Das verlorene Bestiarium

  • dtv
  • Erschienen: Januar 2011
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Das verlorene Bestiarium
Das verlorene Bestiarium
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Carsten Kuhr
78°1001

Phantastik-Couch Rezension vonFeb 2011

Die Suche nach einem Buch führt zur Suche nach sich selbst

Einsam und innerlich verlassen wächst der kleine Junge Xeno Atlas in New York auf. Seit seine Mutter bei seiner Geburt starb, ist sein Vater mehr denn je als Heizer auf den Meeren der Welt unterwegs. Um den Jungen kümmert sich neben einer Zugehfrau seine Grossmutter mütterlicherseits. Aus einer alt eingesessenen italienischen Familie stammend, führt diese ihre Abstammung zu den Nymphen und Dryaden zurück, zumindest erzählt sie dies, neben anderen faszinierenden Märchen dem innerlich vereinsamten Jungen.

Nur ganz wenige Male findet er Zugang zu seinem Erzeuger. Bei einem dieser raren Erlebnisse erblickt der Junge auf dem Rücken des Vaters eine farbenprächtige, gleichwohl verstörende Tätowierung eines Drachen. Eine Erklärung hierfür, wie für viele andere Ungereimtheiten im Leben des ständig abwesenden Atlas bekommt er nicht.

Erst im Internat wird seine Jagdlust und sein Forschungseifer wieder geweckt. Ein Lehrer nimmt sich des Jungen an, berichtet diesem von den im Mittelalter von Mönchen und Gelehrten kopierten Büchern der Fabelwesen. Eines dieser Werke, das so genannte Karawanenbuch, ist seit Jahrhunderten verschollen. Ein Werk, in dem all die Tiere aufgeführt sein sollen, die in Noahs Arche keinen Platz fanden. Xeno hat im selben Moment seine Lebensbestimmung gefunden. Er wird sich auf die Spur des verschwundenen Bestiariums machen, das, so die Mähr, zusammen mit der vollständigen Version der Bibel als Buch des Lebens Antworten auf alle Fragen der Welt geben soll.

Über Hawaii und dem Krieg in Vietnam führt ihn sein Weg nach Europa. Hier, in den alten Bibliotheken an der Seine, stöbert er tatsächlich Hinweise auf das legendäre Buch auf. Hinweise, die ihn anschliessend zunächst nach Venedig, später nach Armenien zum Ararat führen. Doch mehr noch als die Suche nach dem verschollenen bibliophilen Schatz wird die Queste zu einer Suche nach sich selbst, nach seinen Wurzeln, Wünschen und Hoffnungen ...

Ein intensives Buch über die Suche nach sich selbst

Dem Klappentext nach könnte man meinen, dass dem Leser ein munterer Abenteuerroman an die Hand gegeben würde. Innerlich machte ich mich schon bereit, zusammen mit meinem Erzähler die vergessenen Keller alt-ehrwürdiger Bibliotheken zu durchforsten, in verfallenen Gemäuern nach versteckte Hinweisen zu forschen und mich gegen natürlich fiese Konkurrenten zur Wehr zu setzen.

Um so erstaunter war ich, als ich dann feststellte, dass mich bis fast zur Mitte des umfangreichen Buches keinerlei derartige Jagden erwarteten. Statt dessen verfolgte ich das Aufwachsen eines intelligenten, innerlich ob des ihn vernachlässigenden Vaters verunsicherten Jungen. Noch erstaunlicher war, dass diese Nabelschau, in der der Autor so nebenbei auch gleich geschichtliches (Vietnam-Krieg) wie auch kultur-historisches (die Hippiebewegung, die Demonstrationen der Kriegsgegner, die um sich greifende Akzeptanz gegenüber weichen Drogen) einfließen ließ, mich nicht etwa langweilte. Das las sich über weite Strecken mehr wie ein glaubwürdiges Portrait des Lebens und Denkens der jungen Amerikaner Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre, bot interessante, stellenweise fesselnde Einblicke in die damalige Denkweise. Insofern trägt der Roman auch biographische Züge.

Spät erst kommt die Suche nach dem Bestiarium in Fahrt. Und selbst hier wird oft der Zufall bemüht, findet Xeno scheinbar mühelos weiterführende Hinweise. Sein Weg führt ihn immer weiter gen Osten, führt ihn aber auch zu sich selbst und seiner wahren Liebe. Ein intensives, leises Buch, das vom Leser verlangt, dass er sich auf den nicht einfachen Protagonisten einlässt, dann aber eine packende Geschichte zu erzählen weiß.

Das verlorene Bestiarium

Nicholas Christopher, dtv

Das verlorene Bestiarium

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