Ist es wirklich Fantasy?
Wanja Bajarin, Sohn des mächtigsten Fürsten der Amudaren - Nomaden und Viehzüchter - begibt sich nach Streitigkeiten mit seinem Vater auf Weltreise. Er wird zum Krieger, Gelehrten und Barden. Auf der Durchreise durch das mittländische Reich, in dem der kluge König Karl herrscht, mischt er sich in den fremden Krieg ein. Auf den ersten Blick verliebt er sich in die Dame Valeria und genau die wird kurz nach dem Sieg über den bösen Grafen von Wolfenburg von Flugungeheuern entführt. Bajarin jagt ihnen auf seinem schnellen Hengst hinterher, erledigt eines nach dem anderen, bis er die Dame natürlich befreit. Doch sie müssen wieder einen langen Weg zurück, und dieser Weg hat es in sich. Wegelagerer, alte Feinde, aber auch alte und neue Freunde tauchen auf. Im Lager des Königs wieder angekommen, überredet ihn der König, das zerstörte Lehen aufzubauen, anstatt seine Reise weiter fortzusetzen.
Anspruch und Wirklichkeit
Korfhage beginnt ihren Roman mit einem Brief an die Leser, in dem sie kundtut, dass sie sich über schlechte Bücher ärgert und beschließt, es besser zu können. Der Rücktitel verspricht: "einen frischen Roman, ..., der sich von den schwachen Kopien der großen Klassiker wohltuend abhebt." Also an Selbstbewusstsein mangelt es der Autorin nicht. Doch kann sie ihrem selbst gewählten Anspruch auch gerecht werden? Das Buch beginnt spannend und aufregend. Die Einführung des Helden gelingt der Autorin kurzweilig. Auch die Jagd der Flugungeheuer ist abenteuerlich, später dann auch noch einige Episoden der Rückreise, besonders die Begegnung mit den alten Feinden aus der amudarischen Heimat, den Illuren.
Doch ist es wirklich Fantasy? Außer diesen Flugungeheuern, bei denen bis zum Schluss nicht klar wird, warum sie die Dame nun entführt haben und ein bisschen Magie, die der Held wirken kann, aber später verspricht, es sein zu lassen - nach dem Motto: ´Magie ist böse - gleichgültig zu welchem Zweck sie benutzt wird´ - vermissen wir eine fantastische Welt. Die vielen Beschreibungen, die es von den vorhergegangenen Reisen des Helden gibt, erinnern uns an das frühe Indien, an die Normannen und eine europäische mittelalterliche Gesellschaft ohne neue Ideen.
Das Buch ist ein Abenteuerroman, ein beschränkter Liebesroman und ein Aufbauroman. Plakativ beschreibt sie wahre Männerfreundschaft. Alles wird aus Sicht des Helden berichtet, doch was ist mit den anderen, die weitere Protagonisten des Romans sein könnten? Nur über seine Erlebnisse und Gedanken werden wir oberflächlich über die möglichen Gefühle der Dame Valeria informiert. Die Hälfte des Buches beschäftigt den Helden damit, das zerstörte Lehen wieder aufzubauen - und spätestens da wird es trotz einiger Straßenräuber und eines verfressenen Dorfschulzen langweilig. Fünfzig Seiten hätten für diese Arbeit dicke ausgereicht! Dann kommen gegen Ende auch noch Gesandte mit massenweise Geschenken zur Hochzeit. Dabei legte sie die Gestalt eines wahren Bösen an: Ghadamis, der eigentlich Valeria heiraten wollte und sie möglicherweise entführen ließ. Er bemerkte, nachdem Wanja das Lehen übertragen bekommen hatte, dass man ihn töten müsse, doch das verfliegt wie eine Seifenblase. Mit der Person des Wanja hat sie den wahren Überhelden ohne charakterlichen Makel geschaffen, den ehrenwerten, hochintelligenten, loyalen, warmherzigen, starken, liebevollen, musikalischen Menschenfreund. Je länger der Roman dauert, desto kitschiger wird es.
Die Kunst des Schreibens
Dabei kann Korfhage schreiben, sie hat wirklich Talent. Ich vermute, dass dieser Reinfall eine Frage des Lektorats ist. Ich weiß nicht, wie das in kleinen Verlagen funktioniert, aber nur ein paar orthografische und Tippfehler auszumerzen, hat noch nichts mit einer konstruktiven Begleitung des Autors beim Entstehen und Werden einer Story zu tun. Übrigens: "Wer brauchen nicht mit zu gebraucht, braucht brauchen überhaupt nicht zu gebrauchen." Peinlich. Das Buch endet mit Friede, Freude, Eierkuchen - was soll denn dann im zweiten Band geschehen? Falls Frau Korfhage dies lesen sollte, eine Bitte an sie: Ernsthafte Konflikte und Gegner, die den Roman tragen. Was Fantasy umfassen kann, ist in der Genrevorstellung "Was ist Fantasy-Literatur?" der Phantastik-Couch nachzulesen.
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