Der Krähenturm
- Goldmann
- Erschienen: Januar 2011
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Hexen im Heidelberg des 16. Jahrhunderts
Einst war das Leben so einfach. Aus begütertem Hause stammend, machte sich Icherios Creihn auf, seinen Traum Medizin zu studieren wahr werden zu lassen. Doch dann wurde er anno 1770 in Karlsruhe vom Orden Occulto rekrutiert, und auf eine erste Mission entsandt. Bereits vorher aber machte er die Bekanntschaft mit Leid, Zweifel und dem Übernatürlichen. Sein bester Freund wurde in seinem Beisein ermordet, er selbst hat keine Erinnerung an den Tathergang. Hat er selbst vielleicht gar seinen Freund umgebracht?
Mehr noch, das was er bislang für Hirngespinste und Märchen hielt, die Existenz von Werwesen, Vampiren und Geistern, erweist sich als beklemmend real. Er selbst wird auf seiner ersten Mission mit dem Vampirkeim infiziert, wird zum Strigoi.
Nun entsendet ihn sein Meister nach Heidelberg. Hier soll er nicht nur seinen Traum verwirklichen, Medizin zu studieren, sondern auch dem örtlichen Leiter des Ordens auf die Finger schauen.
Das Studium erweist sich als Enttäuschung. Die Jesuiten lehren veraltetes Wissen, ein eigenständiges Forschen um des Fortschritts willen, wie Icherios es anstrebt, wird brutal und engstirnig unterdrückt. Damit nicht genug, gehen unheimliche Dinge in Heidelberg vor. Menschen verlieren ihre Schatten, werden ermordet und verschwinden, das Böse in Gestalt übernatürlicher Wesen regt sich.
Im Verlauf seiner Ermittlungen kommt Icherios dabei nicht nur mit einer Werratte, einer Hexe und Nixen in Kontakt, sondern auch mit einem Puppenspieler, dessen Kreationen von einem unnatürlichen Keim belebt werden. Wem kann er noch trauen, auf welche Hilfe soll er bauen, zumal er dem wahren Mörder seines Freundes auf der Spur ist?
Etwas überfrachtet, aber auch hohes Faszinationspotential
Im Frühjahr 2011 erschien der erste Band um die Abenteuer des jungen Freidenkers Icharios Creihn im Goldmann Verlag. Und was die Autoren-Debütantin damals vorlegte, das überraschte durch inhaltliche Eigenständigkeit, einen feinen, atmosphärisch dichten Stil und eine Welt, die sich so ganz anders präsentierte, als man dies gewohnt war. Minutiös recherchiert platzierte Fiedler ihren Plot in einer ungewöhnlichen Umgebung. Karlsruhe, der Schwarzwald im 16. Jahrhundert, das bot nicht nur Raum für die Darstellung des damaligen Lebens, sondern auch genügend Flair, um hier ihre Vampire und Hexen inhaltlich passend anzusiedeln.
Nun also, ein gutes halbes Jahr später, liegt die Fortsetzung vor. Vom badischen Karlsruhe zieht es unseren Studiosus gen Heidelberg, der Stadt des Wissens, der Forschung und der Studenten. Während die Adeligen ins benachbarte Mannheim abgewandert sind, der größte Teil der legendären Bibliothek zum Vatikan nach Rom verbracht wurde, bleibt Heidelberg nach wie vor eine Hochburg des Wissens und der Forschung. Ungenehmigte Untersuchungen an Leichen dürfen hier als Motiv ebenso wenig fehlen, wie die umtriebigen Gelage der Studenten oder verbohrten Kleriker.
In diese Umgebung greift die Autorin nun ein bereits im ersten Band gestreiftes Rätsel auf. Es geht um den Tod des Freundes, für den sich unser Protagonist nach wie vor verantwortlich fühlt. War er selbst schuld, und wenn nein, wer dann?
Dazu sieht er sich gezwungen, im Auftrag zweier Herren, des Ordens und seines alten Mäzens, eines Vampirs, geheime Untersuchungen voranzutreiben. Im eigenen Interesse erforscht er den Vampirkeim, sucht nach einer Kur gegen den Strigoi Virus, daneben soll er aber auch den zwielichtigen Anführer der Ordensniederlassung ausspionieren. Dass ihm dann noch die rätselhaften Morde dazwischenkommen, macht es für ihn nicht einfacher.
Auf den Leser wirkt all dies, obzwar es logisch in sich verzahnt ist, ein wenig überfrachtet. Gar zu viele Baustellen gilt es im Blick zu behalten, die Verwicklungen nehmen überhand, immer wieder tauchen alte wie neue Gestalten auf, gilt es neu zu überdenken, wie diese ins Mosaik passen, wie sich das Puzzle ändert.
Das hat, lässt man sich auf die mannigfaltigen Rätsel ein, ein hohes Faszinationpotential, sorgt aber auch dafür, dass sich die Lektüre nicht ganz so einfach und flüssig gestaltet, wie im Auftaktband.
(Carsten Kuhr, Februar 2012)
Kerstin Pflieger, Goldmann
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