallen findet an derart amoralischen Protagonisten, deren Egoismus nicht einmal halt vor den Normen der eigenen Gesellschaft macht, ist Geschmackssache. Mein Mitgefühl schmolz zunehmend im Verlauf der Handlung, ab der zweiten Hälfte des Buches wuchs der Mangel an Mitfiebermöglichkeit zu Gleichgültigkeit, und es war relativ egal, was mit ihnen geschah. Meine einzige Lesemotivation war dann nur noch das interessante, gut gestaltete Setting und die Frage nach dem Wie des Ausgangs.
Stilistisch lässt sich ´Dunkle Pfade´ wie vom Autor gewohnt flüssig und leicht lesen. Eine Kleinigkeit hat mich allerdings gestört. Die Albae sprechen gespreizt. Um ihren gehobenen Stil zu verdeutlichen, lässt der Autor sie in Dialogen meistens das Präteritum anstatt des üblichen Perfekts benutzen. Leider passen manche Ausdrücke nicht zu dieser gewollten Sprechweise. Wenn Crotàgon sagt: "In diesem Käfig kannst du mir nicht abhauen", dann passt das Wort "abhauen" einfach nicht zur sonstigen gehobenen Sprechweise. Dieses Einbrechen von gewöhnlicher Umgangssprache geschieht häufiger und irritiert.
Fazit
Markus Heitz beherrscht sein Universum, seine Ideen sind findig und kreativ. Wer die Zwerge und die ersten Teile der Albae-Reihe gelesen hat, wird sicher ohne zu zögern auch bei diesem dritten Band zugreifen. Aber auch für einen Neueinsteiger ist der Roman als Einzelwerk verständlich. Wie sehr man sich in die Albae-Welt hineinziehen lässt, hängt davon ab, ob man derart negative Protagonisten mag. Die Faszination des Bösen ist groß, und wenn man bedenkt, wie groß der Zulauf zu den Körperwelten von Gunter von Hagens war, dann ist ein albischer Künstler wie Tossàlor, der seine Kunstwerke aus Gebeinen schnitzt, für viele Menschen nicht allzu abartig.
(Anja Helmers, November 2012)
Markus Heitz, Piper
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