Von Kastanien und Knochen

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  • Erschienen: Januar 2008
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Von Kastanien und Knochen
Von Kastanien und Knochen
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Elmar Huber
85°1001

Phantastik-Couch Rezension vonOkt 2010

Wirkungsvoll in ihrer düster-poetischen Traurigkeit

"Es geht um die dunkle Seite des Lebens, genauer gesagt um das Lebensende, das auch während des Lebens immer zugegen ist, wie ein unangenehmer Parasit, den man nicht abschütteln kann. Es geht um nichts geringeres als um den Tod selbst."

Gesellschaft im Moor

Immer wieder verschwinden Menschen in dem kleinflächigen Moor, das versteckt im Wald liegt. Die Polizistin Kiara mag das Moor. Sie genießt die menschenleere Ruhe dieses Ortes und ist deswegen nicht unglücklich, als sich ihr Kollege, der die Nacht mit ihr dort verbringen sollte, krank meldet.

Der Narrenbrunnen

"Wir sind frei von Narretei! - Fremder, du bist willkommen, doch verhalte dich besonnen." Auf seiner Radwanderung durch den Schwarzwald begegnet der Reisende diesem Spruch am Ortseingang von Maria Freud. Da auch er dem gerade herrschenden Karnevalstreiben nichts abgewinnen kann, beschließt er, hier zu übernachten. Auf dem Dorfplatz erblickt der Reisende ein seltsames Denkmal, das Abscheu und Furcht in ihm hervorruft.

Das biologische Wunder Fleisch

Seit seiner Kindheit ekelt sich Philip vor minderwertigem Fleisch. Warum tierisches Fleisch essen, warum die Verlierer essen, wenn man sich an den Gewinnern gütlich tun kann. Doch plötzlich interessiert sich ein Polizist für sein Verhältnis zu dem ermordeten, halb gefressenen Heiko.

Regentage

Er sehnt sich danach, die Frau wieder zu sehen, die er im letzten Regen kurz getroffen hat. Nur wenige Worte konnte er damals mit ihr wechseln. Lange Tage hält er vergebens nach ihr Ausschau. Dann endlich beginnt es wieder zu regnen.

Mein Vermächtnis

Gegenüber des Pfarrhauses zieht die Nichte der verstorbenen Helene Eichner mit ihrem Sohn Tim ein. Von Anfang an verhält sich Tim seltsam und alle Versuche des Pfarrers, den Neuankömmlingen seelischen Beistand anzubieten, stoßen auf taube Ohren, ja sogar massive Ablehnung. Offenbar ist Tim aufgrund seiner unheiligen Zeugung nicht Herr seiner Gefühle. Die Ablehnung der Dorfbewohner wächst und bald gibt es eine erste Tote.

Familienbande

Wer tötet auf solch blutige Weise die Schafe im Umkreis? Ist es ein Mensch oder existiert das geheimnisvolle Wesen aus den Wäldern tatsächlich, von dem sich die Alten in ihren Sagen erzählen? Ich habe die Spur aufgenommen und werde es bald herausfinden. Wenn ich danach nur zurückkehren kann zu meiner Familie.

Der Mann auf dem Dach

Ein geheimnisvoller Schatten auf dem Rasen, als würde ein Mann auf dem Dach stehen. Und sobald man nach oben blickt ist dort nur der Himmel zu sehen. Dieser Schatten eines Kamins war also der Auslöser von Fr. Gerstigs "Alterswahnsinn". Doch warum ist diese Vorstellung nach ihrer Verlegung in ein anderes Sanatorium nicht verschwunden?

Crosse 517

Ein Röntgenbild war der Auslöser für Sebastians blutigen Amoklauf, als ihm bewusst wurde, dass er kein Mensch ist. Doch deswegen gleich die ganze Serie einstampfen? Es sind die besten Exemplare, die je entwickelt wurden. So täuschend echt, so fürsorglich, so wunderbar.

Im Zug der Zeit

Eine Reise scheint für Steffen die einzige Möglichkeit zu sein, Abstand zwischen sich und die oberflächlichen Menschen zu bringen, die Menschen, die ihr ganzes Leben mit Nichtigkeiten verbringen. Seine Verachtung für die Menschen wächst. Im Zug ist er nur kurz eingeschlafen, doch als er wieder erwacht, ist er allein.

