Heldenklingen (Die Klingen-Romane 5)
- Heyne
- Erschienen: Januar 2011
- 5
Fast 900 Seiten geballtes Schlachtengemälde
Wer den Heldenzyklus von Joe Abercrombie bislang versäumt hat, der sollte sich dringend zum Buchhändler seines Vertrauens begeben und sich die voluminösen Bände anschaffen.
Warum und was ihn dann erwartet, wollen Sie wissen?
Nun, nehmen Sie eine auf den ersten Blick austauschbare archaische Fantasy-Welt und situieren Sie darin ein übliches Rollenspielszenario an. Da gibt es dann jede Menge natürlich gewiefter und starker Krieger, ein paar Magier, intrigante Politiker, wirklich fiese Männer fürs Geheime und Grobe, Helden und Gauner, Diebe und Mörder, Duellanten und Götter, und schon haben sie einen Eindruck, um was es bei Abercrombie nicht geht!
Zwar nutzt der Engländer all die oben so schön von mir aufgezählten Versatzstücke, reichert sie mit Königreichen, die sich im Aufstieg bzw. Niedergang befinden, an, nur sind seine auf den ersten Blick stereotypen Gestalten und bekannte Situationen dann eben doch ein klein wenig anders als erwartet. Das liest sich auf den ersten Blick vertraut, weicht dann aber immer mehr von den bekannten Klischees ab und beschreitet ganz neue, interessante Wege. Für niedliche Elfen und Drachen, Gnome und Trolle ist hier kein Platz. Dafür um so mehr für eine glaubwürdige Beschreibung von Gewalt, von Scharmützeln, Hinterhalten, Gefechten und Kriegen.
Vorliegend verfolgen wir weiter, wie die mehr oder minder unfähigen Truppen der Union versuchen, in dem ihnen fremden Gebiet der Nordländer gegen diese Krieg zu führen. Beleuchtet werden "nur" fünf Tage, eine, nein die entscheidende Schlacht der übermächtigen Union gegen die untereinander zerstrittenen Nordländer. Ein paar der auftretenden Figuren sind uns aus den anderen vier Bänden bereits bekannt, zu diesen gesellen sich einmal mehr mit spitzer Feder gezeichnete Unikate.
Es geht darum zu töten und den Feind zu vernichten - und dies mit jedwedem Mittel, das man eben zur Hand hat. So ist der Text nichts für zartbesaitete Gemüter, wird die Brutalität des Tötens in all seiner Schrecklichkeit dargestellt. Verbunden mit jeder Menge schwarzem Humor, Sarkasmus und dem Auge für skurrile Situationen und feige Adelige nimmt uns Abercrombie an die Hand und führt uns in die Schlacht. Dabei wird viel gelitten und geschrien, fließt literweise Blut, geht es rau und ungezügelt zu. In blitzlichtartigen Momentaufnahmen hält der Autor dabei die schonungslos dargestellte Grausamkeit des Krieges fest, fallen Sympathieträger wie Feiglinge gleichermaßen dem Zufall und der Klinge oder Keule zum Opfer. Hier wird nicht klinisch rein gezaubert, hier atmet man den Dreck und die Verzweiflung des gemeinen Fußvolks, ohne dass man Gut von Böse unterscheiden oder gar trennen könnte.
Nichts für schwache Nerven
Beherrschender Charakter dieses Bandes ist Bremer dan Gorst. Bleiben die meisten anderen Protagonisten - Abercrombie-untypisch - relativ flach, so nimmt uns das in seinen Briefen und Selbstgesprächen dokumentierte Leiden, seine Einsamkeit und unglückliche Liebe gefangen. Einst Leibwächter des Königs wurde er aufgrund seines Pflichtversäumnis - man fand ihn mit heruntergelassenen Hosen bei einer Dirne, während sein König angegriffen wurde - nicht etwa als Kämpfer, sondern als Chronist an die Front versetzt. Einst gefeierter Duellant, jetzt ein Mann, der seine Selbstachtung verloren hat, der entgegen allen Befehlen in selbstmörderischen Kämpfen seinen Tod sucht und dabei Heldentum beweist, ist er ein ambivalenter Charakter.
Anders als in den bisherigen Bänden stehen dieses Mal nicht einige Personen im Zentrum der Aufmerksamkeit, sondern der Autor hat seine Figurenanzahl ungleich weiter gefasst. Die vielen Erzähler tragen dazu bei, dass sich die komplizierte Schilderung der vielen zum Großteil zeitgleich ablaufenden Handlungen nicht zu verwirrend anbietet, dass der Leser immer den Eindruck hat mitten dabei zu sein. Gleichzeitig fehlt ein wirklicher roter Faden, der die bisherigen Geschehnisse fortsetzen würde.
Geboten wird das Tagebuch einer Schlacht, das in vielen Facetten festgehalten wird, wuchtig in seiner Darstellung, brutal und schonungslos, aber gleichzeitig spannend und bannend. Zwar nicht ganz so intrigant und politisch wie die ersten drei Bände, doch dafür um so mitreißender, packender und gewalttätiger - nichts für schwache Nerven eben.
(Carsten Kuhr, September 2011)
Joe Abercrombie, Heyne
Deine Meinung zu »Heldenklingen (Die Klingen-Romane 5)«
Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!