Blood Angel
- Droemer-Knaur
- Erschienen: Januar 2005
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Heimtückischer Dämon stiehlt Leser-Lebenszeit
Kaum gelingt Nachwuchs-Maltalent Jessamy Shepard aus New York der künstlerische Durchbruch, da stellt sich ein ungebetener Fan ein, der sich einfach nicht abschütteln lässt. Aber Jessamy irrt; kein lästiger Lüstling ist dieser Kai Youngblood, sondern ein prominentes Mitglied der "Sajae", einer Gruppe fast unsterblichen Wächter, die seit Urzeiten neben den Menschen leben und mit magischen Fähigkeiten die "Traumfelder" bewachen: Übergänge zwischen diversen Dimensionen, die immer wieder gern von fiesen Dämonen genutzt werden, die sich auf die Erde schleichen und dort viel Flurschaden anrichten.
Die schlimmste dieser Kreaturen ist Bakal Ashika, genannt Asha. Einst war sie eine junge Sklavin, die sich das Wissen ihrer Herren aneignete, dann einen besonders üblen Dämonen ins Hirn lud und die Sajae zu vernichten trachtete. Viele Jahre tobte der Kampf, bis er Anno 1399 mit der Niederlage Ashas endete. Doch sie starb nicht, sondern konnte nur verbannt werden. Jetzt ist sie wieder da und begieriger denn je, die Welt zu zerstören.
Dazu benötigt sie zwei Dinge: die geistige Energie der Nachfolgerin jenes Sajae, der ihr einst den Rest gab, und die Kraft des "Engels", dessen dieser sich dabei bediente. Die einen schlummern in der ahnungslosen Jessamy, die andere überdauerte im Körper des Teenagers Ramsey Doe. Diese beiden Menschen will Asha fangen, aber Jess entkommt ihren Schergen und wird von Youngblood aufgenommen. Mit Unterstützung des ´gezähmten´ Dämonen Delkor Lokk bildet er sie zum weiblichen Heiland aus, der gegen Asha antreten kann. Doch diese nutzt die Schwäche der Wächter, unter denen zudem ein Verräter wühlt. Trotz verzweifelter Gegenmaßnahmen (die auch die Rekrutierung einer Rotte von den Toten erweckter "Hell's Angels"-Rocker einschließt) der Verteidiger gewinnt Asha die Oberhand ...
"Autor" und "Talent": zwei isolierte Sphären
Unbefangenheit ist für einen debütierenden Schriftsteller eine feine Sache. Man schreibt den ersten Roman frech & frei und mit nur vagen Vorstellungen davon, was schiefgehen könnte. Gut so, denn wie übel man sich blamieren kann, das lehrt uns die Lektüre von "Blood Angel", einem Mystery-Thriller, bei dem so ziemlich alles misslungen ist, was misslingen konnte.
Wo soll man anfangen mit der Kritik? Der Rezensent dreht sich im Kreise, zumal dieser Roman´ sich ihm quasi mit dargebotener Kehle präsentiert. Alle Teile von "God's Army" gesehen und vom "Exorzisten" zumindest gehört: Ob dies das Ausmaß der ´Recherchen´ beschreibt, die Wilson für dieses Machwerk getrieben hat? Statt Vampire und Werwölfe treiben dieses Mal Engel und Dämonen ihr Unwesen. Ein biblischer Hintergrund kann unter dem literarischen Primat von Bestseller-König Dan Brown dem I. (und hoffentlich Einzigen) nie schaden. Das alte Buch der Bücher taugt prima als Steinbruch für pseudo-sakrales Gewese mit Ehrfurchts-Schauder-Garantie.
Aber auch der skeptische Leser will überzeugt werden. Also konstruiert Wilson ein ´wissenschaftliches´ Gefüge paralleler Welten - Science Fiction kann den Genremischmasch nur schärfer würzen -, in denen besagte Engel, Dämonen und ähnliche Überwesen hausen. Um die Geschichte in Gang zu bringen, postuliert die Verfasserin Übergänge zwischen den Sphären, was allerlei finsteres Gruselpack nutzt, um die Erde zu heimzusuchen.
