Die gelöschte Welt

  • Piper
  • Erschienen: Januar 2009
  • 3
Die gelöschte Welt
Die gelöschte Welt
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Verena Wolf
87°1001

Phantastik-Couch Rezension vonNov 2009

Eine schräge Postapokalypse gegen den Strich gebürstet

"Die gelöschte Welt" ist ein Debüt und Harkaway hat das gemacht, was wohl nur ein Neuling so achselzuckend kann, weil er noch nicht glattgezogen ist durch Erfahrungen, Markterwartungen und dem Druck, an alte Erfolge folgsam anzuknüpfen. Darum gleich die Warnung: Der Klappentext führt vollkommen in die Irre. Wer durch ihn denkt, "Die gelöschte Welt" sei waschechte Science Fiction und/oder typischer Endzeitroman, vielleicht noch mit einer Zeitreise dekoriert: geschnitten! Klar, das erste Kapitel startet brav: Der Ich-Erzähler und sein bester Freund Gonzo Lubitsch, ein knallharter Typ fürs Grobe bekommen in einer recht desolaten Zukunft den Auftrag, den vollkommen außer Kontrolle geratenen Brand der Pipeline schlechthin zu löschen, die den letzten Rest der Zivilisation versorgt. Die Truppe startet aufgedreht Richtung Himmelfahrtkommando:

Das letzte Haus verschwand hinter uns. Vor uns donnerte Brisketts Panzer, und Gonzo trommelte wild aufs Lenkrad:
"Die offene Straße!" rief ich ins Mikrofon.
"O ja, ja, ja!" brüllte Gonzo Lubitsch.
Bone Briskett sagte kein Wort, aber er sagte auf eine Weise kein Wort, die uns merken ließ, dass er uns für verrückt hielt.
Bitte, guter Gott. Ich will nach Hause.

Und genau dahin geht es im Kapitel zwei: nach Hause. Die Vergangenheit des Ich-Erzählers und seines besten Freund Gonzo wird aufgerollt, lange, sehr lange. Erst auf Seite 446 sitzt man wieder im Truck und fährt - um einiges schlauer - dem apokalyptischen Brand entgegen.

Immer anders als man denkt

Dass man so lange zurückgeworfen wird, verwirrt zuerst und kann verstimmen. Es ist zugegeben nicht sehr einfach, in das Buch reinzukommen, wegen der Schubladen, die man im Kopf hat! Aber es lohnt sich. Denn die Story hat es in sich. Süffisant, auf den Punkt und mit treffender Flapsigkeit, die keine Gnade mit dem Ich-Erzähler und Gonzo hat, wird von ihrer Schulzeit erzählt, wie sie bei Meister Wu Gong-Fu lernen, sich verlieben, auf die Uni gehen und politisch korrekte Piraten sowie politisch unkorrekte Geheimdienstler kennen lernen. In den Seiten ist ein Wetterleuchten von Karate-Kid, Fightclub und Sincity, aber auch - also doch SF - der Charaktere und Moral von Star Trek und X-Men. Anders gesagt, Harkaway fabuliert drauf los, mischt Brutales, Tiefsinniges, Absurdes und Witziges zu einem erstaunlich einfallsreichen Mix, der durch Harkaways Sprachgewandtheit 1a funktioniert. Es geht um Heldentum in unmöglichen Momenten, Ninjas, Verlust, Freundschaft und man vergisst, dass man ursprünglich was antiseptisch Zukünftiges wollte. Erst langsam - aber sicher - steuert die Welt Richtung Krieg und große Löschung hin. Und wieder erwartet man etwas anderes als Harkaway serviert: Die große Löschung hat nichts mit schickem Datenklau und Internet-Vernichtung zu tun, Harkaway nimmt und meint die Löschung der Welt wörtlich. Und das ist erschreckender als manche glitzernde Computer-Mär.

Das dicke Ende

Je näher die Story dem Brand kommt, desto dramatischer und knapper wird der Stil und Ton der Geschichte. Alle Fäden laufen auf diesen Showdown zu, dem ein Knackpunkt der Erkenntnis folgt. Denn - damit ist nicht zu viel verraten - es läuft beim großen Einsatz am Brandherd einiges für Gonzo aus dem Ruder und die Welt ist nicht mehr wie sie war. Aber erneut ist schlau gelöst, worum es eigentlich geht und zum Schluss denkt man selbstzufrieden: zum Glück ist man dem zu kurz-greifenden Klappentext auf den Leim gegangen!

Die gelöschte Welt

Nick Harkaway, Piper

Die gelöschte Welt

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