Wie der Staub im Wind

Eine Knochenfund führt den jungen Polizisten Klein zur Waldhütte seines ehemaligen Kollegen Karl Heinz Benz, der damals den Kannibalen Philippe Elstner zur Strecke brachte. Die Knochen wurden abgekocht und sorgsam vom Fleisch befreit. Ist Elstner wirklich tot? Auf jeden Fall muss Benz, der sich seitdem mit seiner Frau komplett zurück gezogen hat, gewarnt werden.

Von Kastanien und Knochen

Was stimmt nicht mit dem Grab der alten Witwe Steiner? Warum wollen keine Blumen darauf gedeihen? Die Erzählerin erinnert sich zurück, als sie als Kinder in der Nähe von Frau Steiners Haus unter den Kastanienbäumen gespielt hatten. Stets beobachtet von der verschleierten Frau im Rollstuhl.

"Etwas zögerlich streiften wir an der Friedhofsmauer entlang und der Kopf der Gestalt dreht sich langsam mit. Ich flüsterte vor mich hin, meinte, dass sie uns beobachtete."

Die Bandbreite von Daniel Mosmanns Geschichten ist absolut verblüffend. Thriller, Psychoterror, Gespenstergeschichte, Monsterhorror und sogar Science Fiction sind in "Von Kastanien und Knochen" vertreten. Dabei benutzt der Autor für seine Geschichten klassische Genrevorgaben, fügt ihnen aber eine eigene Note hinzu, die weit über das erwartete Ziel hinaus geht. Wie das sprichwörtliche manipulative Teufelchen sitzt der Autor dem Leser auf der Schulter, lässt diesen lange und ausgiebig in eine bestimmte Richtung blicken, um ihm dann auf die Schulter zu tippen, um ihm mit einem leise geflüsterten "Schrecklich, nicht? Aber sieh mal da" den wahren Schrecken seiner Geschichten zu offenbaren. ("Mein Vermächtnis", "Wie der Staub im Wind").

Es gelingt Daniel Mosmann außerdem, den Leser unbemerkt die teils verzerrte Sichtweise seiner Figuren einnehmen zu lassen, auch wenn das oft unangenehm wird. In "Das biologische Wunder Fleisch" beispielsweise meint man förmlich, die verabscheuungswürdigen Schweine in Menschengestalt vor sich zu sehen, die sich gierig mit minderwertigem Fleisch mästen. Mit "Wie der Staub im Wind" erhält diese Kannibalengeschichte noch eine Fortsetzung, die eine unverhofft andere Richtung einschlägt.

"Nur ein schmaler Streifen des Himmels, direkt über dem Horizont, war leicht erleuchtet; etwa so, als würde dort in einiger Zeit die Sonne aufgehen. Doch ansonsten gab es kein einziges Anzeichen dafür, dass diese Gegend, durch die sie fuhren bewohnt war."

Daniel Mosmanns Protagonisten erinnern frappierend an die Figuren seines Kollegen Michael Siefener. Grüblerische, menschenscheue Einzelgänger, äußerst empfänglich für die schwermütigen Aspekte ihrer Umwelt. Nicht so dekadent wie vielleicht beabsichtigt, doch durchaus wirkungsvoll in ihrer düster-poetischen Traurigkeit ("Regentage"). Selbst Szenen abstoßender Gewalt verleiht der Autor eine melancholische Note ("Wie der Staub im Wind"). Die abschließende Titelgeschichte erweist sich als überzeugendes Meisterstück psychologischen Schreckens. Für mich der Höhepunkt dieser durchweg gelungenen Storysammlung.

Das Buch kommt in einer verhältnismäßig edlen Aufmachung daher. Jeder Geschichte ist ein passendes Titelfoto (Fotomontage) von Sandra Mosmann vorangestellt.

"Von Kastanien und Knochen" erweist in Form und Inhalt sich als bemerkenswertes Erstlingswerk eines Autors, der hauptsächlich als bildender Künstler aktiv ist (www.daniel-mosmann.de). Auch das Buch wird auf einer eigenen Website präsentiert, die zusätzlich eine bebilderte Hörversion der Geschichte "Regentage" enthält (www.vonkastanienundknochen.de).

Von Kastanien und Knochen

Daniel Mosmann, -

Von Kastanien und Knochen

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