Glühender Stahl
- Heyne
- Erschienen: Januar 2010
- 4
Die etwas andere Fantasy des Richard Morgan
Mögen Sie Fantasy-Romane? Gehen Sie auch gerne an der Seite der jungen, gutaussehenden und schlagkräftigen Helden auf die Questen gegen das Böse? Nun, dann wird Sie der erste Fantasy-Roman aus der Feder eines der eigenwilligsten SF-Autoren der letzten Jahre überraschen.
Erzählt wird, einmal mehr, die Geschichte einer dunklen Bedrohung einer archaischen Welt. Die Dwenda, gottähnliche Wesen, die vor Urzeiten von den Kiriather vertrieben wurden, sind zurück. Und sie wollen die Macht über die Welt an sich reißen, die Menschen leiden sehen. Soweit so gut. das kennen wir ja, ist nichts wirklich umwerfend Neues. Doch die Auseinandersetzung wird uns aus mehreren wirklich ungewöhnlichen Blickwinkeln erzählt. 'Vorhang auf für unsere drei Protagonisten.
Da ist zunächst einmal Ringil. Er ist der Held. Dass seine beste Zeit lange vorüber ist, dass er von den Wunden, die der Krieg ihm geschlagen hat, ja mehr noch von denen, die die Zeit ihm mitgab, geprägt wurde, trifft es nicht annähernd. Ein alter, seltsamer, zynischer Dickkopf ist er und schwul noch dazu.
Dann gibt es da Archeth, eine etwas launische, manche würden sie - allerdings mit eingezogenem Kopf und hinter vorgehaltener Hand - auch als aufbrausende, alternde Zicke bezeichnen, Kriegerin.
Hinzu gesellt sich Egar, der Drachentöter. Ein Barbar, mittlerweile Klanherr, der aus der Zivilisation nach Hause zurückgekehrt, sich einen Dreck um überkommene Sitten und Gebräuche, gar nicht zu reden von dem örtlichen Schamanen schert.
Diese drei wurden vom Schicksal, na sagen wir mal lieber, von einem etwas merkwürdigen Autor, der offensichtlich nicht weiß, wie man einen Fantasy-Roman richtig schreibt, dazu ausersehen, uns von dem Konflikt zu berichten. Dabei geht es gar merkwürdig zu. Nicht etwa große Schlachtengemälde erwarten den Leser, wilde Verfolgungsjagden oder dunkle Magie sucht man vergebens. Statt dessen berichtet uns der Autor vom Leben seiner drei Protagonisten. In ihrem chaotischen Alltag stoßen sie auf erste Hinweise darauf, dass die Dwenda nach ihrer vernichtenden Niederlage erneut versuchen, die Herrschaft über ihre alte Welt zurückzuerobern. Zeitlos wie sie sind, voller unbegreiflicher Gaben und Kräfte, haben die Menschen kaum eine Chance. Zudem wird der Angriff der wenigen noch überlebenden Dwenda heimtückisch und verborgen vorgetragen...
Understatement für einen beeindruckenden Roman
Während andere Verlage ihre Bücher mit Klappbroschur oder Prägedruck edeln, bietet Heyne derartige Gimmicks kaum an. Nun kann man dies so auslegen, dass der Verlag sein Geld spart, oder aber, dass man die Mittel lieber in den Ankauf hochwertiger Manuskripte steckt. Vorliegender Roman braucht solche verkaufsfördernden Beigaben auch nicht, zu versiert und gleichsam zu innovativ führt Morgan gängige Fantasy-Klischees zu neuen Ufern.
Da sind zunächst seine drei Protagonisten zu nennen. Sie alle weisen für einen Fantasy-Roman eher untypische Wesenszüge aus. Alle sind deutlich älter als sonstiges Heldenmaterial, dazu noch ungewöhnlich ausgestaltet. Der Barbar, der den Segnungen der Zivilisation nachtrauert, die Kriegerin, die ungewohnt diplomatisch zu agieren weiß - keine Angst, sie kann auch zuschlagen und Augen ausstechen -, zudem noch lesbische Neigungen offenbart, und nicht zuletzt unser gefeierter Kriegsheld, der fremden Schwänzen hinterhersteigt.
Hat man dies einmal akzeptiert, und sich mit den Erzählern arrangiert, wartet man auf den großen Aha-Effekt. Wann nur kommt endlich der gordische Knoten, den es zu durchschlagen gilt, wann wird die Queste, die unsere Drei zu überstehen haben, benannt? Man wartet und wartet, lernt derweil die Welt und ihre Zivilisationen, ihre Geschichte und die Angreifer kennen, doch die Tat, die zur Rettung der Menschen vollbracht werden muss, sie will einfach nicht auftauchen. Das ist gelinde gesagt gewöhnungsbedürftig für uns so uniformen Fantasy-Leser.
Im überraschend und martialisch ausgestalteten Finale bekommen wir dann endlich das lang ersehnte Schlachtengetümmel. Auch hier aber überrascht uns Morgan. Statt ganze Heerscharen aufeinander zu hetzen, stehen zwanzig Krieger dem Ansturm der Dwenda gegenüber. Geschickt spielt der Autor hier wie schon zuvor im Buch mit der Erwartungshaltung des Lesers, überrascht uns nicht nur mit seinen Personen, sondern auch mit dem Handlungsaufzug und fasziniert mit einem spannend aufgezogenen Plot.
Richard Morgan, Heyne
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