Himmelsauge
- Droemer-Knaur
- Erschienen: Januar 2009
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Goblins in London - oder der Elfenkrieg an der Themse
Ein Junge, die Medien sprechen von einem Inder oder Pakistani, gerät mitten in London mit einem gediegen gekleideten Gentleman aneinander, reißt sich los, stürmt die U-Bahntreppe hinab und wirft sich vor den Zug.
Als solches schon unerhört, doch dann die Sensation, die die Presse natürlich weidlich ausschlachtet. Der Junge überlebt seinen Selbstmordversuch nicht nur, seine Wunden heilen in nie zuvor erlebter Geschwindigkeit. Aus aller Welt melden sich Koryphäen, um den Unbekannten zu untersuchen. Dieser liegt im Städtischen Krankenhaus und ahnt von dem Trubel um seine Person nichts. Amnesie, so der Fachausdruck, die dramatischen Ereignisse haben ihn seine Erinnerung verlieren lassen. Als er dann im Fernsehen einen Bericht über seine Tat sieht, fällt ihm zumindest sein Name wieder ein.
Avi, so heißt er, und Kellen, ein merkwürdiger Mann mit nur drei Fingern an jeder Hand, will ihm Böses. Eine abenteuerliche Flucht später ahnt er zumindest, dass er nicht aus Jux und Dollerei auf das Bahngleis gesprungen ist. Kellen entpuppt sich als Goblin, der sich seiner zu bemächtigen sucht. Avis Leibwächter, ein so genannter Bewacher, stirbt schon bei nächsten Angriff, kaum dass Avi ihn gefunden hat. Nun muss der Junge sich alleine durchschlagen. Zum Glück findet er in der Punkerin Hannah, deren Mutter mit einem Gehirntumor im Krankenhaus ihrem Tod entgegendämmert, eine Freundin. Als sie Hannahs Mutter besuchen, geschieht dann gar Merkwürdiges. Als Avi deren Hand nimmt, heilt die Todkranke auf magische Weise. Was nur, wer ist er, und was will Kellen von ihm?
Die Antworten findet er zum Einen in seinem Erinnerungsbuch, aber auch in seiner alten Heimat, dem Reich der Elfen, Feen und Goblins ...
Mehr als einer der üblichen Urban-Fantasy-Plots?
Einmal mehr ein Urban Fantasy Roman, wie sie die Verlage im Dutzend billiger allmonatlich auf die Büchertische werfen, so dachte, ja befürchtete ich zu Beginn der Lektüre.
Goblins, die junge Menschen mit besonderen Gaben verfolgen, eine sich anbahnende Romanze des Protagonisten mit einem Teenager, die sich äußerlich durch ihre Frisur und Kleidung von dem etablierten Elternhaus absetzen will, das kennt man. So las sich das Buch zu Beginn zwar ganz flott und munter auf einen Rutsch, doch die Ausgangslage schien fast zu bekannt. Dann aber, unmerklich zunächst, begann sich der Plot aus den vorverlegten Gleisen zu lösen und eigene Wege zu beschreiten. Nachdem die erste wilde Verfolgungsjagd überstanden ist und es ein wenig geruhsamer zugeht, entwickelt die Handlung nämlich plötzlich ein ganz eigenes Flair.
Das Ergebnis ist zum Teil bezaubernd, dann wieder nur interessant, hier mischt sich Altbekanntes aus der irischen Sagenwelt mit Eigenem zu einer in großen Teilen faszinierenden Saga. Die Mischung zwischen alt und neu, zwischen Sagenmaterial und eigener Imagination, sie stimmt nach dem etwas altbekannten Auftakt.
Dazu gesellt sich eine mit zunehmender Dauer der Erzählung immer überzeugendere Zeichnung der Figuren. Gerade die beiden jugendlichen Identifikationsfiguren sind in all ihrer Unstetigkeit und ihrer impulsiven Art gut getroffen. Ihre jeweilige Hilflosigkeit und Verzweiflung führt immer wieder dazu, dass sie unüberlegt agieren und ihre impulsiven Handlungen dann folgerichtig bereuen müssen.
Die Fairchild'sche Anderswelt der vor Jahrhunderten von London abgespaltenen Zauberwelt ist ein weiteres Pfund, mit dem die Autorin wuchert. Geschickt baut sie hier Brücken zu bekannten Wahrzeichen der Stadt an der Themse, verklärt diese aber märchenhaft in einer nur auf den ersten Blick allerdings heilen Welt. Insgesamt der Auftakt einer Feensaga, die sich als gelungene Mischung aus alt und neu präsentiert.
Melissa Fairchild, Droemer-Knaur
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