Ein unbequemer Außenseiter
Der 17 jährige Cassel besucht das Internat Wallingford in New Jersey/USA. Er hat Glück, dass er diese Schule besuchen darf, denn er stammt aus einer Familie von Fluchmagiern. Sie können per Hand einen Zauber auf andere Menschen übertragen, dürfen allerdings ihre mächtige Kunst nicht ausüben. Fluchmagie ist streng verboten und alle Menschen müssen Handschuhe tragen. Cassels Großeltern, Eltern und Brüder wurden als Magier geboren, doch er selber hat diese Begabung nicht geerbt. Er könnte auf seiner Schule ein ganz normaler Junge sein. Doch in seiner Familie wird ebenso kriminelles Handeln an die Folgegenerationen weitergegeben. Zudem belastet Cassel die Gewissheit, dass er vor drei Jahren ein gleichalteriges Mädchen ermordet hat. Wie und warum, weiß er nicht. Er hat lediglich ein Bild vor Augen, wie er mit blutigen Händen lächelnd über ihrer Leiche steht.
Eines Nachts findet Cassel sich auf dem Dach des Internatsgebäudes wieder, ebenfalls ohne Erinnerung daran, wie er dort hingekommen ist. Die Schule suspendiert Cassel und so muss er mit seinem Großvater sein marodes Elternhaus aufräumen. Die Entlassung seiner Mutter aus dem Knast steht an. In der bizarren Umgebung suchen ihn Visionen heim von Katzen und Hilferufen, die ihn auffordern, einen Fluch rückgängig zu machen. Cassel entdeckt, dass er nicht der einzige ist, der Erinnerungslücken hat. Als ihn schließlich ein Amulett vor Gedächtnisverwandlung schützt, erkennt Cassel, dass sein bisheriges Leben eine einzige Täuschung war.
Kantige Typen, düstere Story
Die Urban Fantasy ist das Subgenre, in dem Holly Blacks Romane angesiedelt sind. In "Elfentochter-Elfenkönigin" und "Elfenherz" entdeckte ein Teenager unserer Zeit eine phantastische Anderswelt mit Elfen, Feen und Kobolden. In "Weisser Fluch" erschuf die Autorin eine Welt, die zu großen Teilen unserer entspricht, aber eben auch phantastisch ist. Es gibt andere, sogenannte Fluchmagier. Sie machen nur einen kleinen Bruchteil der Bevölkerung aus, verfügen allerdings über eine mächtige Art von Magie, sie übertragen Gedächtnisflüche, Traumflüche, Verwandlungs- und sogar Todesflüche mit der Hand auf andere Menschen. Da diese Flüche eine Gefahr darstellen, sind sie verboten. Die von den Fluchmagiern als Diskriminierung empfundenen Regulierungsmaßnahmen teilt sie in zwei Lager: In die der legal agierenden Reformer und in die der illegalen Fluchwerker im Untergrund, die in mafiösen Strukturen organisiert sind. Vor diesem gesellschaftlichen Hintergrund spielt Holly Blacks Geschichte um den 17-jährigen Cassel.
Was die Hauptfigur angeht, ist die Autorin ihrer Strategie aus den Elfenromanen treu geblieben: Sie schickt kantige Typen in ihr Abenteuer - Figuren, die auf den ersten Blick keine Sympathieträger sind. Auch Cassel ist ein frustrierter und schwieriger Typ. Die magischen Fähigkeiten mögen ihm versagt bleiben, das kriminelle Erbe nicht. In Wallingford führt er ein florierendes Wettbüro, mit dem er seine Mitschüler erfolgreich ausnimmt. Cassel ist ein Außenseiter und zugleich eine der originelleren Figuren in der Fantasy-Landschaft. Holly Black führt ihren Antihelden in ein düsteres Abenteuer voller rätselhafter Träume und übler Intrigen. Leider nimmt sie den Leser auf diesem Weg nicht so richtig mit. "Weisser Fluch" ist eine Ich-Form Erzählung, was die Perspektive naturgemäß einschränkt. Dadurch wirken viele der Informationen willkürlich gestreut und zusammenhanglos. Das passt zwar zum später enthüllten Geschehen, doch der Einstieg in die Story fällt schwer. Ab der Hälfte zieht das Tempo endlich an und eine actionreiche Handlung voller überraschender Wendungen nimmt Fahrt auf. Das versöhnt zwar mit dem schleppenden Beginn, verstärkt aber die Unausgewogenheit der Erzählung. Für den Schluss hat sich die Autorin allerdings eine witzige Pointe einfallen lassen.
Jugendbuch oder doch nicht?
Man kann sicherlich darüber streiten, ob ausführliche Beschreibungen über das Sammeln von Erbrochenem oder Schlagen und Treten eines Wehrlosen für die angepeilte Zielgruppe, Leser ab 13-15 Jahre, angemessen ist. Zu dieser Zielgruppe passt Cassels spröde Jugendsprache in einfach gehaltenen Sätzen, die wiederum auf ältere Leser banal wirkt.
Gern kritisiert wird auch die deutsche Titelwahl, denn der Originaltitel des Romans lautet "The Curse Workers Trilogy 1 - The White Cat". Nun hat der Verlag vermutlich mit Bedacht darauf verzichten wollen, den Seriencharakter zu betonen. "Weißer Fluch" ist zwar der Auftaktband zu einer Trilogie, die Handlung wird jedoch vollständig abgeschlossen. Allerdings haben weder der gewählte Titel noch das durchaus hübsch illustrierte Cover etwas mit der Geschichte zu tun und wirken tatsächlich uninspiriert.
Insgesamt merkt man dem Roman eine gewisse Unentschlossenheit an. Er steckt voller guter, eigenständiger Ideen und Charaktere, aber sowohl der unausgereifte Storyaufbau als auch der abgehakte Schreibstil lassen einen Eindruck von "nichts Halbes und nichts Ganzes" zurück.
Holly Black, -
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