Ready Player One
- Fischer
- Erschienen: Januar 2012
- 7
Der heilige Gral der Nerd-Kultur
Künstliche Welten
Unser Planet hat in der dystopischen Zukunftsvision von Ernest Cline schon wahrlich bessere Zeiten gesehen. Die Erde steht durch die rücksichtslose Ausbeutung von Rohstoffen bedrohlich nahe am Abgrund und skrupellose Mega-Konzerne stopfen sich die Taschen voll. Nie war die Kluft zwischen Arm und Reich größer und ein Hauptteil der Bevölkerung fristet ein trostloses Dasein in aufgetürmten Wohnwagensiedlungen. In so einem heruntergekommenen Trailer-Park, am Stadtrand von Oklahoma City, lebt auch der 18-jährige Wade Watts, der nach dem Tod seiner Mutter bei seiner Tante untergekommen ist. Der Junge verbringt jede freie Minute in der OASIS und drückt auch dort die virtuelle Schulbank. Nur in dieser Scheinwelt fühlt er sich frei und nennt sein digitales Alter-Ego Parzival, nach einem der Ritter der Tafelrunde aus der Artus-Sage.
Als der Schöpfer der OASIS stirbt und der Menschheit in seinem Testament von einem „Easter Egg“ berichtet, dass es zu finden gilt, um sein gesamtes Vermögen und die Kontrolle über seinen Konzern, inklusive der OASIS, zu erben, ist die Resonanz gewaltig. Jäger-Clans und Solo-Schatzsucher haben nur noch ein Ziel: James Hallidays kryptische Botschaft zu entschlüsseln als Erster das „Easter Egg“ zu finden.
Jäger des verlorenen Schatzes
Auf der Jagd nach Hallidays Vermächtnis gilt es drei Schlüssel zu finden und mit ihnen die passenden Tore zu öffnen. Natürlich nimmt auch Parzival an der fieberhaften Suche Teil, doch ähnlich wie seine unzähligen Konkurrenten tappt er im Dunkeln… und das, obwohl er jede noch so unbedeutende Kleinigkeit über den OASIS-Schöpfer weiß und dessen Biografie auswendig kennt. All seine Lieblings-Serien, -Filme, -Bücher und –Lieder kann Wade zitieren und trotzdem läuft sein Avatar Parzival auf der Stelle. Das „Easter Egg“, das seinen Namen der Videospiel-Industrie verdankt, die seit Ewigkeiten kleine Botschaften oder amüsante Überraschungen in ihren Spielen versteckt, bleibt unentdeckt und mit zunehmender Zeit verblasst der erste Hype um Hallidays sagenumwobenes Erbe. Das Leader-Board, eine virtuelle Punktetabelle für die Schatzsuche, bleibt leer und somit ohne Punktestand. Zu schwer scheint Hallydays erstes Rätsel, zu endlos die Möglichkeiten im ausufernden OASIS-Kosmos, mit seinen unzähligen Planeten.
Freund und Feind
Parzival, der seine Suche im Alleingang unternimmt trifft sich regelmäßig mit seinem „Freund“ Aech, der auch solo unterwegs ist, ihm aber im realen Leben unbekannt ist. In einem virtuellen Unterschlupf in der OASIS tauschen sie sich aus, ohne einander unfreiwillige Tipps zu geben.
Als Parzival endlich das erste Rätsel lösen kann, trifft er auf eine weitere Kontrahentin, die ebenfalls im Begriff ist zu punkten: die berühmte Jägerin und Online-Bloggerin Atr3mis, auf die Wade schon beim regelmäßigen studieren ihres Blogs ein Auge geworfen hat.
Die ganze Welt hält den Atem an, als der Name „PARZIVAL“ auf dem Score-Board erscheint. Der Erste, der im Wettlauf um die vollkommene Kontrolle über die OASIS punkten konnte. Doch damit ist es nicht getan, denn James Halliday gibt seine Schöpfung nicht nur für das „simple“ Lösen eines Rätsels aus der digitalen Hand. Neben den schier unüberwindlichen Herausforderungen, die noch auf Parzival und seine Freunde warten, sitzt ihnen noch ein gefährlicher Gegner im Nacken, gegen den alle Jäger-Clans wie blutige Anfänger wirken. Der Konzern „Innovative Online Industries“, kurz IOI, hatte es schon zu Lebzeiten auf Hallidays Firma „Gregarious Simulation Systems“ (GSS) abgesehen und schreckt auch nach dessen Ableben vor nichts zurück, um die OASIS an sich zu reißen. IOIs bester und skrupellosester Handlanger ist Parzival und seinen Jäger-Freunden mit einem Experten-Team bedrohlich nah auf den Fersen und schreckt auch vor „Kollateralschäden“ nicht zurück. Der Hype um das Erbe ist erneut ausgebrochen und die halsbrecherische Jagd hat gerade erst begonnen. „READY PLAYER ONE“ ?
Das Nerd-Herz springt im Dreieck!
