Omen - Das Horror-Journal Nr. 2
- Festa
- Erschienen: Januar 2004
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Artikel:
Dem Vorwort des Herausgebers Frank Festa (S. 4/5), der sich für die Leserresonanz auf den ersten Omen-Band bedankt und dem Horror auf dem deutschen Buchmarkt eine optimistische Prognose stellt, folgt mit „Mister Bradbury“ (S. 25-28) ein erster Bericht der „Omen-USA-Korrespondentin“ Paula Guran, die einen öffentlichen Auftritt des Phantastik-Veteranen Ray Bradbury erlebte. Auch die nächsten drei Beiträge stammen von Guran: ein „Interview mit Clive Barker“ (S. 49-69), gefolgt von einer ‚Ergänzung‘, die dem Schriftsteller den Maler und Zeichner Barker zur Seite stellt: „Die Kunst des Clive Barker“ (S. 89-96). Schließlich gibt es ein „Interview mit Neil Gaiman“ (S. 97-104). Konstantin Paustowski erinnert an das unglückliche Leben und das reiche Werk des russischen Schriftstellers Alexander Grin (S. 115-133). Dirk Berger führte das dritte Interview dieses Journals mit Tim Powers (S. 150-165).
Storys:
- Brian McNaughton: Meryphillia (Meryphillia; 1990), S. 7-28: Ein weiblicher Ghoul verliebt sich in einen überspannten Dichter und beweist eindrucksvoll, dass Liebe tatsächlich durch den Magen gehen kann.
- Howard Phillips Lovecraft: Pickmans Modell (Pickman‘s Model; 1927), S. 30-44: Die schrecklichen Nachtmahre, die ein junger Maler auf die Leinwand bannt, wirken nicht grundlos so lebensecht.
- Daniela Klug & Stefan Krüger: Jack, der U-Bahn-Klopfer (2005), S. 45-48: Ein gelangweilter Streckenwärter verfällt tief unter der Erde seiner Angst vor der Finsternis.
- Henry Kuttner: Das Geheimnis von Schloss Kralitz (The Secret of Kralitz; 1936), S. 70-77: Der 21. Nachkomme eines verderbten Adelsgeschlechts lernt den Familienfluch kennen.
- John Metcalfe: Das Ödland (The Bad Lands, 1925), S. 78-88: Eine Art Raumfalte verschafft dem nervenschwachen Kurgast Zugang in eine fremde Dimension, deren böses Herz er mit einem reinigenden Feuer auszubrennen gedenkt.
- Tim Powers: Wo sie lauern (Where They Are Hide, 1995), S. 166-191: Der Zeitreisende springt durch die Jahrzehnte und tilgt unerfreuliche Handlungsträger aus der Weltgeschichte, die indes als übellaunige „Zeitgeister“ in die Gegenoffensive gehen.
- William Hope Hodgson: Die Insel des Ud (The Island of the Ud, 1912), S. 192-214: Auf einer einsamen Südseeinsel steht ein mit Perlen geschmückter Totempfahl, auf den es ein habgieriger Kapitän abgesehen hat; freilich steht allerlei Monsterpack zwischen ihm und dem ersehnten Reichtum.
Sonstiges:
Brian Calvin Andersons Kurzcomic „Teddybär“ (S. 105-114) erzählt von den Schrecken, die in einem nächtlichen Kinderzimmer hausen können.
Unter dem Titel „Fenster zur Phantastik“ rezensieren Jan Gardemann, Malte S. Sembten und Uwe Vöhl verschiedene deutschsprachige Horrortitel der vergangenen Monate (S. 134-149, 219-222). Diverse Leserbriefe, die Herausgeber Festa selbst beantwortet, schließen „Omen 2“ ab (S. 215-218).
Informationsvermittlung ist kompliziert …
Gleich vierfach ist Paula Guran mit einschlägigen Horror-Beiträgen vertreten. Warum dies so bzw. wer diese Dame eigentlich ist, enthält uns das „Omen“-Team vor. Eigene Nachforschungen ergaben, dass ihr Ruf als Genre-Expertin wohlbegründet ist und ihre Verbindungen zu jenen, die ‚in Horror machen‘, wertvoll und ertragreich sind. Die Interviews mit Barker und Gaiman wurden professionell geführt und sind informativ. Der Artikel über den Künstler Clive Barker fällt zwar subjektiv aus (woraus die Verfasserin keinen Hehl macht), ist aber ebenfalls interessant.
Missfallen erregt hingegen der Beitrag über Ray Bradbury, der an mittelalterliche Heiligenverklärung grenzt, aber immerhin den US-amerikanischen Hang zur organisierten Gefühlsduselei verdeutlicht. („Dennoch waren wir zu Tränen gerührt. Wir nahmen mehr mit, als wir mitgebracht hatten. Wir waren inspiriert worden.“ - S. 28) verdeutlicht. Wohltuend sachlich und konzentriert befragt Dirk Berger einen offensichtlich gut gelaunten Tim Powers.
