Red Sky

  • Festa
  • Erschienen: Januar 2012
  • 5
Red Sky
Red Sky
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Michael Drewniok
85°1001

Phantastik-Couch Rezension vonMär 2012

Banditen gegen Killer-Kommandos & Mutanten

In El Paso, US-Staat Texas, läuft ein Banküberfall völlig aus dem Ruder. Profi-Gangster und Anführer Danny Black steht plötzlich zwischen toten Kunden und Polizeibeamten, Kumpan Dale hat eine Kugel im Bauch, seine psychopathische Geliebte Gina feuert auf alles, was sich bewegt. Nur der abgebrühte Nelson und Fahrer Wallace behalten die Nerven. Im Kugelhagel der Polizei gelingt die Flucht, doch Black weiß, dass die bis aufs Blut gereizten Gesetzeshüter die Bande unbarmherzig jagen wird, zumal sie die Bankangestellte Melanie als Geisel verschleppt haben.

Man muss irgendwo untertauchen. Dafür bietet sich die nahe und einsame Wüste von New Mexico an. Das Glück scheint den Flüchtigen sogar hold zu sein, denn sie finden ein ideales Versteck: Abseits der ohnehin wenigen Straßen stoßen sie auf eine verlassene Fabrik. Was "Red Sky Manufacturing" einst produziert hat, ist der Bande völlig egal, was sich als Fehler erweist: Kurz nachdem sie halbwegs häuslich niedergelassen haben, taucht ein Hubschrauber auf.

Drei mit Gasmasken, Schutzanzügen und Maschinengewehren ausgerüstete Soldaten werden abgesetzt, die nicht fackeln sondern sofort schießen, denn "Red Sky" ist ein düsteres Geheimnis, das die dafür verantwortlichen US-Militärs nicht an die Öffentlichkeit dringen lassen wollen. Illegale Menschenversuche sind hier im Gange, die ahnungslose "Red-Sky"-´Fabrikarbeiter´ zu grässlich missgestalteten und geistig vertierten Mutanten degenerieren ließen. Sie wurden nie eingefangen oder ausgerottet, sondern aus der Ferne beobachtet in der Fabrik zurückgelassen. Dort lauern sie auf jene seltenen Pechvögel, die sich in die dunklen Hallen und Gänge verirren.

Danny Black und seine Bande geraten zwischen die Killerschwadron und die Mutanten. Zwar reagieren sie angemessen entsetzt, aber sie erweisen sich als unerwartet zähe Gegner, die nicht nur bewaffnet, sondern auch entschlossen sind, ihre Haut so teuer wie möglich zu verkaufen - ein Vergleich, der den Nagel auf den Kopf trifft, da die Mutanten vor allem Menschenfleisch lieben. In der gewaltigen Ruine bricht ein apokalyptischer Kampf ohne Gnade aus ...

Noch ein Hügel der blutigen Augen?

Man muss als Autor über ein gesundes Selbstbewusstsein verfügen, um einen Roman wie "Red Sky" vorzulegen - eine Geschichte, deren Plot ebenso bar jeder Überraschung ist wie die Umsetzung, die zumindest der Freund des eher grenzwertigen Horrorfilms in praktisch jedem Detail wiedererkennt. "From Dusk till Dawn" und "The Hills Have Eyes" sind nur die beiden Grundpfeiler einer Story, die nichtsdestotrotz erstaunlich gut funktioniert, weil sich Nate Southard einer in dieser schattigen Region des Genres eher seltenen Tugend befleißigt: Er stellt das Handwerk der Idee gleich.

Dies mag als Qualitätsmerkmal merkwürdig klingen. Bei näherer Betrachtung erschließt sich jedoch der Sinn. Selbst dem Horror sind Grenzen gesetzt. Irgendwann ist die Grenze des Grausigen, Blutigen, Ekligen überschritten. Die weitere Zuspitzung entsprechender Effekte zeitigt verblüffend kontraproduktive Effekte: Die endlose Reihung gar grässlicher Übeltaten - gern gekoppelt mit dem Hinweis auf einen angeblichen "Trash"-Faktor, der ein intelligent-amüsantes Über-den-Dingen-Stehen signalisieren soll - ermüdet, langweilt oder, schlimmer noch, reizt zum Grinsen, weil es ab einem gewissen Punkt nur noch lächerlich ist.

Viel zu viele Filme und Bücher geraten in diese Falle. Grundsätzlich gilt für jede Unterhaltung (wie übrigens auch für die Kunst), dass echte Erstmaligkeiten selten sind und stets selten waren. Zwar akzeptieren die meisten (der im Horror-Genre aktiven) Autoren diese Erkenntnis. Aber es gibt mehr als genug Machwerke, deren Erzeuger es trotzdem versuchen und dabei jene Herausforderung ignorieren, die in der erfolgreichen Variation des Bekannten liegt.

Drei-Fronten-Krieg in großer Ruine

Southard nimmt als Geschichtenerzähler durch seine pragmatische Haltung für sich ein. "Red Sky" beginnt als Krimi und geht in lupenreinen Horror über. "Viele Leser vergleichen seinen harten, schnörkellosen Stil mit den Filmen von Quentin Tarantino", lesen wir in dem kurzen Autoreninfo, das die deutsche Ausgabe abschließt. Das trifft nur zum Teil zu, denn wer liebt den Schnörkel als Spiel mit den Standards und Klischees der Unterhaltung mehr als Tarantino?

