Die Moldau im Schrank

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  • Erschienen: Januar 2011
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Die Moldau im Schrank
Die Moldau im Schrank
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Verena Wolf
93°1001

Phantastik-Couch Rezension vonApr 2012

Raffinierter Parallelwelt-Krimi für Erwachsene

Das Debüt von Marewski kommt bereits auf den ersten Blick außergewöhnlich, ja exzentrisch rüber: der geheimnisvolle Titel ist mittig in gelben, dicken Großbuchstaben aufgedruckt, ja eingestanzt, der gut vier Zentimeter breite Buchrücken ist mit Zitaten aus dem Buch geschmückt und die Raubvogelaugen gleich zweier im Profil gemalter Mischwesen starren den Leser vom haptisch angenehmen lila-schwarz gehaltenen Cover an. Wenn man das Buch aufschlägt, prankt auf der ersten Seite folgendes Zitat:

"Mit Locken, die verwahrt in Schreinen schliefen,
So viel geheimes Leid, wie längst mein Hirn es barg." (Charles Baudelaire, Trübsinn)

Oha! Da drängt sich die Frage auf: ist "Die Moldau im Schrank" eher ein intellektuell exzentrisch bis anstrengend verkopftes Werk oder beeindruckend - auf gute Weise - wie die Hardcover-Aufmachung des Bilgerverlags nahe legt?

Zwischen Krimi und intelligenter Kopfphantastik

Worum geht es? Zu Beginn werden wir in die seltsame Alltagswelt des Kindes Mitja alias Markus geworfen, das in seinem Zimmer (das eigentlich nur eine versteckte Nische hinter einem Vorhang einer winzigen Wohnung ist) viel zu oft Ohrenzeuge wird, wie seine alleinstehende Mutter nachts Männer empfängt. Die Mutter-Sohn-Beziehung ist geprägt durch Kälte und der vergeblichen Sehnsucht des Sohnes nach echter Zuwendung. Als Mitja Zeuge wird, wie seine Mutter stirbt, deutet der Junge dieses traumatische Erlebnis auf furchtbare Weise um.

Wir verfolgen als Leser wie ein distanzierter Zuschauer den weiteren Lebensweg des Jungen: wie er ins Kinderheim kommt, dort aufwächst, später beruflich äußerst erfolgreich wird und er doch die ganze Zeit ein verschlossener, im wahrsten Sinne sexuell verrückter Mann ist, auch wenn man erst nach und nach die ganzen Ausmaße erkennen wird.

Was wäre, wenn alles anders gekommen wäre?

Parallel zu diesen Kapiteln lernen wir die Ich-Erzählerin Helena kennen. Eigentlich zufrieden lebt die 38-jährige mit ihren zwei Kindern und Mann Christian in Frankfurt. Sie führt ein alltägliches Leben, ohne besondere Höhen und Tiefen, bis etwas sehr Seltsames passiert, als sie sich mit einer Freundin treffen will. Eben lehnt Helena noch wartend an der Wand einer U-Bahnstation, als nächstes findet sie sich in einer Parallelwelt wieder, in der sie - für alle unsichtbar, unhörbar und unfühlbar - sich selbst begegnet. Sie bekommt eine einmalige Chance:

"Hast du jemals wissen wollen, was aus deinem Leben geworden wäre, wenn du dich an einem wichtigen Punkt für etwas anderes entschieden hättest?"
"Klar, diese Frage stellt sich jeder einmal."

Helena ist eine "Grenzgängerin". Sie kann in der Parallelwelt ihr Leben beobachten, wie es auch hätte kommen können und hier gekommen ist. Diese zweite Parallel-Helena, die sie als geistgleiche Beobachterin begleitet, ist kinderlos und hat dafür ihre Künstlerkarriere weiter voran getrieben. Sie ist auf dem Sprung, eine bekannte Malerin zu werden.

Zwischen Grenzgängerin und Schicksalsveränderin

Fasziniert beobachtet unsere Helena ihre Parallelexistenz. Aber dann wird sie beim Mäuschen spielen Zeuge, wie Helena dem erwachsenen Mitja begegnet, der ihr Mörder werden könnte. Sie möchte ihre Parallelexistenz retten. Aber wie kann sie das, wenn sie nicht eingreifen kann? Und darf sie überhaupt Schicksalsgöttin spielen? Kann man überhaupt sein Schicksal ändern oder ist es sowieso vorbestimmt? Äußerst spannend knöpft sich der Roman und die Hauptheldin diese philosophische Frage vor. Es ist ein brillanter Schachzug, dass Helena nicht so einfach in die Parallelgeschichte eingreifen kann wie in vielen Zeitreise- oder Parallelweltgeschichten, da es logischer erscheint und gleichzeitig die Brisanz erhöht. Auch tut es - nicht nur der Handlung - gut, dass die agierenden Personen keine Teenager sind, sondern erwachsene Menschen mit einer Vergangenheit und Geschichte, die sie prägt und bestimmt. Instinktiv sicher und gleichzeitig raffiniert feinfühlig ist der Erzählstil, der den Leser in die Handlung hinein zieht, die Story ist gut konstruiert und fesselnd. Auch das Ende kann sich sehen lassen.

Fazit: ein fesselnder, außergewöhnlicher Roman, der garantiert im Kopf bleibt. Ein intelligentes Erzähljuwel, das vollkommen zu Recht mit dem SERAPH 2012 ausgezeichnet worden ist. Chapeau!

(Verena Wolf, April 2012)

Die Moldau im Schrank

Nina Maria Marewski, -

Die Moldau im Schrank

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