Der Schattenseher
- Droemer-Knaur
- Erschienen: Januar 2009
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Magischer Thriller mit kleinen Schwächen
Stephen Hunt, ein Raubein mit einer Vorliebe für Whiskey und Flüche, hat seine kleine Tochter verloren, auf die Alptraumart aller Eltern. Aus der eigenen Wohnung wurde sie entführt und nie wieder gesehen, Hunt saß derweil im Nebenzimmer. Seine Ehe zerbricht über seiner obsessiven Suche nach seiner Tochter, die ab da sein Leben einnimmt. Hunt geht so weit, dass er sich einem Ritual unterzieht, in dem er sein Augenlicht einbüßt. Auch wenn er für andere jetzt blind wirkt, er ist es nicht. Bei Licht kann er wirklich nichts sehen, aber je dunkler es ist, umso besser kann er sich orientieren. Er lebt nur noch in stockdunklen Räumen, was neben seinen ausgebrannten Augenhöhlen nicht wirklich seinem sozialen Leben hilft. Aber er kann jetzt die Geister Verstorbener sehen und mit ihnen in Kontakt treten. Das ist sehr praktisch zum Beispiel für Detective Stanton, der ihn gern als vermeintlichen Hellseher für ungelöste Mordfälle anheuert, ohne zu wissen, dass Hunt vor Ort mit den Geistern der Ermordeten interagieren und so erfahren kann, was geschah. Aber auch jetzt treibt Hunt in Wirklichkeit nur an, was mit seiner Tochter geschah. Auf einmal scheint einer seiner Fälle eine Spur zu sein....
Er sieht tote Menschen
Es klingt alles so gut. Die Idee ist faszinierend, Hunt ein Antiheld, der es wirklich zu etwas bringen könnte und die Story taugt absolut für den Auftakt einer neuen Serie. Aber irgendwo in der Mitte geht das gut angelegte Szenario leicht schief. Die Sprache ist schnörkellos und direkt, manchmal bis zur flachen Abgehaktheit, lässt sich aber gut lesen. Doch der Autor hält sein eigenes Szenario nicht durch. Wo unser Held erst in einer Dunkelwelt lebt, kommt er plötzlich auf den Trichter, dass er durch die Augen von Geistern sehen kann - so weit, so gut. Dass ist immer noch seltsam und spooky genug. Aber dann findet er anhand einer patenten Lady heraus, dass er sich auch der Augen Lebender bedienen kann. Das macht er ab da nur noch und das Phänomen "Ich kann im Dunklen sehen wie ihr im Hellen" ist ab da verschwunden, wahrscheinlich, weil es zu kompliziert wurde. Trotzdem schade.
Logische Schnitzer
Die Story um die Tochter wirkt ein wenig als "hartes Schicksal" konstruiert und die erklärenden Rückblicke auf Dauer langatmig, da sie wenig Neues bringen. Auch scheint die ganze Welt plötzlich vor magischen Wesen und Begebenheiten überzuquellen und keiner stört sich daran, all das ist plötzlich normal. Dann ist die Geschichte selbst teilweise recht unlogisch. Es wirkt auf mich, als ob Joseph Nassise erst die Idee hat, "alle sollen Hunt verfolgen, er gerät in Gefahr, aber kann alle Hindernisse überkommen und wird zum Gejagten" und unseren Schattenseher dann auf Biegen und Brechen mit Hilfe von sehr viel Glück und Zufall dahin bugsieren muss. Das passt alles nicht ganz. Natürlich erwarte ich von einem magischen Thriller keine hohe Literatur, sondern ruhig ein schnelles Vergnügen zwischendurch, aber eine Prise mehr Gehirnschmalz und Sorgfalt hätte "Der Schattenseher" aus der Masse herausheben können. Aber das Cover ist große Klasse, Lob an PAN.
Joseph Nassise, Droemer-Knaur
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