Im Haus des Bösen
- dtv
- Erschienen: Januar 2009
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Klassischer Teufelsspuk mit enttäuschendem Ende
Vor zwölf Jahren war Paul Seaton aus London ein junger Journalist auf dem Weg nach oben. Auch privat hatte er sein Glück in Gestalt der Studentin Lucinda gefunden. Der Untergang kam, als Seaton sich entschloss, seiner Freundin bei einer schwierigen biografischen Recherche zu unterstützen. Lucinda schrieb an ihrer Abschlussarbeit über die hochtalentierte aber in Vergessenheit geratene Fotografin Pandora Gibson-Hoare, die ihrem kurzen Leben 1937 in der Themse ein Ende setzte. Wider Erwarten fand Seaton bisher unbekannte Aufzeichnungen, in denen Pandora von nie entdeckten und sorgfältig versteckten Fotografien schrieb, deren Auffinden eine Sensation bedeutet hätte.
Unklugerweise schenkte Seaton jenen Kapiteln von Pandoras Tagebuch, in denen sie schilderte, wie sie in einen Zirkel hochrangiger Satanisten geriet, nicht die gebührende Aufmerksamkeit. Seaton glaubte nicht an Schwarze Magie und wagte sich deshalb in das berüchtigte Fischer House, das einst dem Anführer dieser Gruppe gehörte und seit vielen Jahren leerstand. Dort entkam er nur knapp einer mörderischen Kreatur und erregte die Aufmerksamkeit von Klaus Fischer und seinen bösen Genossen, die zwar tot aber keineswegs im Jenseits verschwunden waren. Lange saßen die Geister Seaton im Genick. Sie zerstörten sein berufliches und privates Leben, bis sie endlich das Interesse an ihm verloren. Seitdem lässt Seaton sich treiben.
Nun sucht ihn der Therapeut Malcolm Covey mit einer dringenden Bitte auf: Fünf Forscher haben das Fischer House aufgesucht und dessen Geister geweckt. Ein junges Mädchen ist bereits tot, die anderen ´Gäste´ kämpfen mit dem Wahnsinn. Seaton, der dem Schrecken einst entrann, soll sich ihm neuerlich stellen, um die neuen Opfer zu retten. Dies abzulehnen ist unmöglich, denn Fischer hat von Seatons Mission erfahren und nimmt freudig die Herausforderung an ...
Altmodischer Spuk - endlich wieder einmal!
In einem Meer - vielleicht sollte man besser von einem bösen, saugenden Sumpf sprechen - nur unfreiwillig schrecklicher Vampir-Schmonzetten darf ein ´richtiger´ Grusel-Roman heutzutage mit Vorschusslorbeeren rechnen. Zwar wird auch "Im Haus des Bösen" geliebt, aber immerhin nicht geschmachtet. Noch wichtiger: Das Übernatürliche gerinnt nicht zur Wunschprojektion unerfüllter Träume, sondern ist ein rundum unerfreulicher Ort mit ebensolchen Bewohnern.
Diese dürfen sogar düstere Prominenz für sich beanspruchen: Zwar gab es in der historischen Realität keinen Klaus Fischer, doch zu seinen Gästen (und Jüngern) gehörten laut F. G. Cottam ebenso illustre wie berüchtigte Gestalten: der Okkultist und "Magicker" Aleister Crowley (1875-1947), der Schriftsteller Dennis Wheatley (1897-1977), der britische Faschistenführer Oswald Mosley (1896-1980) und der Nazi-Bonze Hermann Göring (1893-1946). Ihnen dichtet Cottam einen geheimen und unentdeckt gebliebenen Pakt mit dem Teufel an, der ihnen im Tausch für ihre Seelen Macht und Reichtum garantierte.
Akkurat wie die Vergangenheit und ihre Protagonisten lässt Cottam die klassische Geistergeschichte der 1920er Jahre aufleben. Deshalb verzichtet er auf plakative Gräuel. Seltsames und Erschreckendes ereignet sich gern (aber nicht nur; keine Sorge!) an den Rändern des Blickfelds oder zwischen den Zeilen. Der Erzählton ist ernst und dem Geschehen angemessen, das ohne die heute so beliebte Ironie eine bitterernste und oft traurige Geschichte darstellt, die mehr als ein Dreivierteljahrhundert abdeckt.
