Silberklinge

  • Droemer-Knaur
  • Erschienen: Januar 2012
  • 0
Silberklinge
Silberklinge
Wertung wird geladen
Carsten Kuhr
67°1001

Phantastik-Couch Rezension vonFeb 2012

Alternativwelt-Roman voller historischer Details

Geht man nach dem verlagsseitigem Waschzettel, so erwartet den Leser die Geschichte eines Assassinen in Venedig, der der Romanze wegen auf Abwege gerät. Nun, bis es denn auch nur mal ansatzweise soweit kommt, vergehen im Buch immerhin über 200 Seiten - 200 Blätter, in denen der Leser einem Venedig begegnet, das anders ist als bekannt und das mit der Zusammenfassung glücklicherweise wenig, nein gar nichts zu tun hat.

Wir schreiben das Jahr 1407. Willkommen in Venedig, einem der mächtigsten und bedeutendsten Reiche der Grimwood´schen Ära. Zu Beginn des 15. Jahrhunderts begegnet uns eine politisch-wirtschaftliche Welt, die sich von dem, was wir aus den Geschichtsbüchern kennen, markant unterscheidet.

Die Mameluken herrschen über Ägypten, Byzanz ist weiterhin eine Metropole auf der Höhe seiner Macht, die Österreicher drängen von Norden über die Alpen und selbst das Deutsche Reich spielt im Mittelmeer eine nicht zu unterschätzende Rolle. In Venedig regiert, seitdem Marco Polo eine Mongolen-Prinzessin geheiratet hat, der Rat der Zehn dominiert von dem Dogen. Dass es sich bei diesem um einen geistig zurückgebliebenen Debilen handelt, kommt den unterschiedlichen Fraktionen im Rat zugute.

Es gilt eine Allianz mit Zypern zu schmieden, ein Bündnis, das Venedig seinen Reichtum, dem die Stadt seinen Seefahrern und Händlern verdankt, sichert. Alonzo, Onkel des Dogen, will seine Nichte mit den zypriotischen Herrscher verheiraten. Nachdem sie von ihrem älteren Gatten schwanger geworden ist, soll sie diesen vergiften, Zypern und damit das Tor zum Südlichen Mittelmeer fiele an Venedig.

Dass Prinzessin Giulietta entführt wird, dass Tycho, ein blassblonder Jüngling mit sagenhaften Kräften, sich in die junge Dame verliebt, war allerdings nicht vorgesehen. Dass der junge Mann kaum Erinnerungen an seine Vergangenheit hat, dass er beim Überqueren von Wasser so seine Schwierigkeiten hat, das Tageslicht meidet und sich von Blut ernährt, verweist darauf, dass es sich bei ihm um ein gefährliches Wesen handeln könnte.

Während Atilo, letzter überlebender General des besiegten Tunis und mittlerweile Admiral Venedigs und zugleich der Anführer der legendären Assassinen der Stadt, sich des jungen Wikingers annimmt, ihn ausbildet und in die Gilde aufnimmt, macht Tycho sich auf die Suche nach Guilietta und stört damit die Pläne des mächtigsten Mannes Venedigs ...

Das politische Intrigenspiel anschaulich aufbereitet

Der Brite J. C. Grimwood legt uns einen etwas anderen Vampir-Roman vor. Statt laszive Waschbrettbäuche und das ewig gleiche Tête-à-Tête mit Werwesen oder einer frustrierten Mid-Dreißigerin anzubieten, schafft er etwas, das selten ist.

Er nimmt eine historische Vorgabe, ändert die Parameter ab und zeigt uns eine historische Kulisse, die Authentizität atmet. So sehr der Leser auch die ersten gut hundert Seiten etwas orientierungslos in der Handlung herumirrt, es ist zumindest eine Bühne, die interessant, überaus detailreich und überzeugend ausgestaltet ist. Das politische Intrigenspiel, das in der Stadt der Kanäle und Gondeln immer schon perfekt inszeniert wurde, wird anschaulich aufbereitet, wobei der Fokus gerade zu Beginn etwas oft wechselt.

En Passent erhält der Rezipient aber dabei dann einen umfassenden Einblick in die politische Situation - die einander misstrauisch, ja feindlich beäugenden Geschwister, die Duchess Alexa und Regent Alonzo, ihre jeweiligen Helfer und Helfeshelfer, aber auch die ungeschminkte Wahrheit um die Lebensumstände im damaligen Venedig werden uns nahe gebracht. Dabei agieren die Charaktere in ihrer jeweiligen Rolle stimmig. Die alltägliche Brutalität, der Kampf ums Überleben wird deutlich und wahrheitsgemäss geschildert.

In diese ebenso farbenprächtige wie von Armut und Not geprägte Welt führt der Autor dann fast nebenbei seine übernatürliche, Wesen ein. Seien es die deutschen Werwesen, die Vampire oder Hexen, sie fügen sich stimmig ins Bild ein.

Nachdem sich der Autor für die Einführung in seine Welt Zeit genommen hat, nimmt der Plot Fahrt auf, fesseln uns Kampfbeschreibungen und Rätsel, Intrigen und Morde an die Seiten. Zwar konzentriert Grimwood sich fast zu sehr auf sein Triumvirat an Erzählern (Atilo, Tycho und Giulietta) und nutzt insbesondere die beiden Strippenzieher im Hintergrund, den Regenten und dessen Schwester für meinen Geschmack noch zu wenig, dennoch ist das Bild, das er von Venedig und seinen Bewohnern zeichnet, beeindruckend.

Der Roman verwöhnt zudem mit einem befriedigenden Finale, lässt aber auch noch Mysterien und Fragen für die beiden in Vorbereitung befindlichen Bände der Trilogie offen. Insoweit ein, nach einer anfänglich etwas verwirrenden Lektüre tollen Alternativwelt-Roman voller historischer Details und faszinierenden Personen.

(Carsten Kuhr, Februar 2012)

Silberklinge

Jon Courtenay Grimwood, Droemer-Knaur

Silberklinge

Ähnliche Bücher:

Deine Meinung zu »Silberklinge«

Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!

Letzte Kommentare:
Loading
Loading
Letzte Kommentare:
Loading
Loading

Sci-Fi & Mystery
(MUSIC.FOR.BOOKS)

Du hast das Buch. Wir haben den Soundtrack. Jetzt kannst Du beim Lesen noch mehr eintauchen in die Geschichte. Thematisch abgestimmte Kompositionen bieten Dir die passende Klangkulisse für noch mehr Atmosphäre auf jeder Seite.

Sci-Fi & Mystery