Die Leichen des jungen Werther
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- Erschienen: Januar 2011
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Der Zombie-Klassiker made in Germany
Im Zeichen des Zombie-Booms in den Verlagshäusern hat man - beflügelt durch die Jane-Austen-Adaption "Stolz und Vorurteil und Zombies" - in den Verlagsbüros verzweifelt nach entsprechendem weiteren Lesefutter gesucht. Händeringend wurden die Agenturen bemüht, doch bitte entsprechende Werke aus dem anglo-amerikanischen Markt anzubieten. Der Stuttgarter Panini-Verlag ging einen anderen Weg. Man nutzte die guten Kontakte zu einheimischen Autoren und gab bislang zwei entsprechende Romane in Auftrag. Nach der Sissi-Hommage "Sissi, die Vampirjägerin" von Claudia Kern durfte sich nun die Autorin und Übersetzerin Susanne Picard an einen Klassiker der Deutschen Literatur wagen.
Wer kennt es nicht aus dem Deutschunterricht - das kleine, gelbe Reclam-Heftchen mit dem Leiden des jungen Werther? Stundenlang habe wir als Pennäler über den Worten Goethes gebrütet, uns mit dem Selbstmitleid des in die Provinz Verbannten auseinandergesetzt.
Genau hier setzt Picard, nicht nur äußerlich in dem den Reclam-Bänden nachempfundenen Titelbild an. In Briefen an seinen Freund schildert auch ihr Werther seinen tristen Alltag, nachdem er auf Anraten des Onkels sein Jurastudium zu Weimar aufgeben musste und in der Provinz das Arbeiten lernen soll. Im beschaulichen Waldheim soll er die Tochter des Kammerrats der Herzogin Therese von Wetterfeld vergessen und in guter Luft und mit viel Arbeit wieder auf den rechten Weg der Tugend zurückgeführt werden.
Gedemütigt von einer burschikosen Pensionswirtin, die ihm nicht einmal die dringend benötigten Kerzen zur Verfügung stellen will, damit er seinem in Weimar verbliebenen Freund Wilhelm sein Leid klagen kann, muss unser junger Schreiberling sehen, wo er bleibt. Da kommt es ihm gut zupass, dass die junge Witwe Bach im Zimmer nebenan ihre Kerzen gerne als Belohnung für das eine oder andere Schäferstündchen anbietet.
Zwar ist damit das dringendste hormonelle Bedürfnis gestillt, doch seine Seele sucht weiter nach einer Dame, die er anhimmeln kann. Und das Schicksal meint es gut mit ihm. In der stillen Lotte, Tochter aus guten Hause, findet er seine anbetungswürdige Minne. Allein ihr blasser, fast ins grünliche scheinender Teint ist ein wenig merkwürdig. Und was nur hat das mit der in der Gegend um sich greifenden Schändung des Viehbestands zu tun ...?
Sprachlich treffend und inhaltlich dem Trend ensprechend
Susanne Picard hat es sich wahrlich nicht einfach gemacht. Statt einfach das Grundgerüst der literarischen Vorgabe zu nehmen, und dieses mit untoten Wesen anzureichern, hat sie versucht, auch sprachlich ihr Werk dem Original anzupassen.
Und das gelingt ihr überraschend gut. Geschickt lehnt sie ihren Text eng an die Vorgaben des Sturm und Drang-Klassikers an, behält Ausdrucksweise und Begriffe des Originals ebenso bei wie die Verzweiflung des jungen Werthers angesichts seiner Verbannung in die Provinz. Statt des lockeren, ungebundenen Studentenlebens erwartet diesen harte Arbeit und wenig Zerstreuung. Um so überzeugender dann, dass er sich Ablenkung sucht. Neben der hohen Minne, für die er sich Lotte ausgespäht hat, kommt auch die fleischliche Lust mit der Witwe nicht zu kurz. Undenkbar aber, dass ihn mit dieser mehr als das wechselseitige Vergnügen verbindet. Erst nach und nach offenbart sich Werther und durch und mit diesem dem Leser die Heimsuchung der Gegend durch die Untoten. Geschickt lässt sich Picard Zeit damit, aus dem vorgegebenen Original in die phantastische Welt einzutauchen, die zudem dann noch ein wenig anders als erwartet endet.
Gerade die gelungene Reminiszenz an das Goethe´sche Original machen den Band zu einem Leseerlebnis der anderen Art. Das ist originell, packend und spannend, wenn auch aufgrund der altertümlichen Sprache sicherlich nicht jedermanns Geschmack..
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