Die Verborgenen
- Rowohlt
- Erschienen: Januar 2010
- 2
In den Fängen der ewigen Nacht
Luisas Leben schien zu Ende zu sein. Sie hatte mitansehen müssen, wie ihr kleiner Bruder langsam vom Krebs dahin gerafft wurde, um schlussendlich in den Tod hinüberzugleiten. Als wäre das nicht schon schlimm genug, verkauften ihre Eltern seine Sachen, alles was an ihn erinnern konnte, um ihn so aus ihrem Leben zu löschen. Als hätte es den kleinen Jungen nie gegeben. In der Hoffnung, ein neues Leben beginnen zu können, zogen sie von Hamburg nach Berlin, das Grab ihres Bruders einsam zurücklassend.
Nun steht Luisa hoch oben auf einer Brüstung. Nur noch ein Schritt entfernt sie von dem sicheren Tod, wäre da nicht eine Hand, die sich um sie schlingt und zurück auf sicheres Terrain zieht. Der junge Mann, er ist kaum älter als Luisa selbst, hat graues Haar, schwarze Klamotten und einen bleichen Teint. Er nimmt ihr das Versprechen ab, sich nicht umzubringen und verschwnindet in die sichere Dunkelheit des Waldes. Luisa muss ihn wiedersehen, entdeckt stattdessen aber nur einen riesigen Hund, der sie auf Schritt und Tritt beobachtet. Sein Aussehen ruft etwas in ihr hervor, das sie nicht benennen kann. Doch sie weiß: wenn sie herausfindet, von wo der Hund kommt, wird sie auch den jungen Mann wiedersehen.
Die Entscheidung über Leben und Tod
Luisas Beweggründe, warum sie sich selbst umbringen wollte, hat Nora Melling zwar ganz gut beschrieben, nachvollziehbar sind sie aber dennoch nicht. Der Tod eines geliebten Menschen hat das Mädchen völlig aus der Bahn geworfen, sich deshalb aber gleich das Leben nehmen zu wollen, erscheint mir dabei zu drastisch. Zumal keine Rede davon ist, dass das Mädchen irgendetwas unternimmt, um ihren Bruder in Erinnerung zu behalten und ihre Trauer nur zeitweilig zum Vorschein kommt.
Luisa ist dem Leser nicht unsympathisch, kann aber mit ihren Stimmungsschwankungen ganz schön nerven. Einerseits will sie Thursen, den jungen Mann aus dem Wald, um sich haben, andererseits kann sie nicht mit dem Geheimnis umgehen, das er und seine Freunde vor ihr verbergen. Mit ihrer eigenwilligen Art, haben nicht nur die anderen Charaktere im Buch zu kämpfen, auch sie selbst weiß manchmal nicht, ob sie falsch oder richtig gehandelt hat.
Thursen dagegen ist die Art Junge, über den man gerne in Jugendromanen liest. Er zeigt Verständnis, kann gegebenenfalls aber auch auf seiner Meinung bestehen und macht nicht nur das, was man von ihm erwartet. Als Leser steckt man hohe Erwartungen in ihn, denn er scheint derjenige zu sein, der Luisa aus ihrem Trancezustand befreien kann. Im Endeffekt ist es gerade das, was man sich wünscht. Dass den jungen Mann etwas Gefährliches umgibt, macht ihn geheimnisvoller und noch sympathischer. Von außen scheint er der nette und fürsorgliche Junge von nebenan zu sein. Kommt man hinter sein Geheimnis, erkennt man auch die Schattenseiten in seinem Leben.
Die Kunst des Schreibens
Ein gutes Buch muss einige Kriterien erfüllen, damit man auch wirklich Spaß an der Lektüre hat. "Schattenblüte" lässt ein ganz wichtiges, das der Schreibkunst, vermissen, denn die Art, wie die Autorin die Geschichte aus Luisas Sicht beschreibt, ist extrem holprig. Jedenfalls ist mir das im ersten Moment so vorgekommen. Die Sätze wirken oft wie lose aneinander gereihte, nicht überarbeitete Gedankengänge, wenig anspruchsvoll, aber deswegen auch für Jugendliche sicherlich nicht leichter zu lesen. Ich selbst habe mich damit sehr schwer getan, in der zweiten Hälfte des Romans gewöhnt man sich etwas daran. Ab und an findet man auch Rechtschreibfehler, nicht sehr schwerwiegend, aber doch störend.
Sehr unrealistisch erschien mir, dass Luisa ihren Vater immer "Vati" nennt. Natürlich ist das in manchen Haushalten so üblich, aber während eines Streits kann ich mir nicht vorstellen, dass man seinen Vater so anspricht. Wenn man verärgert ist, möchte man doch am liebsten mit wüsten Worten um sich schmeißen. Daher konnte man diese Szenen, in denen Luisa in aufgebrachter Stimmung war, leider auch nicht ganz so ernst nehmen.
Die Geschichte selbst war sehr vorausschauend und ähnelte der in dem Buch "Nach dem Sommer" von Maggie Stiefvater. Die Spannung konnte nicht immer gehalten werden. Besonders Passagen, in denen Luisa ohne Thursen auftritt, ziehen sich stark in die Länge. Und auch als ein überraschend trauriges Ereignis passiert ist, kann man die Trauer der Charaktere nicht wirklich nachvollziehen. Zum Schluss wendet sich noch einmal das Blatt und man kann endlich mit den Protagonisten mitfiebern. Insgesamt reicht die Qualität des Romans "Schattenblüte", der zunächst vielversprechend klang, nicht aus, um gut zu unterhalten. Obwohl das Ende offen bleibt, glaube ich nicht, dass ich mich für weitere Teile begeistern könnte.
Nora Melling, Rowohlt
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