Mein fahler Freund
- Klett-Cotta
- Erschienen: Januar 2011
- 2
Und sie schlurfen wieder - die Zombies sind in der Hobbit-Presse angekommen
Letzte Jahr im Herbst geisterte es durch die Frankfurter Messehallen - der nächste große Trend nach den Vampiren, den Werwesen, Engeln und Dämonen geht zu den lebenden Toten. Zombies waren angesagt - wo man hinschaute und hinhörte, bereiteten die Verlage entsprechende Werke vor.
Nun ist die Hobbit-Presse des Klett-Cotta Verlages dafür bekannt, dass man gewiss nicht jedem kurzlebigen Trend hinterherläuft. Von der Urban Fantasy hielt man sich ebenso fern wie von der Romantic Mysterie, dazu ist ein gewisses literarisches Niveau Grundvoraussetzung, um im Stuttgarter Verlag publiziert zu werden.
"Wenn das Hirn abstirbt, klärt sich das Leben darin" (S. 82)
"Ich bin tot, aber es ist nicht so schlimm" - so stellt sich unser Ich-Erzähler im ersten Satz des Romans dem Leser vor. Er ist ein Zombie in einer Welt der wandelnden Toten. Leichen sagen sie zu sich selbst ungern, weckt es doch negative Gefühle. Und diese haben sie - wenn auch rudimentär - immer noch, insbesondere unser Erzähler R - an den Rest seines Namens kann er sich nicht erinnern.
Dass seine neue Zombiefrau ihn betrügt, soweit dies schlaff und trocken, stumpfsinnig sich aneinander reibend überhaupt möglich ist, stört ihn wenig, denn R hat ein Geheimnis. Nach dem Verzehr eines frischen Gehirns eines Jungen und der Übernahme der Erinnerungen des Jungen hat er dessen Freundin mit nach Hause genommen. Das zuhause erweist sich als Flughafen, genauer gesagt eine Boeing 747. Hier versteckt er die lebendige Julie vor den Knochen und den Zombies und baut nach und nach eine emotionale Beziehung auf.
Während die Zombie-Kinder in der von den Knochen geleiteten Schule lernen, wie man das Essen, sprich die lebenden Menschen jagt und zur Strecke bringt - geht immer auf die Kehle, Kinder, erst wenn sie wirklich tot sind, kommen die Gliedmaßen und das leckere Gehirn dran - hören sie in der Business Class Rs Plattensammlung, die gerade einmal bis 1999 reicht, zusammen an. Doch dann versuchen die Knochen, Julie habhaft zu werden, und den beiden bleibt nur ein Ausweg - aus dem Flughafen zu fliehen und sich dem Stadion und Julies Vater zu stellen ...
Die ergreifende Geschichte einer wahren Liebe
Isaac Marions Zombieroman ist ein wenig, nein, wenn ich ehrlich bin, sehr viel anders als die herkömmlichen Plots gängiger Zombiewerke. Zwar schlurfen auch Marions Untote mehr oder minder langsam und ungerichtet durch die Gegend, doch regt sich, zögerlich zunächst, später deutlicher, eine gewisse Intelligenz, ein Sehnen nicht nur nach stumpfsinniger Triebbefriedigung, sondern nach einem echten Wandel, ja nach Erlösung.
Geschickt, ja ergreifend, hat der Autor seine Liebesgeschichte aufgebaut, hat darin das zarte Pflänzchen der Hoffnung, das zunächst sehr vorsichtig sprießt, gehegt und gepflegt. Nun ist weder R noch Julie gängiges Heldenmaterial. Der Untote, so fürsorglich und bemüht er sich auch zeigt, ist nach wie vor ein Zombie, ernährt sich von den Lebenden, wirkt auf den ersten, oberflächlichen Blick damit natürlich abstoßend und ekelhaft.
Dass es dem Autor gelingt, uns diese Figur dann nahezubringen, ist erstaunlich. Wo sonst zumeist der Kampf der wenigen nicht infizierten Menschen gegen die stumpfsinnigen Horden der wandelnden Toten im Zentrum der Aufmerksamkeit steht, richtet der Autor vorliegend den Fokus auf die emotionale Seite der beiden so Ungleichen, lässt eher im Hintergrund das Bild einer zerstörten Welt einfließen, und überrascht am Ende mit einer Hoffnung für eine bessere Zukunft, die tatsächlich zum Handlungsbogen passt.
Isaac Marion, Klett-Cotta
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