Respektables Solo-Debüt
Perry Rhodan ist nicht nur die (selbsternannt) größte Science-Fiction-Serie der Welt, nein, besonders als Talentschmiede hat sich die deutsche Endlosserie hervorgetan. Beinahe alles, was in der heimischen Szene Rang und Namen hat, hat schon einmal eine Perry-Rhodan-Geschichte verfasst. So auch Michael Marcus Thurner, der mit "Turils Reise" nun einen selbständigen Roman vorlegt.
Showdown im Kahlsack
Der Kahlsack ist eine Raumregion, die ihrem Namen nicht gerecht wird: Tatsächlich gibt es hier viele intelligente Lebensformen. Doch hat sich erst einmal eine Zivilisation bis zur interstellaren Raumfahrt entwickelt, stößt sie schnell an eine unüberwindbare Grenze: Denn bisher ist es niemandem gelungen, den Raum jenseits des Kahlsacks zu erreichen. Alle Schiffe, die man aussandte, wurden zerstört. Da sie auf diesen Raumsektor beschränkt sind, arrangieren die meisten Spezies sich miteinander - oder meiden die anderen. Nur die fremden Kitar stören den relativen Frieden. Wie eine intergalaktische Plage fallen sie über den Kahlsack her und zerstören ohne ersichtlichen Grund ganze Welten.
Turil ist ein Thanatologe; seine menschenähnliche Spezies fungiert als Bestattungsunternehmer im Kahlsack. Dabei umfasst der Service eines Thanatologen nicht nur die Organisation eines Begräbnisses; wenn es sein muss, leistet Turil auch Sterbehilfe. Als er eines Tages auf einen Kitar trifft, ändert sich Turils bescheidenes Leben von Grund auf: Von den seltsamen Fremden beinahe magisch angezogen, beginnt für Turil eine Reise, die ihn auch weit in die eigene Vergangenheit führen wird.
"Technobabbel" und "Exospeak"?
Mit viel Schwung beginnt für den Leser ein exotisches Sternenabenteuer. Thurners Stil wirkt sehr locker und ungezwungen. Er versprüht erfrischenden Humor und lockt den neugierigen SF-Leser so tief in sein fantastisches Universum. "Turils Reise" ist dabei ein SF-Roman, der den Leser mit den ersten Seiten völlig überrumpelt. Thurner schreibt mit grenzenlos anmutender Fantasie und schafft für seine Geschichte die aberwitzigsten Kulissen.
Immer wieder darf der Leser die Welt durch die Augen skurriler Außerirdischer betrachten. Viel Vorstellungsvermögen ist nötig, wenn man auf die verschiedenen Lebensformen des Kahlsacks trifft. Hierbei glänzt Thurner besonders durch seinen Humor, denn die Eigenarten der Aliens sind alles andere als eine bierernste Angelegenheit. Doch bunte Cocktails mit Schirmchen löschen nicht vorrangig den Durst. Den ausschweifenden Schilderungen fehlt es oft an nahrhafter Substanz, z.B an für den terrestrischen Otto-Normal-Leser nachvollziehbaren Konflikten der Figuren.
Die zahlreichen pseudotechnischen Begriffe und verschiedenen Wortschöpfungen für die Wahrnehmungs- und Lebenswelt der Aliens werden auch im Mittelteil des Buches nicht weniger, bzw. beginnen den Erzählfluss zu stören. Das ist eine Form von "Technobabbel", wie man es von Autoren wie David Brin und nicht zuletzt aus einigen Perry-Rhodan-Romanen kennt. Die Story versumpft stellenweise in der Handlung selbst nicht dienlichen Abenteuern. Erst im letzten Viertel des Buches setzt sich wieder eine klarere Linie durch. Mit etwas umständlichen Erklärungen werden dann die Geheimnisse des Kahlsacks gelüftet. Und auch Turils Vergangenheit offenbart einige dunkle Kapitel, die man nicht als originell, aber doch als spannungsdienlich bezeichnen kann.
Thurners Solo-Debüt macht insgesamt Lust auf mehr, zeigt aber einige Schwächen im Aufbau und der Dramaturgie. Die umständlichen Erklärungen und Offenbarungen des Schlusses hätte man sicher in erklärender und zielgerichteter Handlung im Mittelteil einbauen können. Obwohl sprachlich vorzüglich geschrieben und mit viel Witz angereichert, langweilt die Mitte des Buches doch etwas. Letztlich bekommt Thurner die Kurve jedoch und schließt seine Geschichte mit einem spannenden Finale ab.
Michael Marcus Thurner, Heyne
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