Patient Null

  • Heyne
  • Erschienen: Januar 2010
  • 2
Patient Null
Patient Null
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Michael Drewniok
70°1001

Phantastik-Couch Rezension vonFeb 2010

Tote Terroristen aus schrecklich Nahem Osten

Joe Ledger ist ein hartgesottener Ordnungshüter, der als Mitglied einer Sondereinheit der Polizei von Baltimore die Augen offen und die Waffe entsichert hält, um aufmerksam nach Terroristen und anderen Strolchen auszuschauen, die seit dem 11. September 2001 in Scharen die USA zu infiltrieren versuchen. Gerade erst hat er einen neuerlichen Vorstoß solchen Gesindels aufgedeckt und persönlich beim Versuch, die Lumpenzelle auszuheben, nicht nur namenloses Fußvolk, sondern auch den prominenten Mordstrolch Javad Mustafa mit Blei vollgepumpt.

Vier Tage später wird das FBI bei Ledger vorstellig. Man konfrontiert ihm mit einem zwar mausetoten aber putzmunteren Mustafa, der sich erstens als Zombie und zweitens als biologische Waffe muslimischer Gotteskrieger entpuppt. Solche Untoten sollen in die USA geschleust werden und dort brave Bürger beißen, die sich daraufhin ebenfalls in lebende Leichen verwandeln! Dahinter steckt El Mudschahid, selbst ernannter Zorn Gottes. Um ihm Einhalt zu gebieten, wollen Geheimdienst und FBI eine Taskforce zusammenstellen und den Zombiemachern aus dem Nahen Osten ordentlich einheizen. Als guter Amerikaner kann und will Ledger trotz seiner Probleme mit Autoritäten dabei nicht tatenlos zusehen.

Hinter dem charismatischen aber manipulierbaren El Mudschahid zieht der skrupellose Machtmensch Sebastian Gault die Fäden. Zusammen mit der wunderschönen und superschlauen Amirah hat er die Zombies buchstäblich entwickeln lassen, um den für seine unzähligen Firmen sehr lukrativen Terrorkrieg auf eine neue Ebene zu hieven. In dieses Geschäft will er sich nicht von US-Saubermännern pfuschen lassen und aktiviert seine Schergen, die gemeinsam mit den Zombies Ledgers Ledernacken einen unfreundlichen und bissigen Empfang bereiten ...

Die Welt im schwarz-weißen Schattenriss

Man kann Jonathan Maberry nicht vorwerfen, aus seiner Weltsicht ein Geheimnis zu machen. Als Widmung stellt er seinem seitenstarken Zombie-Thriller folgende Zeilen voran: "Dieses Buch ist all jenen oft nicht beachteten und unbesungenen Helden gewidmet, die für die Geheimdienste bei verdeckten Operationen ganz einfach ihren Job machen." Er schweigt sich darüber aus, ob er dabei auch jene einschließt, die sich z. B. in Abu Ghuraib für die US-Sache ins Zeug gelegt haben, doch der Kontext lässt wenig Gutes ahnen. Zurückhaltung oder die Einhaltung von Gesetzen sind für Maberry jedenfalls keine Rezepte, um die Schurken dieser Welt Mores zu lehren, denn die sind unbelehrbar böse, heimtückisch und rücksichtslos, während Politiker wankelmütig oder korrupt vor allem am eigenen Posten kleben. Zumindest mit dem gedruckten Wort kann Maberry zeigen, wie's eigentlich zugehen sollte!

"Patient Null" drückt natürlich nur sekundär eine politische Haltung aus. Primär will Maberry (so bleibt zu hoffen) unterhalten. Eine grobe Differenzierung der Realität in schwarz = böse = Naher Osten (oder Nordkorea, Kuba bzw. Nicht-USA) und weiß = gut = USA hat dabei selten geschadet, wie u. a. Hollywood immer wieder unter Beweis stellt. Für die Arena, in die der Kampfsportler Maberry die Welt als Handlungsort verwandelt hat, klingt dieses Konzept einfach und einleuchtend, weshalb er es für sein literarisches Schaffen übernommen hat.

