Durch das Universum bis hierher

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  • Erschienen: Januar 2009
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Durch das Universum bis hierher
Durch das Universum bis hierher
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Michael Drewniok
80°1001

Phantastik-Couch Rezension vonApr 2010

Alter Mann mit jungem Herzen

Obwohl Shatner - gewollt oder unwillkürlich, weil es seine Art ist oder sein soll - in seiner autobiografischen Darstellung sprunghaft ist, gern zwischen Zeiten und Themen ´springt´ und ein Faible für unterhaltsame aber ablenkende Anekdoten an den Tag legt, folgen seine Erinnerungen insgesamt einem chronologischen Faden. Sowohl der berühmte Kirk als auch der berüchtigte Shatner wurden 1931 in Kanada als Sohn eines jüdischen Billig-Schneiders geboren ("Ein kleiner jüdischer Junge aus Montreal"). Die Herkunft und die Erinnerung an ständige Geldnot erwiesen sich als prägend. Immer wieder kommt Shatner auf seine Existenz-Ängste zurück, die ihn zwingen, praktisch jede Rolle anzunehmen, weil er fürchtet, ansonsten aus dem Geschäft zu sein.

William Shatner gehört zu einer Generation junger Nordamerikaner, die nicht mehr in den II. Weltkrieg und in keinen der späteren US-Kriege ziehen musste. Nachdem er seine Liebe zu den darstellenden Künsten entdeckt hatte, konnte er sich ihnen deshalb kompromisslos widmen. Nach 1945 boomte die Unterhaltungsindustrie in Radio, Theater und Film. Hinzu kam wenig später das Fernsehen. Junge Darsteller fanden hier zwar keine hohen Gagen aber ein breites Betätigungsfeld ("Anfänge im Radio und Fernsehen", "Mr. Broadway erobert die Stadt"). Shatner schildert die Möglichkeiten, die freilich mit hartem Konkurrenzdruck einhergingen. Der junge Schauspieler musste seinen Job auf die harte Tour lernen. Er beging Fehler, traf falsche Entscheidungen, wurde hereingelegt - und arbeitete praktisch rund um die Uhr.

Ersten Erfolgen am Theater und im Fernsehen ("Ein Star wird geboren") folgten immer wieder Durststrecken und Routinerollen. Shatner gehörte zum Fußvolk seiner Zunft. Er spielte Gastrollen in beinahe sämtlichen Serien der 1950er und 60er Jahre, ohne dabei ein Profil zu entwickeln, das sein Wiedererkennen garantierte. Shatners ´Karriere´ drohte deshalb zu versanden; 1966 war nach anderthalb Jahrzehnten harter Arbeit der Durchbruch weiterhin fern - und die Zeit lief gegen den nicht mehr ganz jungen Schauspieler.

Der lange Weg zum Shatman

Dies änderte sich auch nicht, als Shatner im genannten Jahr als Captain Kirk auf der "Enterprise" anheuerte ("Der Weltraum - unendliche Weiten"). Für ihn war dies ein Job wie viele andere, weshalb es ihn weder überraschte noch erschütterte, als "Star Trek" schon nach drei Jahren abgesetzt wurde. Shatner machte weiter wie bisher und registrierte nur nebenbei und ganz allmählich das Aufkommen des "Star-Trek"-Kultes. Währenddessen zog der Schauspieler geschieden und pleite per Wohnmobil von Drehort zu Drehort und nahm erst recht jeden möglichen und unmöglichen Job an ("Shiva").

In den 1970er Jahren erlebte Shatner privat und beruflich schwierige Zeiten. Die Erinnerung daran kann auch der betont humorvolle Ton nicht überdecken ("I'm a rocket man!"). Erst die Neuauflage der klassischen "Star-Trek"-Serie im Kino brachte ihn endlich auf die Gewinnerseite. Shatner startete durch, nutzte den Ruhm und den Kult-Status der Kirk-Rolle, wurde Regisseur, Drehbuchautor und Produzent ("Cop, Regisseur & Comedian").

Anfang der 1990er Jahre heiratete Shatner zum dritten Mal. Der Ehe mit Nerine Kidd und ihr tragisches, von den Medien gierig aufgegriffenes Ende widmet Shatner ein eigenes Kapitel ("Notruf"). Dies gilt auch für den Tod seines Alter Egos ("Kirks Ende"), dem zuzustimmen Shatner inzwischen als eine der zahlreichen Fehlentscheidungen seiner turbulenten Karriere betrachtet.

Die Autobiografie klingt in der Gegenwart aus, die William Shatner abermals verheiratet und beruflich erfolgreicher denn je erlebt. An den Ruhestand kann und will das rüstige aber bald 80-jährige Multi-Talent weiterhin nicht denken.

Ein real phantastisches Leben

Dass William Shatner seinem Erstaunen über das Erlebte und Überstandene immer wieder Ausdruck verleiht, können seine Leser nach der Lektüre dieser Autobiografie problemlos verstehen. Unabhängig von der (ohnehin aus der Ferne nicht zu beantwortenden) Frage nach seinen oft und gern angeprangerten Schauspiel- oder Charakterschwächen ist Shatner nicht nur ein Veteran seiner Zunft, sondern ein Zeitzeuge, dessen Erfahrungen in Film, Fernsehen, Theater u. a. Darstellungsformen sechs Jahrzehnte umfassen. Shatner hat alles gemacht, er arbeitete als Schauspieler, Regisseur, Autor, Sänger oder Moderator.

