Nathdaras. Der Verrat des Meisters
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- Erschienen: Januar 2010
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Spitzohrige Überraschung
"Nathdaras", das ist das Fantasydebüt einer sehr jungen Autorin - Iris Bitzigeio ist 18 Jahre. Was kann man da erwarten? Ein kurzer Blick auf die Rückseite des schlichten, aber schönen Covers verrät: Elben, leiser als Nebel, schneller als fallender Regen. Die Elben belegen den letzten Drachenprinz Mengoz mit einem Schlafbann, um die weitere Zerstörung ihrer Heimat zu verhindern. In seinen letzten wachen Momenten schwört der Drache, demjenigen, der ihn weckt, 100 Jahre lang zu gehorchen. Als dieses Geschehen längst Legende ist, erlebt Eriphyl, wie fremdartige Wesen versuchen, in sein Haus einzudringen. Mit Hilfe seiner Magie tötet er die Späher und alarmiert sein Dorf. Entsetzt stellen die Elben aus Tianin fest, dass ein großes Heer in der Ebene von Nera aufmarschiert ist. Die Friedenszeiten sind vorüber, ein alter Feind steht vor der Tür und das Orakel erwählt zwei Krieger, um den mysteriösen Herrn dieser Armeen auszuschalten. Flauto ist ebenso wie Eriphyl ein junger, unerfahrener Mann, beide Erwählten sind keine Elían, wie die Krieger der Elben genannt werden. Während die Elían die Dörfer und Städte im riesigen Waldgebiet der Elodían verteidigen, begeben sich Flauto und Eriphyl auf ihre einsame Mission zum Dornenturm.
Das klingt alles sehr bekannt, aber man sollte sich nicht von vordergründigen Vertrautheiten täuschen lassen. Im Auftakt der als Vierteiler geplanten Reihe wird eine zwar nicht völlig neue Welt entworfen, aber die Autorin füllt diese mit viel Fantasie und Ideenreichtum und schafft dadurch etwas Eigenständiges. Es ist nicht leicht mit Elben und Drachen etwas Neues zu schaffen. Zu ausgelutscht erscheint das Thema Drachen und auch die Elben sind für die meisten Leser doch sehr besetzt mit den üblichen Vorstellungen von spitzohrigen Gestalten, die vor lauter Ätherik nicht normal gehen können und mit ihrer edlen Gesinnung an jedem Baum kleben bleiben.
Der Rebell und der Höfling
Aber schon im Prolog punktet die Autorin mit einer interessanten Problematik. Die Elben haben die Drachen als mächtige Verbündete im Krieg benutzt. Ohne die Drachen hätten sie nicht gewonnen, aber mit ihrem Feuer haben eben jene rücksichtslos Wälder und Städte der Elben vernichtet. Um sich ihrer ehemaligen Verbündeten zu entledigen, machen die Elben Jagd auf die Drachen und versetzen sie in einen ewigen Schlaf. Die Sympathien sind durchaus gespalten, denn der letzte Drachenprinz Mengoz ist herrlich unkorrekt und witzig, aber ebenso sind die Gründe für den Verrat plausibel. Die Idee mit Klingen aus Schlafeisen, die nachdem sie mit Blut in Berührung gekommen sind, sich zu einem Betäubungsmittel zersetzen, ist originell. Das weckt Hoffnung auf eine differenzierte Betrachtung von Gut und Böse und leicht macht es sich die Autorin dann auch nicht.
Iris Bitzigeio erschafft mit Eriphyl eine Figur, die aus der Reihe tanzt. Einen Außenseiter, der immer wieder vergeblich um Anerkennung in seiner Familie und in seinem engstirnigen Dorf gebuhlt hat. Intelligent und begabt, aber auch launisch und von Selbstzweifeln geplagt, nervt er seine Mitmenschen mit aggressiv abweisendem Verhalten. Flauto ist ganz das Gegenteil, er ist der gute, sanfte Elb mit der schönen Stimme, hochgeachtet und beliebt. Es ist amüsant zu lesen, wie der neidgeplagte Eriphyl den ersten Auserwählten beschreibt. Er mag diesen "lieben, zahmen und auf eine süßklebrige, schleimerische Art friedfertigen" Flauto nicht. Aber Maiel Joland, ein Berater des Königs und ein altgedienter Krieger, macht den beiden jungen Elben klar, dass sie zusammenarbeiten müssen, um ihre brisante Aufgabe zu erledigen.
Angst essen Seele auf
Der einfühlsame Aufbau der beiden Hauptcharaktere nimmt einen sehr breiten Raum ein. Das wiederholte gedankliche Spekulieren von Eriphyl nervt an manchen Stellen und das leichtsinnige Verhalten der Helden verlockt teilweise dazu, sie einmal richtig durchrütteln zu wollen. Im Gegensatz zu ihrer naiven Unbekümmertheit leiden beide unter massiven Ängsten, denn Gewalt war ein Fremdwort in ihrem bisherigen Leben. Das macht sie sympathisch und echt, ebenso wie charmant eingeflochtene Details: Zum Beispiel die Szene, in der Eriphyl nach einer eleganten Flanke aus dem Fenster in ein Getümmel springt, umknickt und sich langlegt. Außerdem bricht eine geheimnisvolle Elbenkriegerin die traute Zweisamkeit auf und bringt eine andere Perspektive ins Geschehen. Lyan ist wesentlich erfahrener als die Erwählten, aber ihre Absichten sind undurchschaubar. Mit Lyans Auftauchen kommt echte Spannung in die Handlung. In der zweiten Hälfte des Romans nimmt die Handlung noch einmal enorm an Fahrt zu. Knall auf Fall wechseln sich aktionsreiche Szenen, farbige Schauplätze und überraschende Wendungen ab.
Nicht nur die lebendig gestalteten Protagonisten machen "Nathdaras" zu einem Lesevergnügen erster Güte, sondern auch Iris Bitzigeios Talent, spannende und berührende Szenen anschaulich, ausdrucksstark und sprachlich gekonnt zu beschreiben. Bleibt nur noch eine Frage: Wann kommt der nächste Band?
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