Erst irritiert, dann zunehmend ärgerlich macht die Lektüre von „Über Alexander Grin“. Der Anlass war (wahrscheinlich) der Geburtstag des russischen Schriftstellers (1880-1932), der sich zum 125. Male jährt. Natürlich braucht es keinen direkten Grund, um an den Verfasser phantastisch-romantischer Meisterwerke wie „Purpursegel“, „Tod durch Ratten“ oder „Wogengleiter“ zu erinnern. Dies sollte dann nicht durch einen Artikel geschehen, der völlig veraltet und höchstens noch - wenn überhaupt - als zeithistorisches Dokument lesbar ist. Konstantin Paustowski (1892-1968) schrieb als strammer (bzw. vorsichtiger) Bolschewist in einer Sowjetunion, die „Abweichler“ auch in der Kunst mundtot machte. Aus dem Menschen und Schriftsteller Grin, der sowohl im Zarenreich als auch nach der Revolution trotz eher hilfloser Anbiederungsversuche ein missachteter und verfolgter Außenseiter blieb, macht Paustowski nachträglich einen Kulturrevolutionär im Geiste Lenins. Auch sonst müssen die wenigen biografischen und literaturgeschichtlichen Fakten aus einem Wust von Politkitsch, paustowskischen Treuebekenntnissen zum Sowjetregime und schwülstig literarisierten Episoden der Grin-Vita geklaubt werden. Ob Paustowski einst so schreiben musste, ist an dieser Stelle irrelevant. Im 21. Jahrhundert und Jahre nach dem Ende der Sowjetdiktatur des Geistes dürfte es bessere Artikel über Grin und sein Werk geben. Wer Grin war und was seine Arbeiten (nicht nur unter phantastischen Aspekten) zu etwas Besonderem macht, bleibt hier jedenfalls ungesagt.
Ein Bündel unterhaltsamen Grusels
Die Kurzgeschichten übertreffen den redaktionellen Teil an Qualität. Modernes (McNaughton, Powers) mischt sich mit Klassischem (Lovecraft, Kuttner, Metcalfe, Hodgson), wobei wie in „Omen“ Nr. 1 echte Neu- bzw. Wiederentdeckungen zu verzeichnen sind. McNaughton balanciert mit seiner Story um eine in Liebe entflammte Leichenfresserin auf dem schmalen Grat zwischen Ernst und Parodie, wobei der fabelhafte Schwarzhumor dem grotesken Geschehen eine ganz besondere Note (bzw. Hautgout …) verleiht. Kuttner - hier mit einem ansehnlichen Lovecraft-Pastiche - ist schon lange vom deutschen Phantastik-Buchmarkt verschwunden, Metcalfe praktisch ein Unbekannter, was in beiden Fällen ein Trauerspiel darstellt. Besonderes Lob verdient Tim Powers mit einer vertrackten Zeitreise-Story, die neben den Robert-A.-Heinlein-Klassikern „By His Bootstrap“ (1941; dt. „Im Kreis“) und „All You Zombies“ (1959; dt. „Entführung in die Zukunft“) ausgezeichnet bestehen kann.
Musste H. P. Lovecrafts x-fach nachgedruckte Story um den Monster-Maler Pickman unbedingt Wiederauferstehung feiern? Natürlich bleibt „Pickmans Modell“ ein Klassiker mit ungebrochener Gruselwirkung (auch wenn die Auflösung wohl niemanden mehr überraschen kann). Apropos Auflösung: Endlich erfährt der Leser, was auf der „Insel des Ud“ wirklich geschah. Technische Probleme machten in „Omen Nr. 1“ aus W. H. Hodgsons Meeres-Schauder unbeabsichtigt einen Zweiteiler. Nun folgen nicht nur die unter den Tisch gefallenen Seiten, sondern noch einmal die gesamte Story, was sicherlich die richtige Entscheidung ist.
Zu den weisen Entscheidungen zählt die Entscheidung, dem deutschen Grusel dieses Mal nur eine Gelegenheit zur Lautäußerung zu gewähren. Obwohl gleich als Doppelpack aktiv, gelingt (bzw. misslingt) dem Autorenduo Klug & Krüger nur eine bis ins vorhersehbare Finale spannungslose Fanstory im Groschenheft-Stil. Ebenfalls überraschungsarm, aber ansprechend schwarzweiß (und wortlos) präsentiert Brian Calvin Anderson die Mär vom Kinderspielzeug, in das der Teufel fährt.
Kommentiert & rezensiert
Die Leserbriefe äußern (positive wie negative) Kritik zur „Omen“-Ausgabe Nr. 1; sie dienen Herausgeber Frank Festa als Podium für allgemeine Aussagen zu Form und Inhalt des Journals. So nimmt er beispielsweise zur „Festa-Lastigkeit“ der im Journal vorgestellten Autoren Stellung, die er weder bestreitet noch zu ändern gedenkt. Das „Omen“ ist in der Tat Informations- und Werbeträger gleichzeitig, was uns in der Nr. 3 eine Art Brian-Lumley-Sonderausgabe bescherte.
Diplomatisch und mutig zugleich nimmt der Hausherr Morgenluft witternden Nachwuchsautoren aus deutschen Landen den Wind aus den Segeln und bittet vor der Einsendung einer mit Herzblut geschriebenen, aber oft Hirnschmalz (und Grammatik) entbehrenden Story noch einmal Selbstkritik walten zu lassen.
Was die Rezensionen angeht, so befassen sich diese ausschließlich mit deutschsprachigen aber nicht von Festa verlegten Werken; eine Zurückhaltung, die hier unnötig ist, da das hauseigene Programm viele Titel umfasst, die eine Besprechung eher verdienten als die ausgewählten, meist mittelmäßigen Romane und Story-Sammlungen.
Fazit:
Sechs Artikel und sieben Horrorstorys, dazu ein Kurzcomic, Rezensionen und Leserbriefe: Das „Omen“-Journal präsentiert sich in seiner zweiten Ausgabe sowohl vielfältiger als auch seitenstärker. Dem Genre-Fan bieten sich Blicke hinter die Kulissen diverser Horrorbühnen, die zum Teil sehr erhellend, manchmal jedoch überflüssig oder sogar eine Zumutung sind. Dennoch: Zur ersten Ausgabe lassen sich deutliche Fortschritte erkennen.
Frank Festa, Festa
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