Der 1972 geborene US-Schriftsteller und Drehbuchautor Ernest Cline ist ein Vollblut-Geek, wie er im Buche steht. Er kaufte sich einen DeLoren DMC-12 und ließ den Wagen herrichten, wie die Zeitmaschine aus dem Kult-Klassiker „Zurück in die Zukunft“. Wenn so jemand einen Roman schreibt und mit popkulturellen Reminiszenzen und liebgewonnenen 80er-Charakteren nur so um sich wirft, dazu noch haufenweise TV-Klassiker und Pop-Songs zitiert, Videospielen aus längst vergangenen Tagen huldigt und dann noch Filme aufzählt, von denen ich dachte, dass nur ich sie kenne, dann… ja, dann weiß ich, dass ich den Jackpot aus dem Bücherregal gezogen habe! Das bunte Jahrzehnt der 1980er liegt Ernest Cline am Herzen… und das merkt man auf jeder der 544 Seiten seines eindrucksvollen Debüt-Romans. Cline schreibt flüssig, detailliert und versteht es, Spannung aufzubauen. Er schafft es, dem Leser seine künstliche Welt vor dem inneren Auge greifbar und real erscheinen zu lassen. Mitreißende Science Fiction und tonnenweise Fan-Service geben sich hier die Klinke in die Hand und packende Thriller-Elemente lassen die spannende Schatzsuche im Virtual Reality-Style wie einen überdimensionalen Abenteuer-Film auf der imaginären Leinwand flimmern. Moment… da war ja noch was…
Vorhang auf!
Kein geringerer als Blockbuster-Garant Steven Spielberg sicherte sich den Stoff, der inhaltlich gleich mehrere Film-Trilogien füllen könnte und bringt „Ready Player One“ in die weltweiten Lichtspielhäuser. Ich prophezeie dem Streifen vorab schon mal den bisher längsten Abspann der Filmgeschichte, denn allein ein Blick in die ersten Ankündigungstrailer verrät, dass sich in der OASIS, Pixel an Pixel, die bekanntesten und beliebtesten Charaktere der Videospiel-, Comic-, Film- und Seriengeschichte tummeln werden. Die Copyright-Verweise dürften jeden Rahmen sprengen, denn allein in den kurzen Ausschnitten waren Charaktere aus dem Online-Game „Overwatch“, der DeLorean aus „Zurück in die Zukunft“ – verziert mit K.I.T.T.s pulsierender Lichtleiste aus „Knight Rider“ und einem netten Aufkleber mit dem „Ghostbusters“-Logo - , „Tomb Raider“ Lara Croft , Mörderpuppe „Chucky“, Teenie-Schlitzer „Jason Voorhees“, die Karre des „Speed Racer“, das 1966er „Batmobil“, Kanedas Motorrad aus dem Kult-Manga „Akira“, „King Kong“, „Harley Quinn“ und ihr „Joker“, Chun-Li aus „Street Fighter“, der Turtles-Klon „Battletoads“, der kultige Van des „A-Teams“ oder auch „Der Gigant aus dem All“ zu sehen… und das nur in einem 2 Minuten-Trailer!
Dass es Änderungen zur Romanvorlage geben wird, ist abzusehen. Kenner des Buches werden dies anhand der ersten bewegten Bilder sofort merken, dennoch ist meine Vorfreude riesengroß und dass Ernest Cline als Ko-Autor am Drehbuch mitgewirkt hat, lässt mich erleichtert aufatmen.
Darstellerisch dürfen wir uns auf Tye Sheridan in der Rolle von Wade/Parzival freuen und Newcomerin Olivia Cooke konnte bereits in der TV-Serie „Bates Motel“ und dem düsteren Thriller „The Limehouse Golem“ überzeugen. Sie übernimmt die Rolle der Art3mis. Mark Rylance, der einen Oscar für „Bridge of Spies“ erhielt, schlüpft in die Rolle des Spielleiters James Halliday. Als IOI-Gegenspieler Nolan Sorrento wird Ben Mendelsohn sein Können zeigen, den wir bald auch in „Captain Marvel“ und als Sheriff von Nottingham in einer „Robin Hood“-Neuauflage bewundern dürfen. In die Rolle von Hallidays Geschäftspartner Ogden Morrow schlüpft der immer gern gesehene Simon „Shaun of the Dead“ Pegg. Insgesamt ein vielversprechender Cast, der Hollywoods A-Riege erfreulicherweise mal links liegenlässt und auf unverbrauchte Gesichter setzt.
Jetzt muss der Mann, der „E.T.“ nach Hause telefonieren ließ nur noch – mehr oder weniger – vorlagengetreu abliefern...
Fazit:
Ernest Clines Erstlingswerk ist eine Bombe, in allen Belangen. Jeder Science Fiction-Freund, der annähernd etwas mit den 80ern anfangen kann und auch nur einmal in seinem Leben ein Videospiel gespielt hat, kommt an dieser Wundertüte, namens „Ready Player One“, nicht vorbei. Charmant, witzig, cool und voller Zitate, die den Nostalgie-Pegel durch die Decke gehen und das Nerd-Herz im Takt von Duran Durans „Wild Boys“ hüpfen lassen. Auf dass Ihnen auch der „Safety Dance“ der Men Without Hats für drei Wochen - nach Beenden des Buches - im Kopf herumspukt.
Ernest Cline, Fischer
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