Die Seherin und die Apokalypse
Als Liz Phoenix einmal wieder die Nachtschicht in der Bar, in der sie arbeitet, ausdehnen muss, ahnt sie noch nicht, dass das Böse sich wieder auf ihre Fersen geheftet hat. Als eine umwerfende Frau die fast leere Bar betritt, rettet sie nur der magische Stein, den ihr der Navajo-Schamane und Fellläufer gegeben hat, davor, von den dunklen Kräften der Unbekannten vernichtet zu werden. Wer ist sie und warum nur will sie Liz umbringen?
Eine Vision und einen Besuch bei ihrer alten Ratgeberin im Paradies später weiß sie, dass sie tief in der Tinte sitzt, ganz tief. Eine uralte Prophezeiung, das Gegenstück zur Offenbarung der Bibel, weist den Nachfahren der Nifilim den Weg. Die Horden des Bösen wollen mit Liz' Tod die Apokalypse auslösen, und so die Tore der Hölle aufstoßen.
Und wer ist der Anführer der Nachfahren der gefallenen Engel - nicht etwa, wie sie gehofft und vermutet hat, der von ihr im ersten Teil getötete Widerling, oh nein, das wäre ja viel zu einfach. Muss es sich ausgerechnet um Sawyers Mutter handeln, eine unbesiegbare Frau, die sich in dunkle Luft auflösen kann und Kräfte ihr eigen nennt, die selbst ihren Sohn nur staunen lassen? Klar, dass Liz alle Hilfe, die sie bekommen kann einfordert. Und das ist wenig genug, sind doch die meisten Seher und Jäger entweder getötet oder untergetaucht. So gilt es die zunächst nicht sonderlich engagierte Freiwillige zu finden und zu überzeugen, sich dem Bösen zu stellen.
Dass Liz sich während des Geschlechtsaktes die jeweiligen übernatürlichen Gaben ihres Partners aneignen kann, hilft dieses Mal nur beschränkt. Eine Hexe und Heilerin weist ihr stattdessen den Weg - das Böse kann nur besiegt werden, wenn man es mit den eigenen Kräften bekämpft. Muss Liz sich den dunklen Gaben der Nifiliim öffnen, um eine Chance zu haben?
Magie, Sex und Gewalt - die drei Säulen, auf die Handland ihren Plot stützt
Lori Handemans Phoenix-Chroniken kann man zutreffenderweise unter dem Oberbegriff Urban Fantasy einreihen. Anders als noch zu Beginn des Booms sind die Autoren mittlerweile aber weit mehr gefordert. Es genügt beileibe nicht mehr, uns mit ein paar gut gebauten Vampiren das Gruseln zu lehren.
Eine Verankerung der Handlung in den bekannten Mythen diverser Kulturkreise kommt gut, dazu gesellen sich dann übernatürliche Wesen der unterschiedlichsten Ausprägung und gefallene oder göttliche Engel. In einem solch gearteten, differenzierten Kosmos des Übernatürlichen kann der Autor dann seinen Plot einbauen.
Lori Handeland hat ihre Hausaufgaben gemacht. Neben Hexern, Vampiren und Feen hat sie mit Sehern, übernatürlich begabten Kämpfern und Werwesen ein ganzes Panoptikum des Übersinnlichen aufgebaut. Daneben warten spannende Kämpfe und einige wenige, dafür in ihrer Ausgestaltung recht deutliche Sexszenen auf den Rezipienten. Dabei erfindet die Autorin das Rad nicht eben neu. Gerade Leser, die schon einiges entsprechendes goutiert haben, werden sich in der Handlung gut zurechtfinden und auf so manch vertrauten Entwicklung stoßen. Allerdings hat die Autorin, auch verglichen mit dem ersten Teil, einiges an Faszination und Potential verschenkt.
Mit dem unsterblichen Navajo Sawyer hat sie im ersten Roman gepunktet. Hier begegnete uns ein indianischer Schamane, der glaubwürdig und überzeugend anders ausgestaltet war, als wir dies sonst von den Hexern gängiger Urban-Fantasy-Epen gewohnt waren. Verwurzelt in der indianischen Kultur, berichtete uns die Autorin damals von der Ausbildung, die Liz bei ihm erfahren hat, und von den sexuellen Spielen, die beide miteinander trieben. Letztere waren sorgfältig in die Handlung eingebaut und notwendiger Bestandteil des Plots.
Dies erscheint mir zumindest dieses Mal nicht der Fall zu sein. Die drei, vier entsprechenden Szenen hängen - fast bin ich geneigt, sie als Fremdkörper im Handlungsgefüge zu benennen - in der Luft. Das wirkt aufgesetzt, platt und plakativ zugleich. Ich hatte den Eindruck, dass die Autorin hier ganz bewusst ihre drei deftigen Sexszenen hineinschreiben wollte oder gar musste, um dem Zeitgeschmack oder den Vorgaben ihres US-Verlages zu entsprechen, egal ob diese Szenen nun für die Handlung wichtig und notwenig waren oder nicht.
Die Handlung selbst braucht gut das halbe Buch, bis sie richtig in Gang kommt. Dann aber, das muss man Handeland attestieren, geht es zur Sache. Kämpfe gegen Werwölfe, der Tod und die Auferstehung unserer Erzählerin, die Aufklärung der Rätsel und der finale Kampf gegen Sawyers Mutter halten jede Menge Action für den Leser bereit. Dennoch ist verglichen mit dem Auftaktband der Saga ein deutliches Qualitätsgefälle auffällig. Zu sehr versucht die Autorin ihre Handlung auf vermeintlich allgemein gültige Versatzstücke der gängigen Bestseller zu bauen, vernachlässigt dabei jedoch bedauerlicherweise ihre eigenen Stärken. Das Gebotene reiht sich damit nahtlos in die üblichen Urban-Fantasy-Sagen ein, bietet rasant aufgezogene und spannend zu lesende Unterhaltung, bleibt dabei aber hinter den eigenen Möglichkeiten zurück.
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