Artemis Fowl. Der Atlantis-Komplex
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- Erschienen: Januar 2011
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Der geläuterte Verbrecher wird vom Täter zum Opfer
Eigentlich hatte Artemis Fowl sich das so richtig gut überlegt. Der Abschmelzung des ewigen Eises durch die Erderwärmung muss Einhalt geboten werden, und rechnen sollte sich das für ihn auch noch. Nichts leichter als das, eine geniale Erfindung gemacht und sie seinen Freunden, den Unterirdischen, verkauft, schon könnte die Weltenrettung beginnen.
Der aufmerksame Leser wird bemerkt haben, dass der letzte Satz im Konjunktiv verfasst wurde. Die Idee als solche war gut, doch dass ein eigentlich besiegter und im Gefängnis von Haven City sicher verwahrter, skrupelloser Gegner dafür sorgen würde, dass eine Raumsonde umprogrammiert und Artemis bei der Vorführung seiner Erfindung in Island direkt auf den Kopf fällt, dass Atlantis selbst die Vernichtung droht, sein Leibwächter Butler in Cancun Mexiko angegriffen wird, war so sicher nicht vorgesehen.
Dabei ist dies noch lange nicht das Schlimmste. Nein, da gibt es noch etwas, das viel, viel gravierender ist - Artemis Fowl leidet unter dem Atlantis Komplex - einer heimtückischen Krankheit, die zunächst zu einer Bewusstseinsstörung, später zu Schizophrenie führt. Und nur zu bald manifestiert sich Artemis' Alter Ego - Orion Fowl, wie er sich nennt, geht mit seinen sentimental-kitschigen Liebesschwüren nicht nur Foaly und Holly gehörig auf den Wecker ....
Die Luft ist raus - nette, kurzweilige Unterhaltung, allein es mangelt am Esprit der ersten Bände
Artemis Fowl, der geniale Gentleman-, pardon Gentlejunge-, schließlich ist er erst fünfzehn Jahre alt, Verbrecher ist wieder zurück. Als einer der größten und lange Zeit bestechendsten literarischen Konkurrenten zu Harry Potter gestartet, hat die Reihe in den letzten beiden Romanen deutlich an Fahrt und Esprit verloren. Den Running Gags fehlte ein wenig ihre Spritzigkeit, die Handlung drohte sich zu wiederholen oder driftete mit der Verlagerung auf die Welt der Dämonen ins Absurde ab. Insoweit ging ich mit deutlich reduzierten Erwartungen an die Lektüre des vorliegenden Bandes.
Und wirklich, so nett sich der Plot auch liest, es fehlt ein wenig das Besondere, das große Tempo, und die bestechenden Ideen. Das, was Artemis Fowl immer ausgezeichnet hat, die besondere Anlage des Protagonisten als zumindest auf den ersten Blick genialen Verbrecher, der dann aber doch das Richtige tut, es ist passé. Mit der Hinwendung zum Guten hat die Figur Artemis viel von ihrer Faszination verloren. Geniale Tüftler, die die Welt retten, da gab es schon viele, hier muss die Hauptfigur mit einer ganzen Reihe von Konkurrenten fertig werden.
Dazu kommt, dass Colfer sich zu sehr auf die bekannten Figuren (Foaly, Mulch, Holly, Butler) stützt, mit dem Pfund, das er durch die Unterirdischen und ihre Kultur hat, nicht länger wuchert. Statt hier neue Konflikte und Animositäten zu beschreiben, konzentriert er sich letztlich darauf, seinem Leser eine sentimentale Liebesgeschichte zu offerieren, die ab und an alte Stärken aufblitzen lässt, die sich auch flüssig liest, die aber leider nicht die Faszination ausstrahlt wie die ersten Bände.
Eoin Colfer, List
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