Der Dieb im festen Griff des Magus
Er war der berühmteste Dieb der Stadt, nein des ganzen Königreichs. Bis Gen eine Wette einging, dass er das Siegel des Königs stehlen könne - und ihm das Kunststück auch noch gelang. Als er seine Beute angeberisch herumzeigte, wurde er festgenommen und ins Gefängnis geworfen. Zu seiner Verhandlung kam die halbe Stadt, seine Prahlereien, dass ein Gefängnis, das ihn zu halten vermag, erst noch gebaut werden muss, erwies sich als genau das - Prahlerei.
Ein halbes Jahr später ist er abgemagert, verdreckt, wund gescheuert, aber aufmüpfig wie eh und je, als ihn der königliche Magus aus seiner Zelle befreit. Er benötigt die Dienste eines Diebes - eines Meisterdiebes, gilt es doch einen lang verschollenen Stein der Götter an sich zu bringen, der schon für viele Schatzjäger ein abruptes Ende ihres Daseins bedeutet hat. Ihr Weg führt die beiden über Pässe und durch verlassene Olivenwälder in ein verfeindetes Königreich. Kaum hat Gen seinen Auftrag allen Widerständen zum Trotz erfüllt, da schlägt das Schicksal erbarmungslos zu - die Expedition wird verraten und gerät in Gefangenschaft, der Stein verliert sich scheinbar in einem schäumenden Fluss ...
Gewaltarme Fantasy auch für jugendliche Leser geeignet
Während man als Leser sonst immer Monate, wenn nicht Jahre warten muss, bis eine Trilogie komplett und abgeschlossen vorliegt, geht der Blanvalet-Verlag vorliegend einen anderen Weg. Man veröffentlicht die gesamte Trilogie in einem Monat. Ob der Leser das Experiment goutiert, bleibt abzuwarten, ich persönlich finde die Idee bestechend.
Inhaltlich wartet auf den ersten Blick gewohntes Fantasy-Garn auf den Rezipienten. Einmal mehr geht es um eine Schatzsuche, steht ein junger, charismatischer Held im Mittelpunkt. Schaut man sich die Handlung dann einmal etwas näher an, werden Unterschiede schnell sichtbar.
Die Welt erinnert an ein mediterranes Vorbild, das die archaische Zeit hinter sich gelassen hat. Philosophen haben ihre Gedanken in Büchern niedergelegt, erste Schusswaffen sind im Gebrauch und auch mechanische Wunderwerke wie Taschenuhren gibt es.
Neben dem eigentlichen Plot - der Suche nach dem unsterblich machenden Stein, der zugleich die Königswürde verleiht - unterbricht die Autorin den Handlungsfluss immer wieder durch Geschichten, die sie ihre Protagonisten am Lagerfeuer erzählen lässt. In diesen berichten uns die jeweiligen Erzähler von der mannigfaltigen Götterwelt des Reiches und der Geschichte der Welt. So sehr diese Einschübe die eigentliche Handlung auch mit Hintergrund unterfüttern, unterbrechen sie doch den Lesefluss und wirken ein wenig störend.
Der eigentliche Plot ist spannend und abwechslungsreich aufgezogen, wartet mit einer mehr als unerwarteten Offenbarung im Finale auf und ist erfreulich gewaltarm ausgeführt. Es kommt zu Kämpfen, Menschen sterben, doch nie als Selbstzweck oder reines Spannungsmoment, sondern immer folgerichtig. Dabei wird der Täter von Gewissensbissen heimgesucht, ist von seiner Tat entsetzt. Das hebt sich wohltuend von den sonstigen Schlächtereien ab, macht das Werk auch für eine jüngere Zielgruppe zur geeigneten Lektüre.
(Carsten Kuhr, Dezember 2011)
Megan Whalen Turner, Blanvalet
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