Story als Definition von Qualitätsfreiheit
Selbstverständlich gibt es einen uralten Wächterorden, der diese Passagen überwacht und sich dabei so plumpfüßig-weihevoll gibt wie die Jedi-Ritter. Auch eine ´Macht´, hier "Maga" genannt, darf nicht fehlen. Weitschweifig und voller Inbrunst erläutert uns Wilson das Maga-Konzept, das es an Dummschwurbeligkeit mit jedem New-Age-Geschwafel locker aufnimmt. Jedes Blättchen, das die Autorin greifen konnte, wurde vom Mythenbaum gepflückt und in den Plotbrei gerührt; es entstand eine fade, geschmacklose Masse mit dicken Klumpen geballter Einfältigkeit, die den Leser heftig würgen lassen.
Die eigentliche ´Story´ ließe sich in einem Satz zusammenfassen. Wilson tritt sie auf mehr als 400 (großzügig bedruckten) Seiten gnadenlos und absolut ironiefrei breit. Eindimensionale Traumsequenzen, schwafelige Prophezeiungen gar grausiger Ereignisse, die zu Lachstürmen reizen, jämmerlich verdruckste Einschübe ´perverser´ Dämonen-Dekadenz und andere Überflüssigkeiten lassen die Handlung zusätzlich immer wieder stocken. Muss hinzugefügt werden, dass Wilsons Finale zwar als beklemmende Vision des Weltendes geplant war, in der Umsetzung jedoch nur ein fundamentalistisches Höllengetöse auf Kasperletheater-Niveau gelang?
Selbstverständlich fehlt nicht das offene Ende: Die böse Asha beißt zwar ins Gras, aber ihr Statthalter entkommt. Auf der letzten Seite sehen wir ihn schon wieder zu neuen Ränken ansetzen. Ob das eine Fortsetzung bedeutet? Oje, genau das, und als "Lord of Bones" ist sie 2008 zumindest bereits über die englischsprachige Leserwelt hereingebrochen!
Eine dumme Geschichte benötigt dumme Figuren
Der grässlichen Story entspricht eine schauderhafte Figurenzeichnung. Da gibt es nur eine halbwegs interessante Person, und das ist ein schleimig-intriganter Dämon, der die ganze Mischpoke der ´Guten´ mit Bedacht an der Nase herumführt. Eine Welt, die von blutleeren Langweilern wie den Sajae bewacht wird, hat ihren Untergang allemal verdient. Wenn der weise Kai Youngblood - ´sprechende´ Namen, deren Bedeutung wie Zaunpfähle auf des Lesers Schädel niedersausen, sind eine Spezialität Wilsons - wieder einmal in kryptischen Andeutungen von "Bestimmung" und "Schicksal" faselt, möchte man ihm tüchtig in den Hintern treten, damit er endlich auf den Punkt kommt. Geschieht dies endlich, schafft es auch keine Zufriedenheit, weil da nichts ist, das Geheimnistuerei rechtfertigen würde.
Aus dem Reich der Menschen stoßen als Identifikationsfiguren eine Frau (schön, jung, schön, maßvoll selbstbewusst, schön & Mr. Right - und nur ihm! - jederzeit aufgeschlossen) und ein Teenager (schnuckeliger Super-Skater, aber - oh Jammer! - Vollwaise) zu den Sajae. Ausgerechnet in diesen Hinterköpfen rumort leise die Macht, welche der Dämonin den Hals brechen könnte, aber sie muss erst geweckt werden, was viele, viele, viele Diskussionen zwischen ´Schüler´ und ´Meister´ und endlose Trainingslektionen in Sachen Schweben & Feuerballwerfen zur Folge hat.
Oft tragen in solchen verquasten New-Testament-Reloaded-Storys wenigstens die Bösen zum Unterhaltungswert bei. Da sei hier Wilson vor, die mit Bakal Ashika eine grotesk spießige Weltenzerstörerin ins Feld schickt. Gar fürchterbar will die schöne, aber unerbittliche Asha uraltes Unrecht rächen. Was hat sie also vor mit der Welt, die sie an sich reißen will? Männer will sie kopfüber an Telegrafenmasten nageln, andere Pechvögel durch das Hinterteil verbluten lassen. So geht das weiter, eine Liste naiver Kinderbibel-Grausamkeiten, die deutlich verraten, dass Asha in den fünf Jahrhunderten ihres Exils rein gar nichts dazugelernt hat und weiter in ihrer infantilen Vorzeithölle haust. In der ´Realität´ des 21. Jahrhunderts wirkt sie nicht furchterregend, sondern lächerlich, womit sie immerhin - hier schließt sich der Kreis - perfekt in das Ensemble eines Schuss-in-den-Ofen-Bestsellers passt.
Justine Musk (Justine Wilson), Droemer-Knaur
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