Ist doch alles nur Spaß ...!

Aktion erzeugt Reaktion. Auf dieses simple Schema hat Maberry die Dramaturgie des Geschehens reduziert. Diese Struktur hat Vorteile; so lassen sich vom Verfasser in Serie geschilderte Kampfszenen modulartig aneinander klinken, bis die mit dem Verlag vereinbarte Seitenzahl in Sichtweite gerät und es Zeit für das große Finale wird.

Politisch korrekt denkenden Lesern - auch diese sind mögliche Buchkäufer - sperrt Maberry ein Hintertürchen auf: Zwar gibt es mit El Mudschahid einen Burnus-Banditen, der mit Lust und Liebe Mordpläne gegen die USA inszeniert und den Koran als Steinbruch für farbenfrohe Metzeleien ausbeutet, doch hinter ihm steht ein Schlips-Schurke aus dem Abendland, den nicht Idealismus, sondern blanke Macht- und Geldgier antreiben.

El Mudschahid, Amirah und Sebastian Gault sind Bilderbuch-Böslinge, die für ein Rumpelpumpel-Abenteuer wie "Patient Null" passend grob geschnitzt wurden. Sie tücken und schurken mit schmierenkomödiantischer Wonne, und es bleibt ihnen immer Zeit genug, dies durch kaltschnäuzige Phrasen zu unterstreichen. Damit komplettiert sich das Bild überlebensgroßer Übeltäter, die man keine Sekunde ernst nehmen kann.

Immerhin verschont der Autor auch seine Helden nicht. Über Joe Ledger muss man grinsen, wenn er sich als Peter Pan der "Terminator"-Ära gibt. Mit den Jahren ist er nicht schlauer geworden, sondern markiert nur den taffen Möchtegern-Rebellen. Weil Maberry Ledgers Kampf gegen verkrustete Konventionen sich nüchtern betrachtet als Kette kindisch-bockiger Regelverstöße darstellt, bleibt diese Figur nur ein Schwätzer, der sich letztlich doch wieder dem System eingliedert und unterwirft. Wenn Ledger dabei zum Anführer einer Elite-Einsatzgruppe aufsteigt, werden wir selbstverständlich ausgiebig mit pubertären Macho-Spielchen zwischen taffen Kämpfern im Wettstreit um die dickste Hose unterhalten, die durch bewährten Landser-Humor - einer der beinharten Kerls heißt "Bunny": urkomisch! - ergänzt werden.

Lesen ohne denken zu müssen: ein ehrliches Angebot

Bücher wie dieses soll und darf man nicht ernst nehmen. Das schützt sie zwar keineswegs vor Kritik. Angesichts der von Verfasser Maberry gar nicht verhohlenen Grobschlächtigkeit seines Romans kann diese höchstens ironisch gefärbt werden, bleibt aber letztlich hilflos: Verbrauchslektüre ist relativ rezensionsresistent, denn gelesen wird sie auf jeden Fall, wenn sie ein geneigtes Publikum findet. Davon darf unser Verfasser ausgehen, denn es gibt schlechtere "prose mechanics" als ihn, zumal Profi Maberry den Fuß ständig auf dem Gaspedal ruhen lässt: "Patient Null" ist Pageturner-Action der schnell vergessenen aber zuvor noch schneller voran eilenden Art.

Für Irritation sorgt die Übersetzung. Allerdings ist davon auszugehen, dass es Maberry selbst war, der meinte, seine Geschichte durch eine saloppe, dem Ohr der (nicht mehr allzu intensiv) lesenden Jugend angenehme Umgangssprache zusätzlich aufpeppen zu müssen. Vor allem wenn Ledgar das Wort ergreift, meint der Leser vor dem inneren Ohr Dieter Bohlen zu hören, was zumindest dem Gegner derartigen Pidgin-Sprechs echte Qualen bereitet, die der Lektüre arg abträglich sind.

Patient Null

Jonathan Maberry, Heyne

Patient Null

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