Monsterkontrolle
- Piper
- Erschienen: Januar 2010
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Nur Muggel nennen Muggel Muggel
Judy ist ganz zufrieden mit ihrem Job in der Supermarkt-Nachtschicht. bis zu dem Tag, an dem sich Yetis im Kühlhaus tummeln und die Eisvorräte dezimieren. Die zu Hilfe gerufene sonderabteilung der Tierrettung entpuppt sich als blauhäutiger Typ namens Monster. Monsters Job ist es, mit seinem Partner Chester, einem eindimensionalen Origamimann aus Papier, so genannte Kryptos zu jagen: also Yetis, Medusen, Sphinxen und was man sonst so zwar in Legenden aber nicht in Brehms Tierleben findet. Der Kryptojäger eröffnet ihr, dass es ein Job wie jeder andere ist, Fabelwesen einzufangen, dass es von diesen eigentlich eine ganze Menge gibt - und dass Judy die Yetis und auch dieses Gespräch ohnehin gleich wieder vergessen wird, da das das Wesen der Magie sei.
Beim letzten Punkt hat Monster allerdings nicht ganz recht. Denn schon der nächste Job lässt ihn wieder auf Judy treffen, deren Wohnung von Trollen aus dem Wandschrank überrannt wird - was Judy die Unterkunft und die beiden Kryptojäger ihr Fahrzeug kostet. Notgedrungen gehen die beiden eine Partnerschaft auf Zeit ein, für die Judy natürlich in der Lage sein muss, sich an Monster und seinen Job zu erinnern. Dabei muss sie lernen, dass mit der Magie nicht alles so einfach ist, wie sich das der normalsterbliche Potter-Leser so ausmalt.
Ihre Zwangs-Kooperation fördert jedoch bald Erstaunliches zutage. Denn in Judys Umgebung häufen sich die vorkommen übernatürlicher Lebensformen (auch wenn die Engel in der wohnung ihres Nachbarn nur Zufall sind). Es scheint, als habe Es Irgend jemand auf Judy abgesehen. Und bald sind Monsters gesamte Fähigkeiten gefragt, will er nicht nur den Mordanschlägen seiner Succubus-Freundin entgehen, sondern auch Judy und das gesamte Multiversum retten.
Von Yetis im Kühlhaus und der Rettung des gesamten Multiversums
Ja, Martinez fährt diesmal die ganze Palette auf. Er beginnt langsam, beinahe wie einer der Romane von Christopher Moore. Der Nachtschicht-Supermarkt ist grandios und würden die Truthahn-kegelnden Chaoten aus Moores "Lange Zähne"-Reihe oder auch Chad Vader durch's Szenenbild laufen, würde es weder verwundern noch stören. Martinez' kleine, feine Einfälle von Vanilleeis fressenden Yetis und Monster-Baseball, vom Multidimensionalen Superwesen im eindimensionalen Papierkörper und Monsters Spezialfähigkeiten bei Hautfarbewechsel sind ein wahres Feuerwerk von skurilen Ideen. Leider bleibt Martinez aber nicht dabei und schreibt eine Geschichte von sympathischen Losern und dem (wie der Klappentext behauptet) "coolsten Monsterjäger aller Welten".
Nein, Martinez muss noch eins draufsetzen. Und noch eins. Und noch eins. Und bald ist es "Never Dead Ned all over again": Am Ende des Romans geht es nicht nur um das Schicksal der Welt (wie in "Diner des Grauens"), auch nicht nur um das Schicksal des Universums (wie in "Kompanie der Oger") - nein, wir haben gleich das Schicksal des Multiversums, samt aller vorangegangenen und zukünftigen Multiversen auf dem Tablet. Tut das dem Roman gut? Nein.
Es ist zu viel. Es bläst die Charaktere auf und macht aus sympathischen, glaubwürdigen Protagonisten übermächtige und nur extrem schwer zur Identifikation taugende Kreaturen. Deren Schicksal ist einem als Normalsterblichem denn auch bald recht egal. Hier helfen auch alle humoristischen Einfälle nicht viel - die Geschichte ist zu weit aufgeblasen und verliert sich (selbst für eine Fantasy-Geschichte) in Unwahrscheinlichkeiten. Dabei sind die einzelnen Figuren wirklich liebevvoll und ansprechend gezeichnet, von Ed mit den langen Beinen über den Surfer-Hipie Paul, Judys verkorkste Karriere-Schwester oder die Omnipräsente Göttin mit den geschätzten 2.400 Jobs (gleichzeitig) von Tierrettung bis Telefonsexhotline. Das sind alles gute, weil nicht stereotypische Figuren - denen die Geschichte selbst einfach nicht gerecht wird.
Die kleinen Dinge entscheiden
Was übrig bleibt, ist immer noch eine gute, humoristische Urban-Fantasy-Geschichte - nur nicht sonderlich gut für Martinez. Der Ansatz ist erstaunlich ähnlich dem von Oliver Dierssens "Fledermausland" - allerdings macht es Dierssen deutlich besser, indem er die Geschichte klein und persönlich hält. Auch Christopher Moore macht es besser - aus den selben Gründen. Sicher, Martinez fackelt ein großes Feuerwerk an Humor und Action ab und bringt ein ordentliches Finale. Aber letztendlich sind es die kleinen Dinge, die das Buch retten. Vor allem die letzten Seiten nach dem Finale. hier hat er mich tatsächlich nochmals überrascht - und seine Wertung gerettet.
Nichts desto trotz: Der Roman fängt nahe der 90 an und fällt allmählich Richtung 50 ab, was nur besagter Schluss noch ein wenig rettet. Ich hoffe, der nächste wird wieder besser.
A. Lee Martinez, Piper
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