Die Alchemie der Unsterblichkeit
- Goldmann
- Erschienen: Januar 2011
- 3
Viel schöner ist das Leben zu leben, anstatt nur von ihm zu lesen
Wir schreiben das Jahr 1771. Eine Hungersnot ohnegleichen sucht Baden heim, in Karlsruhe verhungern die Armen auf offener Straße. Auch der junge Gelehrte Icherios Ceihn, Abkömmling aus gutem Hause, der sich vom Elternhaus losgesagt ganz der Wissenschaft verschrieben hat, darbt. Um ein Stipendiat als Mediziner zu erhalten, hat er sich den Rosenkreuzern und ihrer "Kanzelley zur Inspektion übernatürlicher Begebenheiten" angeschlossen.
Sein erster eigenständiger Auftrag führt ihn auf den Pfaden eines Serienmörders in den tiefsten Schwarzwald. Schon die Fahrt mit der Pferdekutsche erweist sich dabei als Abenteuer. Gemieden von der abergläubischen Bevölkerung erreicht er das mitten im Dunklen Territorium gelegene Dornfelde. Was die Bauern, Vagabunden und Fahrensleut nur furchtsam im Schein der Lagerfeuer einander zuraunen, dass hier Werwölfe, Geister und Vampire ihr Unheil treiben, das erweist sich als wahr. Auch wenn unser dem Laudanum verfallene Icherios zunächst fast schon verzweifelt alles Übernatürliche negiert, krampfhaft versucht, sich wissenschaftliche Erklärungen für die Geschehnisse und Wesen einfallen zu lassen, muss er am Ende doch akzeptieren, dass sich ihm eine neue, bis dato undenkbare Welt erschließt.
Die Suche nach dem Täter der Morde erweist sich dabei als nicht minder schwierig, als die besondere Situation und die Opfer als das zu akzeptieren, was sie sind. Die einander misstrauisch, ja ablehnend und mit wachsender Feinschaft beäugenden Spezies, Zeugen, die Informationen und Beweismittel zurückhalten, Geheimnisse und Anfeindungen führen unseren Ermittler in herzoglichen Gnaden nur zu häufig auf falsche Fährten. Wird es ihm gelingen, den Mörder zu stellen bevor dieser sein alchemistisches Ritual beendet hat, und wird die explosive Stimmung im Dorf in einem Kampf der Spezies gegeneinander enden, ja wird unser intelligenter, wenn auch ein wenig gehemmter Studiosus den Ränken der lasziven Vampirfürstin verfallen - die Lektüre wird ihnen diese und weitere Fragen beantworten.
Beeindruckendes Debut aus deutschen Landen
Immer wieder einmal entdecken die Verlage neue, junge Autoren, die dem allgemeinen Kanon der phantastischen Veröffentlichungen ihren ganz eigenen Stempel aufdrücken können. Dies war bei Richard Schwartz ebenso der Fall wie bei Christoph Marzi oder Gesa Schwartz, und nun schickt sich eine neue Stimme an, das lesehungrige Volk mit ihrer ganz eigenen Mär zu beglücken.
Was Kerstin Pflieger mit ihrer ersten Romanveröffentlichung präsentiert, das ist beeindruckend. Mit scheinbar leichter Hand nimmt sie sich des eigentlich ausgelutschten Themas der Vampire und Werwölfe an, setzt diese in eine gerade für einen Roman ungewöhnliche Zeit und Gegend und überrascht mit kauzigen Figuren, verbindet diese, handwerklich überraschend versiert mit einer atmosphärisch dichten Beschreibung des Dorfes und legt dazu noch die Suche nach dem Who Did It obendrauf.
In der von Vorurteilen, Hass und Misstrauen geprägten Dorfgemeinschaft wird unser Protagonist angefeindet, ist sich selbst und seiner Sache unsicher. Ein immer wieder angesprochenes dunkles Geheimnis aus seiner Vergangenheit belastet den zunächst ganz seiner Ratio vertrauenden Mann zusätzlich. Im Verlag seiner Ermittlungen muss er so manche lieb gewonnenen Überzeugung abschwören, sich selbst, sein scheinbar festzementiertes Wissen hinterfragen und neu bewerten. Dazu kommt, dass er in der engen Gemeinschaft als Fremder von außen keine wirkliche Unterstützung erhält. Die zunächst vage bleibenden, später an Bedrohung noch zunehmenden Ereignisse im ihm unvertrauten Terrain mit Irrlichtern, Ghoulen und einem untoten Bären sorgen für weitere, atemberaubende Spannung. Zwar ist die Auflösung der Morde bereits relativ früh zu erahnen, kommt unser Anti-Held und mit diesem der Leser jedoch durch weitere, schmerzhafte Verluste und Opfer bis ins Finale nicht zum Atemholen. Stilistisch sehr ansprechend, inhaltlich packend und atmosphärisch dicht unterhält der Roman auf der ganzen Linie, und weckt Appetit auf die in Vorbereitung befindlichen weiteren Bände.
Kerstin Pflieger, Goldmann
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