"Hart" ist das Wort, das den Southard-Stil besser kennzeichnet. Die Geschichte setzt quasi mitten im längst angelaufenen Geschehen ein, die Figuren lernen wir - sofern und soweit dies nötig ist - im Laufe und im Spiegel der Ereignisse kennen. Das Tempo ist sofort mörderisch hoch: buchstäblich, denn wir finden uns inmitten eines katastrophal fehlgeschlagenen Bankraubs wieder.

In diesem Stil geht es weiter. Das Fluchtauto folgt nicht nur der staubigen Wüstenstraße, sondern auch deckungsgleich dem roten Handlungsfaden bis zur Fabrik in der Einsamkeit. Rückblenden gibt es nicht, Reflexionen sind die Ausnahme. Wir bleiben mit den Figuren im Hier & Jetzt, das von Southard mit genau der notwendigen Intensität dargestellt wird, ohne sich dabei mit unnötig detaillierten Hintergrund-Beschreibungen zu verzetteln.

Natürlich ist die Fabrik vor allem Kulisse, natürlich nutzen die Mutanten ihren Heimvorteil mit den entsprechenden Folgen aus. Ganz so einfach macht sich Southard das daraus resultierende Katz-und-Maus-Spiel jedoch nicht. Die Bankräuber sind untereinander zerstritten, und plötzlich tauchen Soldaten als ´Cleaner´ einer Regierung auf, deren Vertreter sich in Handlung und Moral überhaupt nicht von den ´echten´ Kriminellen (oder den ´Monstern´) unterscheiden.

Die Grenzen verwischen sich

In den malerisch unübersichtlichen Weiten der Fabrik tobt nunmehr ein Kampf zwischen Parteien, deren interne Solidaritäten ebenfalls fragwürdig bleiben. Die Frontlinien verändern sich ständig, wobei der Krieg sich vom Boden in unterirdische Höhlen und bis unter das Fabrikdach verlagert. Bewegung ist Trumpf, während die Schar der vom Regen in die Traufe geratenen Kombattanten ständig schrumpft; dabei sind zum Nutzen der Überzeugungskraft sämtliche Gruppen betroffen. Es kommt der Punkt, an dem die Überlebenden unter einer Schicht aus Blut und Dreck kaum mehr zu unterschieden sind: Die Evolution rückwärts vom ´zivilisierten´ Menschen zum ´Tier´, das allein dem Lebenserhaltungstrieb verpflichtet ist, verläuft nach Southard in der Krise mit bemerkenswerter Geschwindigkeit.

Der Kampf wird mit äußerster Härte ausgetragen, ohne dass Southard es nötig hat, sich in Hackfleisch-Details zu suhlen: "Red Sky" ist zwar alles andere als blutarm, erfreut aber auch durch den Verzicht auf den forcierten Tabubruch, den weniger souveräne Horror-Autoren immer wieder versuchen, ohne mehr als spätpubertäre Splatter- und peinliche Schweinigeleien zustande zu bringen. Stattdessen unterhält man sich nicht nur gut, sondern meint man vor dem geistigen Auge auch den Horror-Handwerker Southard zu beobachten, der die als Jongleur durch die Luft gewirbelten Bälle als stringente Kette von Ereignissen in Bewegung hält.

Gefechtspause als Leerlauf

Selbstverständlich lässt "Red Sky" oft die Mechanik der Handlung durchschimmern. Zudem kann (und will) der Autor nicht jedes Klischee vermeiden oder ignorieren. Die Möglichkeiten zur Nutzung des präsentierten Szenarios sind begrenzt: verfolgen, verstecken, raufen, töten. Southard sucht die Nähe, indem er die anfangs reichlich vorhandenen Schusswaffen nach und nach eliminiert. Schließlich gehen die letzten Kämpfer mit Feuer, improvisierten Speeren, blanken Fäusten und Zähnen aufeinander los: Die Urzeit hat uns wieder!

Systematisch beraubt Southard vor allem die Bankräuber und die Geisel ihrer Lebenskonstanten. Hier ist der Klischee-Faktor besonders hoch, denn natürlich sind auch die Räuber Menschen und sowieso eher Opfer der Umstände als ´richtige´ Gewaltverbrecher. Hier wird die Figurenzeichnung widersprüchlich; so wirken die Gewaltausbrüche des Danny Black als allzu offensichtlicher Hinweis auf eine dunkle Seite seiner Seele aufgesetzt. Ähnlich irrational bleibt die Wandlung der weiblichen Geisel zur potenziellen Gangsterbraut.

In diesem Zusammenhang sei abschließend abermals daran erinnert, was "Red Sky" ist: keine tiefgründige Literatur mit den Intellekt kitzelndem ´Nachbrenner´, sondern auf den Lese-Moment fixierte Unterhaltung. Auf dieser Ebene muss das Urteil zugunsten Southards ausfallen, der einen gar nicht so simplen Job einfach (und) gut erledigt.

(Dr. Michael Drewniok, März 2012)

Red Sky

Nate Southard, Festa

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