Die Rolle als James T. Kirk erwies als Glücksfall seines Lebens. Oft wird Shatner auf den unternehmungslustigen Captain des Raumschiffs "Enterprise" reduziert und seine Privatperson mit ihm gleichgesetzt. Schaut man sich die unglaubliche Zahl von Figuren an, in die er schlüpfte, wird deutlich, dass Shatner mehr ist als der eitle, übertrieben agierende, viel zu jungen Frauen hinterherjagende Toupet-Träger, als den ihn jüngere Generationen kennengelernt zu haben glauben: Auf diese Weise bleibt man nicht 60 Jahre in einem äußerst schnelllebigen Geschäft aktiv oder gar erfolgreich.

Gleichzeitig ist Shatner ein cleverer Selbstvermarkter, der selbst die negativen Seiten seines Images für sich umzumünzen weiß. ´Seine´ Autobiografie ist dafür ein perfektes Beispiel. Shatner firmiert als Autor; mit der Lupe muss man den Namen David Fisher suchen, der die Vorgaben des "Shatman" in einen lesbaren Text verwandelt hat. Artig dankt ihm Shatner in seinem Vorwort für die ´Mitarbeit´, entlarvt sich aber später als ´Verfasser" zahlreicher Romane mit der Information, stets nur Ideen für das grobe Gerüst einer Geschichte in den Raum zu werfen, aus denen anschließend ´Co-Autoren´ ein weiteres Buch machen, das Shatner in ´seine´ Literaturliste aufnimmt.

Autobiografie mit Botschaft

Selbstbewusst und sensibel, rücksichtslos und freundlich, gerissen aber nicht klug: So möchte sich Shatner dargestellt wissen. Er gibt vor, die Rolle des "Shatman" nur zu spielen, was seine Kritiker im Gegensatz zu seinen echten Fans angeblich nicht begreifen. Shatner unterlegt seine Äußerungen und Aktionen gern mit einem Kontext, den er nachträglich erläutert. Eingestreute Geständnisse charakterlicher Schwächen sollen entwaffnend wirken. Nicht nur einmal gibt Shatner zu, dass Wahrheit für ihn auch ein Stoff ist, den er verformt und verdreht, um ihn für seine Zwecke zu nutzen. Gleichzeitig gibt er sich als Autobiograf betont offen und ehrlich, was er durch eine einfache, kumpelhafte, man könnte auch sagen: anbiedernde Sprache unterstreicht. Mit der Diskrepanz muss sich der Leser auseinandersetzen. Zur stetigen Verunsicherung tragen Shatners Abschweifungen bei, die oft in Hinweisen auf die Verkaufsangebote auf seiner Website münden; der geschäftstüchtige Autor bedient sich hier jener Nachrede, er sei geizig und geldgierig.

Auf diese Weise spricht Shatner Vorwürfe selbst an, um sie dann zu ´erklären´ und Stück für Stück zu entkräften. Als Biograf hält er auf diese Weise die Fäden auch dann noch fest in der Hand, wenn es in Lebensabschnitte geht, in denen Shatner keine gute Figur macht. Das schließt auch die Jahre der "Star-Trek"-Fernsehserie ein. Shatner räumt dieser Phase verständlicherweise breiten Raum ein. Dabei verhehlt er die Schwierigkeiten mit seinen Schauspielerkollegen oder mit dem Fernsehstudio nicht, übernimmt ein wenig Verantwortung, um anschließend die Dinge so zurechtzurücken, bis man ihn beinahe als Opfer übler Nachrede betrachten möchte.

Das Gedächtnis ist ein subjektiv arbeitendes Funktionselement des Hirns. Shatner hat früher einmal behauptet, ihm seien die "Star-Trek"-Jahre längst entfallen. Dafür wartet er in seiner Biografie mit erstaunlichen Details auf. Shatner hat Rollen in dreistelliger Zahl gespielt. Trotzdem scheint ihm jede Figur präsent zu sein. Ist dies ´echtes´ Erinnern oder das Ergebnis nachträglicher Recherche, die als Erinnerung ´getarnt´ wurde?

Autobiografie eines Insiders

Dieser Verdacht keimt während der Lektüre oft auf. Er mindert die positiven Seiten einer Autobiografie, deren Verfasser (nennen wir ihn der Einfachheit halber weiterhin so) Zeitzeuge einer Film- und Fernsehgeschichte ´von unten´ ist. Vor allem der Fan des phantastischen Genres wird immer wieder über Shatner stolpern, der sowohl in der SF als auch im Horror zahlreiche und manchmal sogar tiefe Spuren hinterlassen hat. Shatner war und ist beileibe nicht nur Captain Kirk, sondern auch Bob Wilson in der klassischen "Twilight-Zone"-Episode "Terror at 20.000 Feet" (1963), Mark Preston im Grusel-Heuler "The Devil's Rain" (1975; dt. angemessen dümmlich "Nachts, wenn die Leichen schreien") oder Walter H. Bascom in der SF-Serie "TekWar" (1995-96).

Ganz unten und ganz oben: Shatner ist seit sechs Jahrzehnten ein Teil der modernen US-Unterhaltungs-Industrie. Selbst wenn er sich vor allem an und in Anekdoten erinnert, blieben übergreifend Interessantew haften. Shatner kennt den Alltag vor und hinter der Kamera. Auf dieser Ebene liest sich seine Autobiografie nicht nur unterhaltsam, sondern liefert Hintergrundwissen aus einer Branche, die längst nicht so glanzvoll ist wie sie sich selbst gern gibt.

Unterm Strich offenbart sich der "Shatman" so, wie er sich zu offenbaren gedenkt, während er völlige Ehrlichkeit suggeriert, um dies gleichzeitig zu relativieren. Dies sollte der Leser bedenken, der sich gleichzeitig auf eine oft interessante, unterhaltsame und dabei im positiven Sinn ´leichte´ Lektüre einstellen kann.

Durch das Universum bis hierher

William Shatner, -

Durch das Universum bis hierher

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