Das Wörterbuch des Viktor Vau
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- Erschienen: Januar 2011
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Zukunftsroman um die Macht der Sprache
Das Cover von "Das Wörterbuch des Viktor Vau" ist sehr gekonnt so gestaltet, als ob man als Leser das Notizbuch des Wissenschaftlers selbst in Händen hält. Lob. In der Geschichte entwirft Ruebenstrunk ähnlich bekannter Dystopien wie "1984" eine zukünftige, totalitäre Gesellschaft mit einer Einheitsregierung. Allerdings haben sich revolutionäre Enklaven gehalten, die mit Bomben gegen das Regime angehen und versuchen, den allgegenwärtigen Kameras und dem Serienkiller zu entgehen, der die Hauptstadt in Angst und Schrecken versetzt. Viktor V ist das alles als zurückgezogen lebender Wissenschaftler herzlich egal. Aber auf einmal soll ein geheimnisvoller Zettel in einer fremden Sprache entziffert werden, die, wie der Linguist verblüfft entdeckt, auf einer Sprache basiert, die er entwickelt hat. Viktor taucht unter, denn sein Wörterbuch kann buchstäblich die Welt verändern oder hat das bereits in der Zukunft getan. Das haben auch verschiedene Forscher und Regierungen erkannt und setzen alles dran, Viktor zu finden.
Wir sind, was wir denken
Das Thema dieses Zukunftsromans fällt aus dem Rahmen. Die Vision des totalitären Überwachungsstaats ist schon oft - auch besser - verarbeitet worden. Bei Ruebenstrunk geht es vielmehr vor allem darum, in wie weit Sprache unser Denken und damit unsere Weltvorstellung und somit uns selbst prägt. "Das Wörterbuch des Viktor Vau" kreist also weniger um eine mögliche z. B. hochgradig technisierte Zukunft in allen Einzelheiten, als um ein Gedankenexperiment: Sprache als Instrument - oder Waffe. Hintergrund ist die - durchaus neurologische - Frage, wie die gefühlsbetonte rechte und die rationale linke Gehirnhälfte zusammen arbeiten und wie und mit welchen Auswirkungen dies beeinflusst werden könnte. Ruebenstrunk spielt diese Macht der Sprache so weit durch, dass eine vollkommen der Logik verschriebene Kommunikation den Menschen jede Kreativität und Gefühlsregung raubt. In dem Roman versuchen Menschen, diese Entwicklung aufzuhalten und schrecken dabei vor Zeitreisen nicht zurück. Dabei streift Ruebenstrunk gleichzeitig die typische Zeitreisen- und Schicksalsdebatte, ob man nicht gerade durch Taten, die gewisse Prozesse verhindern sollen, diese erst in Gang setzt.
Elemente verschiedener Genres intelligent kombiniert
"Das Wörterbuch des Viktor Vau" ist wie ein Krimi angelegt. Verschiedene Charaktere mit ihrer Vergangenheit und ihren Motiven werden vorgestellt. Da gibt es den Anarchisten ohne Papiere, in sich gekehrte Studenten, eine hübsche Assistentin, die dringend einen Job braucht, Kellner und gefährliche Geheimdienstler, Wissenschaftler und einen Mörder mit Spitznamen Florist. Bei vielen Figuren kommt man erst nach einiger Zeit hinter ihre wirklichen Beweggründe oder kann Identitäten korrekt zuordnen. Das erhöht die Spannung. Die verschiedenen Erzählstränge verwirren zuerst, ergänzen sich aber später gut. Und mit diesem Kniff kann der Autor mit verschiedenen Ort- und Zeitebenen spielen, was zum Schluss des Buches zu Aha-Effekten beim Leser führt.
Die Sprache hakt manchmal
Seltsam, da unpassend, ist allerdings der Erzählstil des Romans. Das irritiert besonders, da es in "Das Wörterbuch des Viktor Vau" ja um exakte Sprache geht und die Handlung zudem in der Zukunft spielen soll. Viele der Dialoge sind hölzern und statt der modernen Zeit angepasst wirkt der Stil des Romans und des Lebens verwirrend altmodisch. Außer einer Menge Kameras ist die Technik heutiger Standard - wenn überhaupt. Die Menschen gehen als modernste Freizeitbeschäftigung "gerne in Diskotheken aus" und ein Mann will keinen Sex, sondern "hat schließlich auch gewisse Bedürfnisse". Zudem sind einige Satzteile und einmal sogar ein ganzer Absatz eins zu eins doppelt in dem Buch verwendet. Das schmälert das Lesevergnügen. Insgesamt bleibt "Das Wörterbuch des Viktor Vau" aber ein wirklich ungewöhnlicher Zukunftsroman, der aus der Masse positiv heraus sticht und es wagt, interessante, wenn auch anspruchsvolle Themen statt dem üblichen Einerlei mit einer gehörigen Portion Gesellschaftskritik in einen Roman zu gießen.
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