Geisterpfade

  • Heyne
  • Erschienen: Januar 2010
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Carsten Kuhr
80°1001

Phantastik-Couch Rezension vonJan 2010

Die Fantasy-Trilogie der leisen Töne geht in ihre zweite Runde

Willkommen zurück in der etwas anderen Fantasy-Welt der Celine Kiernan. Kriege und Anfeindungen haben ein archaisches Europa in Kleinstaaten zerfallen lassen. Religiöse Verfolgung, dazu die Bedrohung durch die Loup-Garous und Piraten, wilde Stämme aus dem Norden, der unterdrückte Konflikt der Christen, Juden und der Moslems - all dies trägt dazu bei, dass sich Intoleranz, Fremdenhass und Verrat ausbreiten, wie ein wild wucherndes Geschwür. Unsere Geschichte spielt im Königreich der Südländer. König Jonathon war einst als weiser, weltoffener Monarch bekannt. In seinem Königreich lebten die Kulturen friedlich und gedeihlich zusammen, war die alte Gabe der Menschen, sich mit den Katzen unterhalten zu können, noch präsent, und auch der Ratschlag der Geister wurde noch wertgeschätzt.

Doch die Zeiten haben sich gewandelt. Als Wynther Moorehawke nach Jahren im diplomatischen Dienst mit ihrem Vater an den Königshof zurückkehrt, trifft sie auf eine brisante Mischung aus Neid, Missgunst, Verrat und offene Feindseligkeit. Sie kann kaum glauben, was sie erfährt. Ausgerechnet der jüngere Prinz Alberon, ihr Pflegebruder soll sich gegen seinen Vater gewendet haben und weitab von der Hauptstadt seine Rebellenarmee sammeln. Es gelingt ihr zwar zu fliehen, zurücklassen muss sie dabei aber ihren todkranken Vater und Razi, ihren Pflegebruder, den älteren Prinzen. Auf dem Weg zum Rebellenlager trifft sie nicht nur den ebenfalls flüchtigen Razi, sondern auch Christopher, einen gemeinsamen Freund. Mit diesem, einem Pflegekind der wilden merronischen Nordmänner und ehemals, bevor ihn die Loup-Garous versklavten und seine Hände brachen, ein begnadeter Musiker, verbindet sie mehr als Freundschaft. Auf dem gemeinsamen Weg zum Rebellenprinzen kommen sich beide näher, stoßen dabei auf Merroner, die ebenfalls die Rebellenarmee suchen. Die Konfrontation mit einer Gruppe die Gegend unsicher machenden Loup-Garous bringt dann ein Geheimnis ans Licht, das ihre gerade erblühende Beziehung stark belastet. Damit nicht genug werden die drei Südländer mit der besonderen Lebensart und dem für sie so fremden Glauben der Nordmänner konfrontiert, der auch vor Menschenopfern nicht halt macht ...

Fantasy, Entwicklungsroman oder doch ein Historienspektakel?

Ist das Fantasy, so fragte man sich nach dem ersten Band? Sicherlich, der erste Band der Moonhawke-Trilogie spielt in einem fiktiven Land, das im südlichen Frankreich angesiedelt wurde. Es gab sprechende Katzen und Geister, die auf die Welt der Lebenden Einfluss nahmen und - damals noch als fiktive Bedrohung - die Werwölfe. Doch der Spot blieb auf der Protagonistin, die sich ihren Platz in einer Welt, die aus ihren Fugen geraten war suchte. Es galt sich neu zurechtzufinden, Beziehungen zu werten, Vertrauen zu investieren, sich mutig für einen eigenen Weg zu entscheiden und sich durchzusetzen. Dabei spielten die übernatürlichen Sequenzen eine fast untergeordnete Rolle, und auch wilde Schlachtengemälde suchte man vergebens. Wer demnach solcherart gemeinhin als Heroic Fantasy titulierte Kost goutiert, der war und ist bei Celine Kiernan an der falschen Stelle.

Stattdessen gelingt es der Autorin, uns mit einer feinfühligen Charakterzeichnung ihrer Figuren gefangen zu nehmen und uns eine glaubwürdig andere, auch in Details stimmige und faszinierende Welt zu präsentieren.Vorliegend hält sie sich an ihr Konzept aus dem ersten Band. Bis auf ganz wenige übernatürliche Szenen - ein Angriff der Loup-Garous und Geister zweier Opfer, die ihre Geliebten besuchen - wartet man auf entsprechende Elemente vergebens. Voedergründig schildert sie uns die Suche unserer drei Freunde nach dem Rebellenprinzen.

Natürlich schwingt im Hintergrund immer die Frage mit, warum Alberon sich vom König überhaupt abgewandt hat und die erklärten Feinde des Reiches um sich schart. Daneben geht es darum, dass Wynther und Christopher zueinander finden und schließlich - und dies nimmt bei weiten den meisten Raum ein - darum, uns die Kultur, das Denken und Fühlen der Merroner nahezubringen. Und hier hat die Autorin Großartiges geschaffen. Durch die Augen unserer zivilisierten Erzähler erleben wir mit, wie die innere Überzeugung, ihr Glauben an eine Allmacht aus deren Aufspaltung sich Mensch, Tier und Natur entwickelte, deren Leben und Denken bestimmt. An der alten Wikinger-Kultur angelehnt schafft Kiernan es hier, uns eine fremdartige Lebensweise nachvollziehbar und lebendig vor Augen zu führen. Gerade weil die vermeintlich Wilden selbst merken, dass ihre große Zeit vorbei, ihre Art zu Leben überholt ist, dass sie sich und damit ihr Natur- und Lebensbild wandeln müssen, nehmen uns diese Kapital gefangen. Hier tauchen wir tief ein in eine uns ob ihrer Nähe zur Natur fremde Denkweise, die weder verklärt noch wertend vorgestellt wird. Entgegen dem Trend hat die Autorin ihre Liebesgeschichte nicht ins Zentrum gestellt. Wir erfahren von der wachsenden Zuneigung der beiden zueinander und erleben mit, wie die Entdeckungen diese Liebe auf eine harte Probe stellen. Allerdings nimmt dies nie zu breiten Raum ein, wird in keiner Phase dominant, sondern geschickt und stimmig in die Handlung verwoben.

Letztere bietet sich eigentlich erstaunlich handlungsarm an, ohne dass der Rezipient dies merken würde. Erzählt wird schlicht die Suche der drei nach dem abtrünnigen Freund und Bruder. Weder erwarten uns große Landschaftsbeschreibungen noch dominieren Auseinandersetzungen den Plot. Kiernan geht es um ihre Gestalten, darum, uns ihre Welt in all ihrer Fremdheit, aber auch im Vertrauten bekannt zu machen. Und dies gelingt ihr auf leise, unaufdringliche, aber um so eindringlichere Weise.

Geisterpfade

Celine Kiernan, Heyne

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