Fledermausland
- Heyne
- Erschienen: Januar 2009
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Der nackte Student und die Übersinnlichen - Welten begegnen sich
Sebastian Schatz ist das, was man gemeinhin als ewigen Studenten bezeichnet. Nun, studieren tut er - noch zumindest - nicht, aber das lockere Studentenleben hat er zumindest schon drauf. Zwar ist Hannover, sein Studien- pardon Lebensort nun nicht eben als kulturelles Highlight weltweit bekannt, doch dafür sind die Mieten günstig, das Bier immer frisch gezapft und Aushilfsjobs keine Mangelware. Dass sein Vater dabei für seine 37 Quadratmeter die Hälfte berappt - na ja, der alte Herr weiß natürlich nicht, dass sein Obolus fast für die gesamte Miete reicht - hilft dabei ebenso wie sein Engagement im lokalen Asia-Shop. Alles könnte ja so schön sein. Jetzt hat Basti drei Wochen Urlaub vor sich, sein baggern an der hinreißenden Kim scheint auch, nach wochenlanger romantischer Werbung und Kinogerenne von Erfolg gekrönt zu sein, da zieht neue Unheil am Horizont auf.
Es ist mitten in der Nacht. Angesichts der drückenden hochsommerlichen Temperaturen schläft Basti bei offenem Fenster. Schwupps hat er einen Zimmergenossen. Während andere von blutsaugenden Moskitos oder nervtötenden Mücken umschwirrt werden, verirrt sich eine Fledermaus in sein Zimmer. Mannhaft, nein eher heldenhaft flieht unser angehender Studiosus, nackt wie Gott ihn schuf, aus dem Zimmer. Doch auf Dauer will er sich nicht vertreiben lassen. Also allen Mut zusammengerafft und das Schlachtfeld betreten. Die Fledermaus scheint sich in den Rolladenkasten verkrochen zu haben. Da kommt es geschickt, dass der Vermieter erst kürzlich einen elektrischen Antrieb spendiert hat. Angemacht, und schon bleibt das Teil stehen. Kurz entschlossen steckt Basti seine Hand hinein und bleibt prompt stecken. Dass die herbeigerufenen Sanitäter ein wenig merkwürdig daherreden, fällt ihm in all der Hektik kaum auf. Und dass sie ein Goldkettchen mit Anhänger verlieren, kommt ihm gerade zupass, kommt dergleichen Geschmeide bei dem holden Geschlecht doch gut an. Damit aber beginnen seine Probleme erst. Auf dem Männerklo im Kino lernt er einen depressiven Vampir kennen, ein Oger sucht bei ihm psychologischen Rat, ein Domowoje zieht in seiner Müllhalde von Wohnung ein und putzt alles blitzeblank, die Zwerge von der GEZ beehren ihn und eine Nymphe ist in Basti verknallt - die entsprechenden Verwicklungen kann man sich vorstellen ...
Neue Flügel für die uniforme Urban Fantasy
Was ist das für ein Roman, der der sonst so uniformen Urban Fantasy neue Flügel verleiht? Ja, es gibt abseits unseres gewohnten hektischen Alltags übernatürliche Wesen, die sich vor den Menschen verbergen. Es gibt zwei einander nicht eben grüne Wächterorden, Vampire, Oger, Nymphen, doch damit hört die Gemeinsamkeit a la Dierssen auch schon auf.
Das Buch beginnt ein wenig wie ein Studentenroman mit dem Charme des Bastians. Da stellt sich uns ein junger Mann vor - sensibel, gefühlvoll, mehr Müsli als Macho, der ein Problem hat - nur eines? Na ja, so recht weiß er nicht, was er mit seinem Leben anfangen soll, gar nicht zu reden von seiner unerfüllten Libido. Und ausgerechnet diesem Loser passiert dann gar Unerhörtes. Er bekommt - ungewollt - Einblick in einer fremde, gefährliche Welt. Dass er nicht schreiend davonläuft - und er ist versucht, das Hasenpanier zu ergreifen, glauben Sie mir das - ist ein Wunder. Doch was tut man nicht alles, der holden Weiblichkeit und ihren verführerischen Reizen zuliebe. Das liest sich einfach nett, ist mit viel Selbstironie und so manchem Seitenhieb auf Hannover, Studenten und die Menschheit als Ganzes garniert. Dazu gesellen sich überraschende Wendungen und Einfälle, liebeswerte Unikate, die so ganz anders sind, als die ständig gleichen, omnipräsenten Werwesen und ihre Artgenossen. Als solches bringt das Buch frischen Wind in ein uniformes Sub-Genre, überzeugt handwerklich wie von den Ideen her durch Eigenständigkeit und liest sich sehr angenehm.
Oliver Dierssen, Heyne
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