Im Verlauf der Handlung zunehmend verworrener
Während einer Gerichtsverhandlung im Jahr 1944 lernen wir das Mädchen Rafaela kennen. Angeklagt ist ihr Vater, der für den Tod ihres kleinen Bruders verantwortlich sein soll. Rafaela lebt in ständiger Angst vor ihrem Vater, der sich in den letzten Jahren in einen Tyrannen verwandelt hat und sogar versucht hat, Rafaela zu ertränken. Auch das Leben ihrer Mutter hat er zerstört. Als sich abzeichnet, dass der Vater mit einem Freispruch davon kommt, tötet Rafaela ihn durch einen Stich mit einem Füllfederhalter ins Auge.
Rafaela verbringt die folgenden acht Jahre in einer psychiatrischen Anstalt, bis dort Aschamdon erscheint, ein übermenschliches Wesen, der Rafaela einen Handel anbietet. Sie soll für ihn arbeiten, dafür befreit er sie aus der Anstalt. Gezwungenermaßen willigt Rafaela ein und tritt dem "Orden des Sarastro" bei. Fortan lebt sie abgeschottet in einem Kloster, wo sie als Bannzauberin ausgebildet wird und für Aschamdon nach alten Informationen suchen soll. Dafür soll ihrer Mutter und ihren beiden noch lebenden Geschwistern geholfen werden.
Szenenwechsel in die Gegenwart: Der Antiquitätenhändler Atila steckt in einer finanziellen Klemme. Der finstere DeLucia hat ihn reingelegt. Dessen Geldeintreiber lassen nicht mit sich spaßen, wie Atila bereits körperlich spüren musste. Ein Tipp führt ihn nach Prag, wo ein altes Kartenspiel zum Verkauf steht. Doch hier hat er ebenso Pech wie bei den angebotenen Textseiten. Eine hübsche junge Frau namens Liya, offensichtlich eine Anfängerin im Antiquitätenhandel, überbietet ihn und verbrennt anschließend die erworbenen Blätter. Atila verliebt sich in die mysteriöse Liya, erhält jedoch kurze Zeit später die Nachricht, dass Liya bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist.
"Don't judge a book by its cover"
Aufmerksamkeit erweckt der erste Band der "Amizaras Chronik" jedoch zunächst durch sein äußeres Erscheinungsbild. Optisch verschönert der prachtvoll ausgestattete Band jedes Bücherregal. Schwarzes Lederimitat am Buchrücken, Vorder- und Rückseite hell marmoriert mit farbig gestalteten Symbolen, die im Verlauf der Handlung eine Rolle spielen. Die Innenseiten auf grauem, zum Rand hin dunkler werdenen, auf alt getrimmtem Papier. Jede Seite individuell mit zum Inhalt passenden Illustrationen gestaltet, deren Herkunft im Anhang akribisch aufgelistet wird.
Beim Lesen des Buches erinnert man sich automatisch des englischen Idioms "Don't judge a book by its cover". In diesem Falle jedoch eher im umgekehrten Sinn als dem allgemein gebräuchlichen gemeint.
Dabei krankt das Buch vor allem daran, dass der Autor die zu Beginn durchaus vorhandene Spannung nicht halten kann. Beide oben angerissenen Stories werden durchgehend abwechselnd in ca. 10-seitigen Kapiteln erzählt, ohne am Ende wirklich zusammengeführt zu werden. Je weiter das Geschehen voranschreitet, je mehr der mysteriösen Wesen in die Handlung eingebracht werden, um so verworrener wird der Plot. Engelartige Wesen lenken die Geschicke der Menschheit. Diese gehören verschiedenen rivalisierenden Gruppierungen an. Ich könnte das Geschehen nicht besser zusammenfassen als der verwirrte Atila:
"Prophezeiungen!", sagte Atila abfällig. "Finsteres Schicksal der Menschheit! Dunkle Kräfte! Haben jetzt alle den Verstand verloren?"
Zumindest muss man sich keine Gedanken darum machen, wer nun auf der Seite der Guten steht und wer zu den Bösen gehört. Im Prinzip stehen alle Charakter mehr oder weniger auf der finsteren Seite. Gegen Ende hin fiel es mir zunehmend schwerer, die Aschamdons, Amizaras, Ariochs, Azraels und Abbadons auseinander zu halten. Selbst die beiden Protagonisten vermögen kaum die Sympathien des Lesers zu erwecken. Dazu sind sie zu schwach und zu unausgegoren dargestellt. Durch das Einarbeiten von historisch verbürgten Charakteren versucht der Autor der Story eine gewisse Authentizität zu vermitteln. Genremäßig eindeutig einordnen lässt sich das Werk nicht. Es ist eine Mischung aus Urban Fantasy, Dark Fantasy und Mystery.
Jedes geklärte Rätsel wirft wieder mindestens zwei neue Fragen auf und der Leser fühlt sich wie Rafaela, die immer wieder glaubt, nun endlich mit Aschamdon quitt zu sein, jedoch von diesem hingehalten wird und schließlich merkt, dass sie in einem Teufelskreis steckt, aus dem sie nicht mehr heraus kommt.
Band 1 endet unbefriedigend und ohne einen wirklichen Abschluss. Das Ende des ersten Teils bildet vermutlich nur einen Einschnitt innerhalb der gesamten Chronik. Sicherlich machen die drei Bände nebeneinander im Bücherregal etwas her. Ob man aber wirklich wissen will, wie es mit Rafaela und Atila weiter geht, das muss jeder Leser für sich selbst entscheiden.
Egal, wie man das Buch des anonymen Autors Valerian Çaithoque beurteilt: der neugegründete Verlag "Amizaras Edition" bleibt durch diese Ausgabe auf jeden Fall im Gespäch.
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