Totenbeschwörer
- Goldmann
- Erschienen: Januar 2010
- 1
Agatha Christie meets Lovecraft
Johannes Cabal - ein Mann, der als Geisterbeschwörer mit Dämonen verkehrt, der Tote ausgräbt und zum Leben erweckt, zumindest halbwegs zum Leben erweckt (S. 174) - hat ein Problem.
Nun könnte man ja annehmen, dass er nach seinem gescheiterten Vertrag mit den Teufel, in dem er diesem nicht weniger als einhundert Seelen innerhalb eines Jahres zuführen sollte, keinerlei Probleme mehr hätte, doch einmal mehr konnte er seinen Kopf aus der Schlinge ziehen. Allerdings ist er dabei fast vom Regen in die Traufe gelangt.
Bei dem Diebstahl eines verbotenen Buches aus der geschlossenen Bibliothek des Königreiches Mirkarvien wurde er geschnappt und wartet nun auf seinen Henker. Dass der altersschwache König des Reiches sein Leben aushaucht, bevor er eine wichtige Rede halten kann, ist seine Chance, nochmals dem Fallbeil zu entgehen. Mit seinen nekromantischen Künsten soll er im Auftrag eines machtgierigen Usurpators den Verblichenen eine letzte, kriegshetzerische Rede halten lassen, um so dem neuen Machthaber den Weg an die Schalthebel der Macht zu ebnen.
Dass sich sein Schicksal nach der Rede allenfalls in Minuten erfüllen wird, ahnt unsere Seelenfänger natürlich, so dass er den Vortrag der Leiche sabotiert, und in der anschließenden Verwirrung flüchtet. An Bord eines just in Dienst gestellten Luftschiffes will er außer Landes fliehen. Dass er unter den Passagieren eine alte Bekannte trifft, die ihn mühelos enttarnen könnte, ist dabei noch lange nicht das Schlimmste. Ein Mörder geht um, ein Attentäter, der hoch über der Erde seinem Handwerk nachgeht. In der Folge muss unser Nekromant sich als wagemutiger Detektiv und Spion betätigen, kommt er doch einer Gefahr auf die Spur, die die ganze Menschheit bedroht ...
Rasanter Auftakt, ein kurzer Durchhänger und ein fulminanter Schluss
Schon im ersten Band der Chroniken des Totenbeschwörers Johannes Cabal bewies der Autor, dass er spannend und humorvoll zu unterhalten weiß. Abseits ausgetretener Pfade ließ er dabei einen Protagonisten Gestalt annehmen, der selbst dem Fantasy-erfahrenen Leser ungewöhnlich daherkommt.
Nicht etwa ein natürlich aufrechter Streiter für das Gute steht im Zentrum des Geschehens, sondern ein Mann mit, na sagen wir einmal, etwas zweifelhaftem Ruf und Moral. Ein Bösewicht, der nüchtern abwägt, ob ihn ein Mord näher an sein Ziel bringt, im Zweifel diesen auch verübt, nur um das Angepeilte zu erreichen. Dabei, und das ist erstaunlich, ist Cabal nicht etwa ein Unsympath. Er ist kultiviert und gebildet, im zwischenmenschlichen Bereichen durchaus auch einmal naiv, dabei aber gleichzeitig in seinem Fachbereich brillant. Ein in vieler Hinsicht einfach interessanter Charakter, der den Leser eben durch seine Unmoral in seinen Bann zieht.
Die Ausgangslage in diesem Roman ist ebenso bestechend wie faszinierend. Zunächst muss unser Anti-Held seinen Kopf aus der Schlinge ziehen, dabei aber auch den eigenen Abgang im Auge behalten, dann wuchert der Autor mit der mondänen Pracht der alten Luftschiffe.
Während im ersten Handlungsabschnitt noch seine nekromantischen Fähigkeiten gefragt sind, wenngleich die Darstellung der Totenbeschwörung recht undeutlich bleibt, verwöhnt uns der Autor danach mit einer Hochstablergeschichte a la Felix Krull, als sich unser Cabal als braver Karrierebeamter auf dem Luftschiff einschleicht. Zwar sind die Howard´schen Luftschiffe keine Zeppeline, ähneln diesen aber vom Interieur sowie den begüterten Passagieren in vieler Hinsicht. Was sich anschließt, ist eine Mischung als Detektivgeschichte im Stil eines Agatha-Christie-Romans und einer Agentenstory. Dabei ist dem Autor zu testieren, dass er eine sehr interessante Ausgangslage auf der Suche nach dem "who did it" und den Motiven der Tat sich hat einfallen lassen. Das Gebotene liest sich interessant, die Hinweise lassen den Leser miträtseln, die Figuren sind faszinierend, auch wenn oder gerade weil sie auf den ersten Blick Stereotypen entsprechen.
Allerdings, und hier kommen wir dann auch zum grossen Kritikpunkt des Romans, hängt dessen Mittelteil ein wenig in der Luft. Hier bewegt sich die Handlung kaum voran, erschlägt uns der Autor förmlich mit seitenlangen Beschreibungen des Interieurs und der Gäste. An dieser Stelle hätte eine Straffung dem Buch gut getan.
In einem furiosen Finale wird der Leser dann aber wieder mit dem Text versöhnt. Wie viel besser es Howard versteht, zeigt er in der dem Buch beigegebenen Kurzgeschichte, in der er geschickt mit den Versatzstücken der typisch britischen Clubgeschichten spielt.
Insgesamt ein gutes, aber aufgrund des handlungsarmen Mittelteiles nicht gänzlich überragendes Buch mit vielen gelungenen Anspielungen, interessanten Charakteren und faszinierenden Ideen.
Jonathan L. Howard, Goldmann
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