Der letzte Werwolf
- Fischer
- Erschienen: Januar 2012
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Das Tagebuch des letzten Werwolfs
Er ist der Letzte seiner Art. Nicht etwa die Evolution oder Naturkatastrophen haben seine Artgenossen vom Angesicht der Erde getilgt, sondern die WOKOP, die Weltorganisation zur Kontrolle okkulter Phänomene, ehemals ein kirchlicher Orden, der sich die Jagd auf alle übernatürlichen Wesen auf die Fahnen geschrieben hat, mittlerweile ein florierender internationaler Konzern, der sich der Auslöschung der letzten Werwölfe widmet, ist für die Ausrottung seiner Art verantwortlich.
Vor einem Monat haben sie in Berlin Wolfgang, den vorletzten Werwolf geköpft. Jetzt ist er dran - Jack, der letzte der Gestaltwandler starb das erste Mal offiziell 1885, um dann als sein eigener Sohn sein Erbe anzutreten. Jahrhunderte später ist er nur noch müde. Selbst die willigen Gespielinnen die er sich von Escort-Diensten bestellt, und die ihn sexuell bestens bedienen, befriedigen nur seinen Trieb, können ihn aber nicht mehr aus seiner Lethargie reissen.
Tief innen will er, einsam und allein wie er ist, aufgeben. Doch die Jäger der WOKOP und die Vampire, die mit Hilfe seines infizierten Speichels hoffen zu Daywalkern zu werden, lassen ihn nicht so einfach davonkommen. Der Anführer der Jäger will eine letzte, spannende Jagd. Und sie wissen, wie sie Jack dazu bekommen, sich ihnen mit ganzem Einsatz noch einmal zu stellen - sie führen ihm das zu, was er seit zweihundert Jahren vergebens gesucht hat - einen weiblichen Werwolf ...
Realistisch, hart und doch auch nachdenklich
Bücher über Gestaltwandler gibt es viele. In unzähligen, einander inhaltlich meist ähnelnden Urban-Fantasies wird der Mythos um die Lycantropen aufgegriffen, begegnen uns Alpha-Männchen, die dominant, im Rudel oder allein ihre menschlichen Gespielinnen besteigen.
Glen Duncans Buch ist anders. Auch hier geht viel um Sex, um dreckige Spielarten sexueller Ausschweifungen und doch steht der Akt nie im Zentrum des Textes. Statt dessen berichtet uns der Autor eine ergreifende Geschichte voller Einsamkeit, unterschwelliger Verzweiflung und seinen ganz eigenen Lebensweisheiten.
Nicht immer muss man insbesondere bei letzteren mit dem Autor übereinstimmen, dessen oftmals zynische Sichtweise sicher nicht jedermanns Geschmack ist, aber der Roman nimmt seinen Leser eben durch die zwischen den Zeilen verborgenen Botschaften gefangen.
Vordergründig erwartet den Rezipienten »nur« die Geschichte einer spannenden Jagd voller unerwarteter Wendungen, mit vielen Gewaltschilderungen und den bereits erwähnten erotischen Darstellungen, doch nach und nach erschließt sich dem Leser ein Charakter, der leidet, der genug hat, der dann wieder Hoffnung schöpft und manipuliert wird.
Das ist ein einsamer Wolf, der Mitleid wie Bewunderung verdient, der von seiner Historie geprägt wurde, der aufgrund seiner Erlebnisse innerlich abgeschlossen hat. Bei all der Gewalt um ihn herum, dem Morden, zu dem ihn sein animalischer, innerer Bruder bei Vollmond verleitet, steht auch die Gewalt nie als Selbstzweck im Fokus. Die Jagd, das Fressen werden als Bestandteil seines Daseins geschildert, nie verklärt oder mystifiziert, sondern schlicht, wie die Libido auch, als Bestandteil seiner Existenz dargestellt.
Das hat ein ganz eigenes Tempo, entfaltet seine erzählerische Kraft erst nach und nach, nimmt den Leser aber dann auf eigenen Wegen mit zu einer faszinierenden Nabelschau des Ich-Erzählers.
(Carsten Kuhr, März 2012)
Glen Duncan, Fischer
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