Ebenfalls klassisch: das Figurenpersonal
Autor Cottam plant nicht, dem Genre einen Schrittmacher zu schaffen, um es in ´die Gegenwart´ zu hieven, was Literaturkritiker immer wieder fordern, ohne dass ihnen selbst klar zu sein scheint, wie das realiter funktionieren könnte. "Im Haus des Bösen" ist Retro-Horror der gediegenen Art. Die bekannten Elemente funktionieren heute so gut wie gestern, also bedient sich Cottam ihrer. Abgestaubt werden sie nicht, zumal die Handlung sich meist ohnehin in der Vergangenheit abspielt. (Wenn die Handlung in die 1980er Jahre springt, liest sich Cottams Wiederbelebung dieser Ära ebenfalls authentisch. Der Verfasser greift hier auf die eigene Biografie zurück; wie Paul Seaton startete Cottam nach 1980 in eine Journalistenlaufbahn.)
Also haben wir das große, dunkle, alte Haus, in dem sich Schreckliches ereignete, das sich in den Wänden buchstäblich eingenistet hat und auf jene wartet, die sich neugierig oder einfach nur dumm hineinwagen. Dazu passt ein überlebensgroßer Schurke, der zwar tot aber deshalb umso schauderhafter ist. Ihm zur Seite stehen diverse Untergeister, die sich mit eigenen Bosheiten der ´menschlichen´ Hauptfigur in den Weg stellen, damit das finale Duell zwischen diesem und besagtem Bösewicht nicht gar zu früh stattfinden muss.
Besagter Held ist zwar in der Minderzahl, steht jedoch nicht allein. Das macht ihn umso verwundbarer und sorgt für dramatische Momente, wenn die Teufelsbrut einen der ´guten´ Spieler vom Feld nimmt. Cottam wandelt dieses Klischee - nennen wir es ruhig so, denn nicht immer trägt dieser Ausdruck negative Züge - insofern ab, als er Lucinda nur als Katalysator für das eigentliche Grauen einsetzt und Seaton schon recht früh der mondänen Pandora verfallen lässt, die in der Tat die interessantere Person (und Persönlichkeit) ist. Der Autor beherzigt eine Grundtugend der klassischen Geistergeschichte: Die Leser müssen die Figuren kennen und sie mögen (oder fürchten), damit sie an ihren Schicksalen Anteil nehmen.
Irgendwas ging dennoch schief
Trotz allen vielversprechenden Inputs ist "Im Haus des Bösen" kein Roman, der sich seinen Lesern einprägt. Stattdessen kommt schon früh ein Gefühl der Enttäuschung auf. Cottam holt weit aus, um seinem Fischer House eine eindrucksvolle Geschichte zu verschaffen. Er erfindet ihr Figuren mit klingenden Namen (s. o.) und bettet sie (trotz einer eher laxen Charakterisierung, die auf dem Niveau reinen "name droppings" verharrt) geschickt in die historische Realität ein. Der Glaube an das Okkulte war in Jahren nach dem I. Weltkrieg in England auch und vor allem in den höheren Gesellschaftsschichten verbreitet (auch wenn der Teufel dort natürlich nur vereinzelt aktive Satanisten und Hexenmeister offiziell rekrutieren konnte, weil dies schlecht für den Ruf war).
Die Atmosphäre ´stimmt´: Cottam weiß, was "unheimlich" bedeutet, und er vermag es in entsprechende Worte zu fassen, kreiert eindrucksvolle Szenen, streut gut erfundene Anekdoten ein, deutet unaussprechliche Geheimnisse an, verliert sich in interessanten Details - und ehe man es sich versieht, sind zwei Drittel des Buches vorüber, ohne dass wirklich etwas geschehen ist!
Erst dann kommt Schwung in die Handlung, die jedoch den Versprechungen der gewichtigen Einleitung niemals gerecht werden kann. Vorher aufwendig eingeführte Figuren gehen sang- und klanglos über Bord. Die subtile Gemeinheit der Gespenster verwandelt sich in plumpes Kraft-Spuken. Jede Tür des Fischer-Hauses wird zum Portal in eine neue Visionen-Welt, in der aufwändig chiffriert wird, was sich nachträglich als ganz einfache Geschichte herausstellt.
Am Ende steht ein Sieg, der ebenso trivial erfochten wie unwahrscheinlich ist, wenn man sich noch einmal vor Augen führt, mit welchen Geschützen Fischer & Co. aufwarten konnten. Fast ein Jahrhundert haben sie Millionen an ihren Marionettenschnüren tanzen lassen, aber ausgerechnet Paul Seaton (im Bund mit einem geläuterten, schwer bewaffneten IRA-Terroristen) kann ihnen den Garaus machen? Das gibt die Figur einfach nicht her!
So ist "Im Haus des Bösen" wieder einmal ein Buch, das in der Summe weniger gefällt als in seinen Einzelteilen. Cottam kennt das Genre, und er hat ein Gespür für bedrohliche und ambivalente Stimmungen. Was (noch) fehlt, ist die Komposition einer packenden Handlung. Weil sie fehlt, wollen die Elemente sich nicht zu einer stringenten Geschichte fügen.
F. G. Cottam, dtv
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